Auf den Punkt. gebracht 10.5 : Schlechte Recherche? Dafür habe ich keine Zeit.

Auf den Punkt. gebracht 10.5 : Schlechte Recherche? Dafür habe ich keine Zeit.

Ich habe mich schon einmal über die Darstellung von Wrestling in den Medien ausgekotzt, damals ging es um die Artikel von Enrico Ahlig. Nun hat sich aber die „Zeit“ dem Thema angenommen und, nein, das hier wird keine Lobeshymne weil endlich jemand es verstanden hat. Das wäre ja langweilig, wenn auch gleichzeitig eine willkommene Abwechslung.

 Natürlich hat „Die Zeit“ in dem Artikel „Prügel gegen Geld“ nicht nur so über Wrestling berichtet, dass sich das renomierte Blatt auf dieses Niveau ablässt ist ja komplett unvorstellbar. Das macht der Autor Felix Lill innerhalb des Artikels auch durch bissige Wortwahl relativ unsubtil klar. Es geht um Stefan Kastenmüller, den ehemaligen General Manager für Deutschland, Schweiz und Österreich und den derzeitigen General Manager für Europa. Der O-Ton des ganzen Artikels ist „Wie kann man sich nur in diese Branche verirren“ und ist stellenweise gar stark beleidigend gegenüber der Wrestling-Fanbase.  

Denn Wrestling ist ja fake und der Autor macht es innerhalb des Artikels recht klar, dass er die Begeisterung der Fans nicht verstehen kann. Herr Lill, freier Autor für die Zeit, kann sich glücklich schätzen diesen Satz noch nie gegenüber von Fit Finlay oder anderen alten Hasen des Business geäußert zu haben. Finlay hat damals solchen Leuten nämlich den Daumen gebrochen oder wenn sie gute Laune hatten zumindest nur ausgerenkt.

„Das Schlachtfeld liegt in Hamburg. Etwa 8.000 Zuschauer in der O₂-Arena haben im Schnitt 60 Euro pro Ticket bezahlt. Viel Geld für eine Hau-drauf-Orgie, die nicht einmal echt ist. Welcher der Muskelprotze im Ring den Kampf gewinnt, ist stets abgesprochen. (…) Jeder weiß das. Aber die Fans fiebern mit, als ginge es wirklich um Leben und Tod. (…) Wrestling kennt keinen echten Wettkampf, es ist also kein Sport im eigentlichen Sinn. Als Bühnenspiel indes unterscheidet es sich dramatisch vom Theater: Zu simpel sind die Plots, als dass sie den Zuschauer auf gedankliche Höhen bringen könnten. (…)Es gibt den Guten und den Bösen, Amerika und Russland, aber nichts dazwischen. Ist das noch Spaß?“

Herr Lill bestätigt hiermit das abgehobene, eingebildete und menschenferne Verhalten was man Philosophie-Studenten nur allzu gerne vorwirft, redet geradezu herablassend auf Wrestling-Fans herunter. (Spart euch die Kommentare, ich weiß genau dass das ein argumentum ad hominem ist. Da soll noch einer sagen Punk-Rock bildet nicht.) Ich möchte erst einmal einige Punkte auffassen :

Fake Hau-Drauf-Orgie? Wäre es also besser wenn sich die Kontrahenten wirklich Schaden zufügen würden? Der Grund warum ich Wrestling verfolge und ich Boxen und MMA als niedere Unterhaltung ansehe ist weil ich genau weiß, dass wenn nicht etwas komplett schief läuft die Wrestler ohne nennenswerte Verletzungen den Ring wieder verlassen. Deswegen kann ich mir das überhaupt anschauen, würde es dort richtig zur Sache gehen wie im Octagon oder im anderen Seilgeviert dann wäre es mir zu unangenehm. Wrestling bietet mir spannende und hoch-athletische Kämpfe ohne dass sich jemand, im Normalfall, ernsthaft verletzt. Mir ist natürlich klar dass es den Körper natürlich zusetzt und jeder Fall auf die Matte wehtut, aber ich schaue nicht zu wie sich zwei Kontrahenten willentlich verletzen um den Sieg zu erringen. Als Wrestlingfan schaut man dabei zu wie zwei Performer allesmögliche versuchen dies eben nicht zu tun und gleichzeitig eine unterhaltsame Performance abzuliefern. In meinen Augen die humanere Variante. Das soll jetzt nicht heißen dass jemand, der sich gerne Box- oder MMA-Kämpfe ansieht ein Unmensch ist aber zu kritisieren dass da nicht wirklich die Schädeldecke beim DDT aufkommt ist doch arg seltsam.

Haben sie schon einmal einen Actionfilm gesehen? Wussten sie dass der Joker im Film „The Dark Knight“ Rachel gar nicht durch eine Explosion umbringt sondern die Schauspielerin auch weiterhin unter den Lebenden verweilt … anders als Heath Ledger? Alles was um uns rum in der Unterhaltungsbranche passiert ist fake, ironischerweise ist das Reality Television ganz vorne dran wenn es darum geht. Wo zieht man also die Linie? Ein Argument wäre dass es viel realitätsnaher dargestellt wird mit Live-Übertragung und Kämpfen ohne Zwischenschnitt statt monatelanger Dreharbeiten und der Magie des Schnittraumes – was sie jedoch selbst mit „Welche der Muskelprotze im Ring den Kampf gewinnt ist stets abgesprochen (…) Jeder weiß es.“ entkräften. WWE betitelt sich selbst als Sport Entertaiment und, auch wenn ich den Begriff nicht leiden kann ist es eigentlich eine gute Umschreibung. Sport gemischt mit den Quintessenzen der Unterhaltung – Drama, Action, Emotionen. 

Hat Wrestling das Niveau eines Theaterstückes? Nein. Kann es gar nicht, ich möchte einmal ein Theater sehen dass wöchentlich ein neues Stück auf die Beine stellt während unter der Woche noch durch die ganze Welt getourt wird. Muss alles was wir uns täglich zuführen Hochkultur sein? Wieso werden Wrestling-Fans kritisiert wenn die Stories simpel sind aber keiner hinterfragt alltägliche Unterhaltungsformate wie SitComs oder den Tatort. Der Tatort erfindet auch nicht jedes Mal das Rad neu und im Endeffekt läuft alles nach dem selben Schema ab – Verbrechen wird begangen, Verbrechen wird untersucht, Verbrechen wird gelöst. Sind wir da wirklich so weit weg von USA gut – Russland böse? Was war denn der Plot von 007 – Goldeneye? Rusev vs. Cena war außerdem eine Fehde die, nur am Rande bemerkt, von vielen Fans wegen der Eintönigkeit und Schwarz-Weiß-Malerei kritisiert und belächelt wurde.

Natürlich kommt ein Artikel der großen Presse über Wrestling nicht ohne grobe Recherche-Fehler aus.

„Klassische Geldbringer sind bis heute beispielsweise die table matches, in denen der Sieger seinen Gegner durch einen Tisch rammen muss. Oder barbed wire matches mit Stacheldraht-Einlagen. Ebenfalls beliebt ist die Variante last man standing, bei der der Ring zunächst voll mit Wrestlern ist, die sich so lange prügeln, bis nur noch einer übrig ist.“

Ich wüsste nicht dass ein Table Match ein „klassischer Geldbringer“ wäre, Stacheldraht habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr in einem WWE Ring gesehen und das was als Last Man Standing betitelt wird ist ganz offensichtlich eine Battle Royale. Ginge es hier um Sleazy-W (CZW) würde ich Barbed Wire noch durchgehen lassen, aber nachdem WWE nicht einmal mehr das Bluten erlaubt ist das Palaber rund um „Gewaltorgien“ reiner Schwachsinn. Jeder Chick-Flick mit einem Periodenwitz hat mehr Blut als eine Ausgabe von Monday Night Raw.

„In den Vereinigten Staaten laufen Kämpfe der WWE im Pay-TV, das bringt das Geld. Aber auch Eintrittskarten für die Arenen und das Merchandising spielen Millionen ein. Die Gänge der großen Sporthallen sind dann voll mit Souvenirläden und Fanshops. In Hamburg legen Fans bis zu 200 Euro für eine Kopie eines vermeintlich echten Championgürtels hin, zahlen bereitwillig 30 Euro für Spielfiguren der Muskelprotze.“

Im Gegensatz zu all den anderen Fans anderer Sachen. Die würden NIEMALS Geld für Merchandise ausgeben. Vor allem nicht für so einen Mist wie FC Bayern Babyklamotten, FC Bayern Tassen, FC Bayern Toaster, Briefkästen, Federmäppchen, Trikots, Schulmappen, Papierkörbe… Alles reale Produkte. Wo ist der #Aufschrei? Mal davon abgesehen dass es in den USA für viele Sachen sehr viel Merchandise gibt, Nintendo hat sich mit den Pokemon-Karten und allem was dazu gehörte die Taschen nur so vollgeschlagen. Was jetzt verwerflich an Wrestling-Merchandise ist verstehe ich nicht, auch wenn ich die Replica-Belts auch ziemlich lächerlich finde.



Im Endeffekt haben wir hier ein Paradebeispiel was dabei rauskommt, wenn jemand schon mit einer vorgefertigt Meinung in einen Artikel hüpft. Kein müder Gedanke wurde daran verschwendet nachzuforschen, warum Wrestling beliebt ist. Der Autor kam mit der Einstellung rein „Wrestling ist Idiotenunterhaltung“ und brachte das dann auch so zu Papier.

Die Gesamtaussage des Artikels ist „Herrn Kastenmüller stand die Welt offen – und er entschied sich für Wrestling (dieser Idiot)“ was nicht nur beleidigend gegenüber von Herrn Kastenmüller sondern auch der ganzen Wrestling-Community ist. Ich habe nichts gegen eine kritische Sichtweise, aber dann bitte richtig recherchiert, objektiv und fair. Lediglich 3 Sachen – die der Artikel nicht schafft.

Ich geh jetzt zurück in die Ecke und schlage mir mit dem Hammer wieder und wieder auf den Kopf. Das machen doch die dummen Wrestling-Fans so, oder Herr Lill?

Der Artikel gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors Mathias wieder und nicht immer die Meinung von wrestling-point.

Zitate aus dem Zeit-Online Artikel „Prügel gegen Geld“, veröffentlicht am 13.5 in der Printversion und am 31.5 auf zeit.de

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