Octopath Traveler – „Das Beste aus zwei Welten“

                                                 Getestet und verfasst von General M 

xzhds8zjqab11Mit dem Aufkommen neuer Technologien begann sich das Genre der japanischen Rollenspiele spätestens ab Mitte der Neunziger drastisch weiterzuentwickeln. So gilt beispielsweise ein Fantal Fantasy VII bis heute als einer der bedeutsamsten Vorreiter einer vor allem grafischen Evolution, die statt klassischer Sprites und Pixelhintergründe erstmals auf waschechte 3D – Umgebungen setzten. Der typische JRPG – Look, der sich vor allem dank Super Nintendo und Co. etablierte, schien damit passé zu sein. Bis sich ausgerechnet Square Enix, die zu den Urvätern des Genres zählen, 2018 entschlossen, alt und neu miteinander zu kombinieren und eine Erfahrung zu schaffen, die das alte Feeling der SNES – Ära weitestgehend zurückbringt. Das Ergebnis ist Octopath Traveler, ein durch und durch klassisches Rollenspiel, welches grafisch wie spielerisch das Beste aus zwei Welten kombiniert. Der ehemals exklusiv für die Switch veröffentlichte Titel ist nun endlich auch für den PC erschienen. 

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Acht Geschichten, ein Ziel

Willkommen im Land Osterra, einer Welt, die nach altem Glauben einst von dreizehn gottgleichen Entitäten erschaffen wurde. Der Sage nach war Galdera, einer der Schöpfer, aber unzufrieden mit den gemeinsamen Bemühungen und wurde schließlich von seinen übrigen Mitstreitern in die Unterwelt verbannt. Doch einige glauben, dass sich hinter der Sage auch eine handfeste Wahrheit befinden und suchen im Verborgenen nach Mitteln und Wegen, die Siegel zur Unterwelt aufzubrechen und Galdera aus seinem ewigen Gefängnis zu befreien. Klar, dass sich die Helden in Octopath Traveler irgendwann allesamt mit dieser Bedrohung auseinandersetzen müssen. Bis dahin jedoch haben wir als Spieler alle Hände voll damit zu tun, zunächst die ganz persönlichen Problemene der insgesamt acht vielseitigen Recken zu lösen – sofern wir das denn wollen. 

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Denn anders als zahlreiche andere Genrevertreter könnt ihr selbst entscheiden, mit welchem Charakter ihr das Spiel beginnen wollt, ebenso aber, ob ihr überhaupt Gefährten an eurer Seite wünscht oder nicht. Einsame Wölfe können das Spiel nämlich ebenso zu einem Abschluss bringen wie gesellige Teamplayer. Wirklich empfehlenswert ist das zwar nicht, da euch dadurch natürlich tonnenweise Story entgehen, die grundlegende spielerische Freiheit kann man diesbezüglich aber nur positiv bewerten. Je nachdem, für welchen Startcharakter ihr euch entscheidet, beginnt ihr das Spiel auch an einem ganz anderen Punkt auf der umfangreichen Weltkarte. Der Gelehrte Cyrus beispielsweise bereist die Welt auf der Suche nach einem gestohlenenen Folianten, Ritter Olberic will Rache an einem verräterischen ehemaligen Weggefährten nehmen und Dieb Therion findet sich nach einem mehr oder weniger missglücktem Raubzug in den Diensten einer Adelsfamilie wieder und soll deren Familienerbstücke wiederbeschaffen. Dazu kommt jeweils noch eine optional spielbare, jeweils knapp halbstündige Vorgeschichte, welche die Motive der acht Charaktere noch etwas vertieft, ebenso aber auch übersprungen werden kann. Nur mit dem von euch zuerst gewählten Charakter seid ihr „gezwungen“, dessen gesamte Geschichte inkl. Prolog zu erleben.

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In unserem Fall haben wir uns für Cyrus entschieden, der als vielseitiger Magier eine gute Wahl für den Einstieg darstellt und uns dann nach und nach daran gemacht, die übrigen Mitstreiter im Uhrzeigersinn zu rekrutieren. Alleine für dieses Vorhaben kann man bereits locker gute zehn Stunden Spielzeit veranschlagen. Insgesamt bietet Octopath Traveler aber mit allen Zusatzaufgaben weit über 170 Stunden Spielzeit, was definitiv einen Award wert ist. Wer wirklich lieber Solopfade beschreiten möchte, muss statt dem normalen Geschichtsstrang zu folgen und dabei auf natürliche Weise stärker zu werden natürlich mehr oder weniger stundenlang in der Wildnis Erfahrungspunkte grinden, denn die jeweils nächsten Kapitel der jeweiligen Charaktergeschichten erfordern bereits deutlich höhere Erfahrungsstufen. Und hier merkt man leider auch schnell, dass die erzählerische Qualität der einzelnen Handlungsstränge nicht durchgehend auf hohem Niveau agiert. Manche Geschichten, wie beispielsweise die der ehemaligen Tänzerin Primrose, überzeugen durch viele emotionale und sogar düstere Momente, während Motive wie jenes der angehenden Händlerin Tressa, die einfach nur den Aufzeichnungen in einem alten Tagebuch folgt, dagegen eher verblassen. 

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Ehe man sich also nach vielen Stunden Spielzeit entweder alleine oder im Team gegen ein gemeinsames (im Kern aber auch nicht gerade innovatives) Übel bewegt, gibt es einige Aufgaben zu bewältigen, die Welt zu entdecken und nicht zuletzt auch, ein möglichst hohes Charakterlevel samt entsprechender Ausrüstung zu erlangen. Hier gibt sich Octopath Traveler ganz und gar klassisch, versäumt es aber anders als beispielsweise ein Final Fantasy, die einzelnen Charaktere wirklich nahe zusammenrücken zu lassen. Interaktion untereinander beschränkt sich wohl auch durch den nicht linearen Spielansatz nämlich auf ein absolutes Minimum, weswegen man lange Zeit nicht das Gefühl hat, dass man Osterra mit Freunden bereist, sondern eher mit Zweckgefährten, die immer dann auftauchen und präsent wirken, wenn ihre Zeit gekommen ist, nur um danach wieder auf dem Abstellgleis zu warten. Auch der erzählerische Ablauf der jeweiligen Handlungsstränge gerät oftmals repetiv und kann nur wenig individuelle Akzente setzen. 

Die optimale Party

Jedem der acht Charaktere in Octopath Traveler fällt eine besondere Spezialisierung zu, aus denen ihr je nach Encounter die optimale Party zusammenstellen könnt. Da ihr das Spiel aber wie bereits erwähnt aber auch komplett alleine beenden könnt, öffnet sich jedem Charakter später auch die Möglichkeit, eine zweite Spezialisierung zu aktivieren. Dadurch werdet ihr in den Kämpfen deutlich flexibler und habt mehr Optionen zur Verfügung. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg, weswegen es sich empfiehlt, bereits von Anfang an alle Gefährten auf ein gleiches Level zu bringen. Cyrus ist als Magier generell ein empfehlenswertes Gruppenmitglied, da dessen weite Brandbreite an Elementarmagie sich gegen nahezu jeden Gegner wirksam einsetzen lässt. Olberic fungiert nicht nur als mächtiger Nahkämpfer, sondern ebenso auch als Tank, der dank hoher Lebenspunkte und guter Verteidigungsfertigkeiten unersetzlich für jeden Bosskampf ist. Alfyn, ein fahrender Heiler, unterstützt die Gruppe mit stärkenden Gebräuen und Jägerin H´aanit kann im Kampf gefangene Wildtiere als Verbündete beschwören. 

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Die Fertigkeiten der acht Charaktere sind angenehm vielseitig und lassen sich auf zahlreiche Weise effektiv miteinander kombinieren. Abseits davon verfügt jeder Charakter aber auch über eine ganz besondere Eigenschaft, die vor allem abseits der Kämpfe nützlich ist. Cyrus kann die meisten NPC´s verhören und erhält bei Erfolg die versteckten Standorte nahegelegener Items (oder gar Rabatt auf den Aufenthalt im Gasthaus), Therion kann Passanten um deren Hab und Gut erleichtern und Primrose betört die Bewohner von Osterra mit ihrem Charme, wodurch diese ebenfalls zu kurzzeitigen Verbündeten im Kampf werden. Kein Charakter fühlt sich nutzlos an, jeder bietet Vor- und Nachteile. Sich aus dem großen Angebot von Talenten die optimale Party zusammenzustellen, gerät zu einer motivierenden Herausforderung, auch weil mit steigendem Level auch immer neue Bonusfertigkeiten freigeschaltet werden, von denen nicht selten die ganze Gruppe profitiert. Daher sollte man beim Aufleveln immer das große Ganze im Blick behalten, denn anfangs eher schwache Charaktere wie Tressa können später zu unverzichtbaren Verbündeten werden. 

Die Verteidigung brechen

Gekämpft wird in Octopath Traveler auf der einen Seite klassisch, andererseits widerum nicht. Denn während einen zumindest die optische Aufmachung der rundenbasierten Gefechte anfangs sehr an klassische Vertreter des Final Fantasy – Franchises erinnern, verbirgt sich dahinter doch eine ganze Menge Neuerungen. Primäres Ziel ist nämlich nicht, möglichst viel Schaden auszuteilen, sondern vorallem die richtige Art von Schaden. Jeder Gegner verfügt nämlich gleichermaßen über Widerstände wie Anfälligkeiten für bestimmte Schadenstypen, die es erst durch Try and Error herauszufinden gilt. Auch hier bietet Cyrus wieder einen wichtigen Vorteil, denn der analysiert zu Kampfbeginn automatisch die Gegner und deckt jeweils eine zufällige Schwäche auf.

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Es gibt sowohl physische wie auch magische Resistenzen, weswegen Schwerthiebe und Blitzschläge manche Gegner nur müde lachen lassen, andere dagegen enormen Rüstungsschaden erleiden. Und genau darum geht es in den Kämpfen: Schwächen ausnutzen, die gegnerische Verteidigung brechen und dann im kurzen Schockzustand richtig austeilen. Da erinnert das Gameplay im Kern sehr an ein Final Fantasy XIII, spart sich aber dessen Hektik. Gänzlich neu ist dafür das Bonuspunktesystem. Nein, keine Sorge, hier geht es nicht um Payback, sondern um eine überaus taktische Komponente. Maximal fünf solcher Bonuspunkte lassen sich pro Charakter je Gefecht ansammeln, die quasi als Multiplikatoren für eure Attacken fungieren. Wie viele ihr davon für euren nächsten Zug einsetzen wollt, liegt ganz bei euch. Soll ein Gegner schnell seine Verteidigung verlieren? Oder wartet man lieber und schlägt dann im verwundbaren Zustand umso verheerender hinzu? Der Kampydynamik fügt dieses System definitiv einen sehr guten Aspekt hinzu. 

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Die Mischung funktioniert, die Kämpfe entpuppen sich als angenehm fordernd, aber niemals unfair und laden dazu ein, stets unterschiedliche Taktiken und Charaktere einzusetzen. Wer dann doch immer wieder an einem bestimmten Boss verzweifelt, muss wahrscheinlich noch ein paar Level dazugewinnen. Grinding ist durchaus eine präsente Komponente des Spiels, alles in allem kein so nerviges Unterfangen wie in anderen Genrevertretern. Durch natürlichen Progress gelangt man bereits zu einiger Stärke, was dann gegebenenfalls noch fehlt, lässt sich zügig in der Wildnis nachholen. Zwar skalieren die Gegner in ihrer Stärke nicht mit dem Erfahrungslevel der Party, dafür gibt es für jede Gruppe ein passendes Gebiet mit adäquat starken Feinden, in dem man prima Erfahrungspunkte farmen kann.  

Klassik trifft Moderne

Octopath Traveler nutzt als grafisches Gerüst die Unreal Engine 4, was auf den ersten Blick aber kaum auffallen dürfte, denn ein Großteil der Animationen, allem voran natürlich die Charaktere, bestehen aus ganz klassischen Sprites und auch die Umgebung wirkt eher altbacken. Kombiniert man das aber mit den aktuellen Stärken der Engine, nämlich Beleuchtung und Effekten, entfaltet das ungewöhnliche Grafikdesign eine einzigartige Schönheit, die Klassik und Moderne zu einem faszinierenden Hybriden vereint. Bereits auf der Switch sah das Spiel auf diese Weise zauberhaft aus, aber erst mit der PC – Portierung entfaltet sich das wahre Potenzial dieses ungewöhnlichen kreativen Ansatzes wahrhaftig.

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Während sich die Switch nämlich mit 30 Frames pro Sekunde begnügen musste und es bei der Auflösung trotzdem bei eher mageren 720p beließ, kann man auf dem PC aus den Vollen schöpfen. Es gibt nativen 4K – Support und doppelte Framerates für absolut geschmeidiges Gameplay. Die nochmals verbesserte Beleuchtung sowie eindrucksvollere Effekte sorgen dafür, dass Octopath Traveler der Switch – Version technisch eine ganze Nase voraus liegt. Die Hardwareanforderungen halten sich dabei aber in Grenzen, denn bereits auf Mittelklassehardware lassen sich die meisten Settings mühelos maximieren. Die sorgfältig an die Bedürfnisse von PC – Besitzern angepasste Version überzeugt diesbezüglich auf ganzer Linie. Bereits auf der Switch präsentierte sich das Spiel mit einem der schönsten Soundtracks, die man in den letzten Jahren im Rahmen eines Videospiels auf die Ohren bekam. Daran hat sich auch mit der PC – Version nichts geändert. Gleiches gilt aber auch für die eher lasche Sprachausgabe, die hier wahlweise auf Englisch oder Japanisch verfügbar ist, jeweils aber mit sauber lokalisierten deutschen Untertiteln aufwartet. Der Mischmasch aus teilweise vertonten Dialogen und purem Text hat schon in so manchem Spiel genervt und ist wohl auch ein bisschen der geringen Speicherkapazität der Switch – Module geschuldet. Für die PC – Version hätte man aber nun Gelegenheit gehabt, dieses Manko zu korrigieren, wahrgenommen hat man sie leider nicht. Andererseits bewegt sich zumindest die englische Sprachausgabe weiterhin auf durchgehend durchwachsenem Niveau, weshalb man so oder so auf den sehr viel besseren japnischen Originalton ausweichen sollte. 

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Wenig zu meckern gibt es dafür hinsichtlich der Bedienung. Zwar gerät die Steuerung mit Maus und Tastatur erwartungsgemäß eher fummelig und erschwert besonders die Menüführung, mit angeschlossenem Gamepad spielt sich Octopath Traveler dafür aber wie geschnitten Brot und stellt dementsprechend auch die allererste Wahl für Interessenten dar, zumal das Spiel von Haus aus alle gängigen Eingabegeräte unterstützt. 

Fazit und Wertung

ava7„Lange Zeit haben Spieler darauf gehofft, dass Octopath Traveler auch abseits der Switch veröffentlicht werden würde. Mit der PC – Version hat Square Enix diesen Wunsch nun zumindest teilweise erfüllt. Geboten wird hier das exakt gleiche Abenteuer wie auf Nintendo´s tragbarer Konsole, dank zahlreicher technischer Optimierungen stellt die sauber portierte PC – Version aber die gegenwärtig bestmögliche Wahl für Interessenten dar. Dem steht allerdings auch ein Jahr nach Erstveröffentlichung ein mehr als happiger Preis von stolzen 60€ gegenüber. Dafür bekommt man einen überwiegend tollen Mix aus alten und neuen Rollenspieltugenden geboten, dem es lediglich bei Erzählung und Charakterzeichnung an Finesse mangelt.“

Pay-2-Win/Miktrotransaktionen: Octopath Traveler bietet keinerlei Möglichkeiten, sich gegen Echtgeld spielerische Vorteile verschaffen zu können. Eine Abwertung findest diesbezüglich nicht statt. 

PRO:

+ Faszinierender Grafikstil, der Klassik und Moderne geschickt miteinander kombiniert
+ Acht vollwertige Hauptcharaktere…
+ …mit jeweils ganz eigenen Motiven und Hintergrundgeschichten
+ Abwechslungsreich gestaltete Spielwelt, die zum Entdecken einlädt
+ Teamplayer oder einsamer Wolf: Ihr habt die Wahl
+ Motivierendes Fortschrittsystem
+ Nützliche Spezialfertigkeiten
+ Klug durchdachtes, enorm vielseitiges Kampfsystem
+ Nur wenig Grinding erforderlich
+ Gewaltiger Gesamtumfang 
+ Fantastischer Soundtrack
+ Gute (japanische) Spracher
+ Sauber lokalisierte deutsche Untertitel

+ Hervorragende Bedienung (Gamepad)
+ Sorgfältig optimierte PC – Version

 
CONTRA:

– Nicht alle Charaktere bieten gleichwertig gute Hintergrundgeschichten
– Immer mal wieder repetiv wirkende Handlungselemente
– Wenig innovative Gesamtgeschichte
– Nach wie vor störender Mix aus vertonten Dialogen und Volltextdialogen
– Durchwachsenende englische Sprachausgabe
– Fummelige Maus- und Tastatursteuerung
– Hoher Preis

                                                  GESAMTWERTUNG:     8.7/10

                 
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