Warcraft III: Reforged – „Viel gewartet, wenig bekommen“

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                                                        Getestet und verfasst von General M 

wc3kaWie sehr sich die Zeiten doch ändern. Als Blizzard zur Mitte des Jahres 2002 Warcraft III: Reigns of Chaos erstmals auf die Welt losließ, befand sich die Spieleschmiede mit Hauptsitz in Kalifornien auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres Schaffens. Die langerwartete Fortsetzung um den immerwährenden Kampf zwischen Menschen, Orcs und Co. heimste massenweise Traumwertungen und Awards ein, erhielt ein Jahr später mit der Erweiterung The Frozen Throne gar ein nochmals gelungeres Expansion Set. Knapp 18 Jahre später erfreut sich der Klassiker dank nahezu perfektem Balancing und Unmengen von Custom Created Content immer noch großer Beliebtheit. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen des 2018 erstmals angekündigten Remakes. Nach einigen Verzögerungen ist Warcraft III: Reforged nun endlich erschienen – doch Grund zur Freude gibt es seitens der Spieler gegenwärtig kaum. Eine Metawertung von gerade mal 2.2 und eine riesige Protestwelle begleiten den Release. Woran liegt´s? 

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Ein solider Plan

Vorneweg: Kenner des Originals und der Erweiterungen bekommen mit Warcraft III: Reforged sämtliche Kampagnen aus Basisspiel und Erweiterung in einem Bundle angeboten. Neue Storyinhalte gibt es allerdings nicht, denn auch dieses Mal geht es im Rahmen der Vorgeschichte (die auch als kurzes Tutorial fungiert) um den Auszug der nach dem letzten großen Krieg zerstreuten Horde, die unter Führung des jungen Kriegshäuptlings Thrall ins ferne Kalimdor auszieht, um dort neue Kraft zu finden. Die ist auch bitter nötig, denn ein geheimnisvoller Prophet warnt vor einem drohenden Übel, welches ganz Azeroth in Tod und Verwüstung zu hüllen droht. Im Königreich der Menschen will man davon allerdings nicht viel wissen. Dort bekämpft Thronfolger Arthas gemeinsam mit Mentor Uther und der Magierin Jaina eine untote Plage, welche die ansässigen Bewohnern in gefräßige Zombies verwandelt. Dahinter verbirgt sich die Brennende Legion, deren zahlreiche Diener fleißig daran arbeiten, den dämonischen Streitkräften den Weg zu ebnen.

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Die drohende Gefahr führt Arthas schließlich ins eisige Nordend, wo die uralte Waffe Frostgram genug Macht verspricht, um es erfolgreich mit den zahlreichenden Feinden aufnehmen zu können. Entgegen aller Warnungen ergreift der Prinz die verfluchte Klinge, verfällt aber schließlich dem Wahnsinn und findet sich einige Zeit später als neuer Champion in den Reihen derjenigen wieder, die er eigentlich zu bekämpfen suchte. Derweil verbünden sich die abgeschieden lebenden Nachtelfen mit den geschwächten Menschen, um doch noch siegreich aus der nahenden Invasion hervorgehen zu können. Doch unter den Langohren verfolgen manche ganz eigene Pläne: Der abtrünnige Illidan Sturmgrimm will die Kampfkraft seines Volkes nämlich lieber gegen den Lichkönig im Norden wenden, bekommt es dort aber mit einem immer machthungrigeren Arthas zu tun. Und auch das Reich der Blutelfen muss inmitten der Kriegswirren um sein Überleben kämpfen…

Mehr Arbeit?

Die umfangreiche Vorgeschichte zu World of Warcraft bestach seinerzeit mit der wohl komplexesten Handlung, die das Echtzeitstragiegenre je hervorgebracht hat. Ein Ruf, den die umfangreichen Kampagnen um Menschen, Nachtelfen und Co. bis zum heutigen Tag innehaben. Für knapp 30€ wird also bereits Solisten einiges geboten, wobei die Macher mit einer neuen, besonders leichten Schwierigkeitsstufe auch Gelegenheitsspielern entgegenkommen möchten, schließlich entpuppte sich das Original bereits auf seiner Standardschwierigkeit als knackige Herausforderung, die besonders Anfänger immer wieder in Notlagen brachte. Rein inhaltlich hat sich sonst allerdings nichts verändert, der Missionsablauf mitsamt der verfügbaren Nebenaufgaben wurde unverändert übernommen. Lediglich kleinere Designanpassungen an klassische Maps sollen die Szenerie optisch näher zu den in World of Warcraft etablierten Landschaften bringen. Auf das Gameplay hat das aber keine Auswirkungen. Gleiches gilt für die zehn Euro teurere Spoils of War – Edition, die abseits ein paar alternativer Heldenskins und Portraits hauptsächlich für Besitzer weiterer Titel aus dem Hause Blizzard lohnenswert ist. Overwatch erhält ein paar neue Sprays und animierte Sticker, in Diablo III darf man mit einer Miniaturausgabe von Mal`Ganis als Pet angeben und StarCraft II wird mit einem ganzen Satz Interfacealternativen im Mittelalterstil versorgt. Gelungener ist da schon das Extra für World of Warcraft, wo beim Einloggen der Fleischwagen der Untoten als neues Bodenreittier wartet.

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Dass sich Warcraft III: Reforged identisch zur Vorlage spielt, ist erstmal auch nicht schlecht, schließlich eilt dem Klassiker von 2003 samt seiner Erweiterung der Ruf voraus, in Sachen Einheitenbalancing nahe der Perfektion zu agieren. Mit dem Remake kommen nun erstmals nach Jahren neue Anpassungen dazu, die auch für die Classic Variante greifen. Wer das Original via der hauseigenen Vertriebsplattform Battle.net besitzt, über die nun auch die Neuauflage exklusiv vertrieben wird, wird sich vielleicht gewundert haben, dass trotz Nichtkauf plötzlich knapp 30 Gigabyte Zwangsdownload fällig werden (so viel wiegt nämlich der Download des Remakes). Blizzard hat sich allerdings dazu entschieden, beide Programme miteinander zu verschmelzen, offeriert aber nur Käufern Zugriff auf die neuen Features, allen voran natürlich die ordentlich aufbereitete Grafik. Auch dafür kann man Verständnis zeigen. Der große Schock für Puristen folgt dann aber spätestens auf dem Titelbildschirm, denn die von Fans so geliebten Custom Campaigns fehlen im Remake ebenso wie klassische Ranglisten oder Clan- und Turnieroptionen für den Mehrspielermodus. Wer all das mit der klassischen Variante gerade noch genießen konnte, bekommt mit dem Zwangsupdate ganz ohne Vorwarnung einen Riegel vorgeschoben, kann via Battle.net aber nicht mehr zurück zum bekannten Umfang. Wer also nicht im Besitz der ursprünglichen CD´s zum Spiel ist, die ganz ohne den Launcher funktionieren, hat keine Chance auf das volle klassische Erlebnis mehr. Dafür revanchieren sich Fans auf aller Welt derzeit mit massiven Protesten, Blizzard selbst hat bisher allerdings noch keine Reaktion folgen lassen. 

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Doch der abgespeckte Umfang ist nur ein kleiner Teil dessen, was Warcraft III: Reforged zu einer kleinen, aber gewichtigen Enttäuschung verkommen lässt. Immerhin wurde seit der Enthüllung auf der BlizzCon 2018 in regelmäßigen Abständen immer wieder Material zum Spiel gezeigt, indem neben einem ganz neuen Interface auch komplett neue, schick gemachte Zwischensequenzen zu sehen waren. Aber auch davon ist im fertigen Spiel nichts mehr zu sehen. Warum man nach den vielversprechenden Vorschauen nun doch wieder zurück in die alten, muffigen Schuhe gestiegen ist, darüber kann man gegenwärtig nur mutmaßen. Dass das Remake in erster Linie Service für langjährige und treue Fans ist, sollte einen von zeitgemäßen Verbesserungen am Interface ebenso wenig abhalten wie die technische Modernisierung der Zwischensequenzen – zumal nichts davon sich auf Handlung oder Gameplay auswirkt und dementsprechend auch keiner aufschreien dürfte. Was man stattdessen bekommen hat, enttäuscht angesichts der schicken Optik beider Aspekte, die bis dato zu sehen waren, gleichermaßen alte wie neue Hasen. Damit zementiert eine der bis vor Jahren noch am meisten gefeierten Spieleschmieden der Welt mehr und mehr den Ruf, auch nicht mehr viel besser zu sein als die übrigen Unternehmen am Markt, die mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Geld aus den Brieftaschen treuer Anhänger ziehen wollen. Als Fan, der nun bereits seit Warcraft II: Tides of Darkness immer lobend für Blizzard eingetreten ist, ist es mit den positiven Argumenten spätestens seit der verkorksten Ankündigung des mobilen Diablo schwierig geworden – nach zahlreichen Stunden mit Warcraft III: Reforged und dessen vielen inhaltlichen Versäumnissen und unerfüllter Versprechen mittlerweile sogar fast unmöglich. Der Vorwurf der Kundenttäuschung ist nicht unberechtigt und lässt einen bitteren Beigeschmack zurück. 

…also ich habe Euch nicht gewählt!

Schmerzlich vermisst habe ich außerdem die Funktion, jederzeit bequem zwischen alter und neuer Grafik wechseln zu können. Da das Remake in seinen Grundfundamenten weiterhin auf der Engine des Originals von 2002 fußt, sollte das eigentlich keine Schwierigkeiten darstellen. Immerhin halten sich dadurch auch die Hardwareanforderungen in Grenzen: Selbst betagte Mittelklassehardware sollte für eine gute Performance samt hohen Details ausreichen, solange man die Auflösung dabei nicht zu sehr nach oben schraubt. Die vorgenommenen Anpassungen am Kartendesign sorgen dann aber leider doch dafür, dass man sich immer erst ins Hauptmenü begeben muss, um zwischen den jeweiligen Modi hin- und herwechseln zu können. Wofür mir dagegen jedwedes Verständnis fehlt, ist die nicht vorhandene Möglichkeit, auch zwischen alter und neuer Synchronisation wechseln zu können. Um auch in diesem Bereich näher an die in World of Warcraft etablierten Sprecher von Arthas und Co. zu rücken, hat man sämtliche Dialoge und Einheiten komplett neu vertont. Das Ergebnis ist nur gelegentlich besser als zuvor, manchmal aber sogar etwas schlechter als die altbekannten Sounds. Denn auch wenn es nun vor allem bei der Betonung deutlich stimmiger aus den Boxen ertönt, so sehr krankt das Remake am gleichen Problem wie schon das Remaster von StarCraft im letzten Jahr: Auch dort ging durch manch eher unpassend gewählten Sprecher stückweise die gewohnte Atmosphäre verloren. Eine Option, zwischen alter und neuer Synchronfassung wählen zu können, hat man sich dort ebenfalls gespart. 

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Die aufgemotzte Technik ist ebenfalls nicht über alle Zweifel erhaben. Die visuellen Unterschiede sind besonders bei Einheitenportraits- und Modellen auszumachen. Statt klobiger Klotzgestalten präsentieren sich Murlocs, Peons und Ghule ebenso wie die zahlreichen Helden in bisher ungekannter Schönheit. In der höchsten Zoomstufe sind nicht nur feine Ornamente auf den Rüstungen gut erkennbar, die gerade angewählte Einheit bewegt sogar lippensynchron ihren Mund zur Portraitanimation im Interface. Umso schmerzlicher ist dadurch der überraschende Verzicht seitens Blizzard, die tollen neuen Modelle nicht auch in angemessenen Zwischensequenzen zu inszenieren. Dass dafür mehr als nur genügend Potenzial vorhanden war, haben ja bereits die Vorschauen zur Genüge bewiesen. So aber bleibt das Geschehen in den Spielsequenzen gewohnt statisch und bis auf wenige Ausnahmen meist so weit weg, dass man die wahre Schönheit der jeweiligen Akteure nur erahnen kann. Einziger Nachteil in maximaler Nahansicht: Selbst unter nativem 4K und aktivierter Kantenglättung zeigen sich die Modelle anfällig für eine feine, aber vorhandene Treppchenbildung an den Rändern. Und auch die allgemeine Performance geriet während unseres Tests immer mal wieder ohne nachvollziehbaren Grund für einige Sekunden in Stocken. Totalabstürze sind aber über die gesamte Rezensionsdauer nicht aufgetreten. 

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Im Vergleich dazu hat sich an den bekannten Umgebungen eher wenig getan. Vom einfachen Bauernhof über die dichten Tannenwälder bis zum plätschernden Gewässer haben die Macher zwar jedes Spielelement mit komplett neuen Texturen versehen, ganz so überragend wie die Einheitendesigns ist das Ergebnis aber nicht. Klar, hübscher als das Original ist das Gebotene in jedem Fall. Der altbekannte Comiclook weicht etwas mehr Realismus, farbenfroh und effektreich bleibt Warcraft III aber auch im neuen Gewand. Das man dafür aber auf das alte Grundgerüst zurückgegriffen hat, merkt man abseits der komplett neu gemachten, wunderschönen Introsequenz überall. Für die kommenden Jahre sicher annehmbar kultiviert, wird das Remaster es aber angesichts eines weniger überdauerungsfähigen Looks schwierig haben, in Sachen Zeitlosigkeit so lange wie das Original bestehen zu können. Was mich aber vehement stört ist sind die trägen Bewegungsanimationen sämtlicher Truppen. Denn während generell mindestens 60 Frames für geschmeidig-flüssiges Gameplay angepeilt werden, bewegen sich die Einheiten lediglich weiterhin mit mickrigen 20 Frames pro Sekunde über den Bildschirm und wirken dadurch nicht selten so, als würden sie sich in Zeitlupe auf den Karten tummeln. Bei der allgemeinen Bedienung gibt´s dagegen nichts zu meckern: Die Steuerung mit der Maus ist absolut präzise, via Tastatur könnt ihr zusätzlich Gruppen bilden und selbst die alten Cheats funktionieren weiterhin. Die arge Mengenlimitierung bei angelegten Truppenkontingenten hat Blizzard im Remake aber leider beibehalten. 

Fazit und Wertung

peon„Es ist schon tragisch, dass die Stärken von Warcraft III: Reforged abseits der vorzüglich modernisierten Einheitenmodelle ausschließlich in dem zu finden sind, was schon das Original samt Erweiterung seinerzeit zu bieten wusste, nämlich umfangreiche, toll erzählte Geschichten und nahezu perfektes Balancing über sämtliche der ganz unterschiedlich funktionierenden Fraktionen. Viel wurde versprochen, nichts wirklich gehalten. Statt Neuschmiedung gibt es eher einen Neuanstrich. Klar, der kostet weniger Geld und Arbeit. Angesichts der vielen, ohne Vorankündigung gestrichenen Features wie dem neuen Interface oder cineastischen Zwischensequenzen sowie dem Wegfall vieler alter Features wie Custom Campaigns und eine Menge Mehrspielerfeatures bekommt man für die 30€ nicht viel mehr geboten als einen weiterhin hervorragend spielbaren Klassiker mit schönerer, aber insgesamt nicht überragender Grafik, der abseits der Story auch online genauso fesselt und motiviert wie das Original, dafür aber unter tonnenweise verschenktem Potenzial und inhaltlichen Abstrichen leidet. Schlimm ist dabei besonders, dass selbst unwillige Umsteiger dank Zwangsupdate keine andere Wahl haben, als diese Form von Täuschung und Enttäuschung mitzutragen. Warum nur, Blizzard? Warum?!“

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PRO:

+ Toll erzählte, umfangreiche Hauptkampagnen
+ Enthält sämtliche Geschichtsstränge von Reign of Chaos sowie The Frozen Throne
+ Wunderbar detaillierte neue Einheitenmodelle und Portraits
+ Fraktionen spielen sich allesamt sehr unterschiedlich
+ Angenehm kurze Ladezeiten
+ Schönes, komplett neu gerendertes Intro Cinematic
+ Dank nachwievor hervorragender Spielbalance immer noch ein riesen Mehrspielerspaß 
+ Zumeist gute Sprecher
+ Zeitlos atmosphärischer Soundtrack
+ Zugängliches Nutzerinterface
+ Neuer leichter Modus sorgt für beste Einsteigerzugänglichkeit
+ Präzise Bedienung via Maus und Tastatur

CONTRA:

– Viele versprochene Features ohne Vorankündigung gestrichen…
– …zudem fehlen Custom Campaigns, Ranglisten und Turnieroptionen des Originals…
– …die dank Zwangsfusion auch Besitzern der Classic Edition im Battle.net genommen werden
– Gelegentliche, willkürlich auftretende Bildrateneinbrüche
– Abseits des Intros sind sämtliche Cinematics lediglich HD – Upscales aus Classic
– Umschalten zwischen alter und neuer Grafik nur außerhalb des Spiels möglich
– Auffallend träge Bewegungsanimationen
– Nicht jeder neue Sprecher optimal besetzt…
– …außerdem keine Option, zur alten Synchronfassung zu wechseln

                                              GESAMTWERTUNG:     7.6/10

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