Assassin´s Creed: Valhalla – „Die letzte Ausfahrt vor Ragnarök“

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                                                    Getestet und verfasst von General M 

acvkaAssassin´s Creed zählt längst zu den langlebigsten Franchises der Videospielgeschichte. Der ewige Kampf zwischen Templern und Meuchelmördern hat sich besonders über die letzten Jahre komplett neu erfunden. Wo sich Origins noch als fantastisches Soft Reboot mit gewaltiger offener Welt und rudimentären Rollenspielmechaniken präsentierte, verlor der Nachfolger Odyssey zugunsten von Mythen, Monstern und mehr komplett den Fokus auf die Hintergrundgeschichte. Valhalla will sich nun wieder mehr den Assassinen widmen, Heimlichkeit wieder Gewicht zuteil werden lassen und die Größe seiner Vorgänger erneut toppen. Unser Test erklärt, warum manches davon gut funktioniert, vieles aber hinter den Erwartungen zurückbleibt.  

                    Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der XBOX Series X erstellt. 

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Sie nannten ihn Wolfsmal

Vorab: Auch dieses Mal habt ihr vor Spielbeginn wieder die Wahl, ob ihr die Reise lieber mit einem männlichen oder weiblichen Charakter beginnen wollt. Beide hören auf den gleichen Namen und erleben eine komplett identische Geschichte. Da wir uns für die männliche Variante entschieden haben, worauf auch sämtliches Bildmaterial fußt, reden wir Eivor im Verlauf unserer Rezension dementsprechend an. Und ja, dieser Eivor (ausgesprochen „Ey-wah“) teilt das Schicksal zahlreicher Serienprotagonisten, indem er bereits als junger Knabe zum Waisen wird, nachdem ein feindlicher Clan sein Dorf überfällt. Zusammen mit Thronfolger/Best Buddy Sigurd gelingt gerade so die Flucht aus der brennenden Heimat. Als Adoptivsohn von König Styrbjorn und damit auch Sigurd´s Bruder wächst Eivor in den folgenden Jahren zu einem stattlichen Krieger heran, den nur noch ein Ziel antreibt: Rache am Mörder seiner Eltern zu nehmen. Während der König munter Allianzen mit anderen Clans schmiedet, um der anhaltenden Bedrohung durch den fiesen Kjötvi endlich Herr zu werden, ziehen Eivor und Sigurd auf eigene Faust los, um den Warlord endgültig nach Valhalla zu schicken.

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Das Unternehmen ist erfolgreich, auch dank der Mithilfe zweier weitgereister Assassinen, die mit Kjötvi ebenfalls eine Rechnung zu begleichen haben. Nun mangelt es den Wikingern im eisigen Norden aber an Perspektiven. Der Plan von König Harald, sämtliche Clans unter einem Banner zu einen, geht besonders dem eroberungssüchtigen Sigurd gehörig gegen den Strich. Nach dem Bruch mit seinem Vater, der die Vereinigungspläne sofort unterstützt, will er nun alleine mit wenigen Männern das mittelalterliche England heimsuchen. Eivor, der sich eigentlich nach ein wenig Ruhe gesehnt hat, folgt seinem Bruder bedingungslos nach. Quälende Visionen, die unter anderem ein baldiges Zerwürfnis zwischen den Beiden voraussagen, will der Nordmann dabei nicht ernstnehmen. Tatsächlich entpuppt sich das mittelalterliche England als Schlaraffenland für die leidenschaftlichen Raubzügler. Doch im Verborgenen arbeitet der geheimnisvolle Orden der Ältesten mit List und Tücke daran, selbst die Macht im Königreich zu übernehmen. Und wo wir schon einmal vor Ort sind, lassen wir uns gleich von den Assassinen rekrutieren, um auch dieses Problem zu lösen…

Wie man Dinge schlechter macht

In Sachen Storytelling haben sich die Macher von Ubisoft Montreal leider nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Ausgangssituation um tote Eltern, Rachegelüste und das zufällige Abdriften in die ewige Fehde zweier rivalisierender Fraktionen wurde uns im Laufe der Seriengeschichte immer wieder präsentiert. So unter anderem in Odyssey, wo die ganze Sache immerhin noch von einer relativ spannenden Geschwisterrivalität begleitet wurde. Valhalla bietet selbst das nicht, sondern kocht bekannte narrative Zutaten ohne jede Würze auf, so dass das vorgesetzte Ergebnis zum geschmacksneutralen Einheitsbrei verkommt. Wenn man mittlerweile an einem Punkt angelangt ist, wo man schon feiern darf, dass in einem Assassin´s Creed tatsächlich auch mal wieder Assassinen auftauchen, spricht das nicht gerade für Qualität. Zu sehr hat sich das Franchise mittlerweile von seinen Wurzeln entfernt. Was nützt mir die bisher größte und schönste Welt der ganzen Saga, wenn sie sich so inhaltsfremd anfühlt wie diese? 

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Auch Eivor bleibt eine blasse Figur, die zu willig den Ambitionen Sigurd´s folgt, ohne dabei je so etwas wie eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Die wenigen gravierenden Entscheidungen, die man besonders zum Ende hin treffen muss, gleichen dieses Manko nicht aus. Erinnern wir uns an Allzeitliebling Ezio, der über drei Spiele hinweg konsequent an seinen Erlebnissen gereift ist und sich nachvollziehbar vom jungen Wilden zum weisen Meister gemausert hat wird deutlich, wie wenig Interesse Valhalla an seiner Hauptfigur, ja nahezu sämtlichen bedeutsamen Charakteren im Spiel hat. Mir gefällt, dass man Eivor nicht als raubeinigen, schweigsamen Metkonsumenten präsentiert, sondern dass sich hinter der harten Schale ein überraschend weicher Kern verbirgt. Aber selbst die wenigen guten Ansätze weiß man einfach nicht zu utilisieren. Sich am Ende der Story von Eivor und seinem Clan zu verabschieden, fiel mir daher so leicht wie nie zuvor in einem Assassin´s Creed. Und das ist alles andere als positiv. An Bayek, Arno und selbst Shay denke ich bis heute wohlwollend zurück. Eivor dagegen werde ich trotz bald hundert Stunden Spielzeit schneller vergessen haben als das furchtbare Jahr 2020.

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Das Spiel nimmt sich viel Zeit für Geschichte, aber nie für Geschichten. Historische Hintergründe werden einem nämlich am laufenden Band vermittelt, so dass man sich beinahe wie bei einem Museumbesuch fühlt. Selbst jene, die mit Odyssey nie so recht warmgeworden sind, schwärmen von den umfangreichen Questreihen an der Seite von Sokrates, Alkibiades und wie sie nicht alle heißen, welche uns locker einmal mit viel Spaß und vor allem erzählerischer Tiefe durch ganz Griechenland geführt haben. Darauf verzichtet Valhalla komplett, stattdessen warten an fest verankerten Punkten der Karte mit den sogenannten Weltevents sehr viel kompaketere Aufgaben, die man oft innerhalb weniger Minuten an Ort und Stelle absolvieren kann. Mal mussten wir ein wildes Tier zu einem feigen Jäger locken, ein anderes Mal nach einem Kamm tauchen oder (kein Witz) einer Frau dabei helfen, ihre Flatulenzfertigkeiten zu maximieren. Das ist alles so belanglos wie es sich liest und trägt weder zur Charakterentwicklung, noch zur Hauptgeschichte irgendetwas relevantes bei. Besonders, weil diese Aufgaben einen genauso wenig fordern wie alles andere im Spiel auch. Mit Ausnahme vielleicht der Bosskämpfe, von denen es einige gibt, darunter auch wieder gegen Kreaturen aus der Mythologie. 

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Ideenlosigkeit, mangelnde Tiefe und ein allgemein geringer spielerischer Anspruch sind aber nur drei der vielen großen Probleme, mit denen sich Valhalla plagt. Wo ich früher noch Stunden darauf verbracht habe, die gesamte Karte nach jedem noch so kleinen Schatz abzusuchen, weil damit oftmals Ausflüge in alte Gruften und dergleichen, ebenso auch manches Rätsel verbunden war, habe ich hier bereits nach dem Startgebiet keine Lust mehr gehabt, Meilen um Meilen durch die Pampa zu irren, nur um am Ende mit wenig belohnt zu werden als einer entweder offensichtlich in der Wildnis platzierten Kiste oder der ewigen Suche nach Zugängen zu unterirdisch versteckter Beute. Zwar steht uns auch in Valhalla ein fliegender Begleiter zur Verfügung, der zeigt uns neuerdings aber keine relevanten Zugänge (oder sonst irgendwas brauchbares) mehr an und beraubt uns damit aller Anhaltspunkte, wie wir unser Ziel denn erreichen sollen. Mal befinden sich irgendwo ein kleiner, zufällig entdeckter Durchgang, mal können wir Areale nur über ein offenes Fenster auf dem Dach erreichen. Spätestens, wenn man nach mehreren Umrundungen um ein Areal nichts davon entdeckt, wirft man genervt das Handtuch. So viel Undurchsichtigkeit rechtfertigt kein Kohlebarren dieser Welt!

Plündern, Brandschatzen und andere unterhaltsame Freizeitaktivitäten

Was ein echter Wikinger ist, der liebt es, andere Dörfer auszuplündern und anschließend sämtliche Häuser in Brand zu stecken. Eivor und Co. bilden da keine Ausnahme, wobei natürlich immer das höhere Wohl des Clans in den Vordergrund gerückt wird. Es ist manchmal schon aberwitzig mitanzusehen, wie sehr sich das Spiel bemüht, diese und anderen Untaten moralisch zu rechtfertigen, dabei aber immer komplett konträr zu manchen Gedankengängen von Eivor agiert. Plünderungen werden als großes neues Feature von Valhalla beworben, sind aber nicht viel mehr als ein simples Durchprügeln bis zu gut gesicherten Beutekisten, die uns mit Ressourcen für die Verbesserung unserer Siedlung belohnen. Begleitet von einer Handvoll K.I.-Kameraden fallen wir schreien von unserem Langboot aus in Küstendörfer und Klöster ein, metzeln die Wachposten nieder und machen uns anschließend wieder aus dem Staub. Das macht die ersten Male zwar trotz aller Einfachheit Spaß, wird aber spätestens bei der fünften oder zehnten Wiederholung nach komplett identischem Muster so dröge wie die Hatz nach Schätzen und Herstellungsmaterialien. 

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Weder kämpfen unsere Kumpanen sonderlich schlau, noch haben uns reguläre Gegner oder Wildtiere groß etwas entgegenzusetzen. Egal ob ihr auf leichter oder schwieriger Herausforderungsstufe spielt, selbst große Encounter lassen sich meistens problemlos bewältigen. Als ich mich ganz zu Beginn mit auf den ersten Blick schwach anmutender Standardausrüstung in ein feindliches Lager wagte, ahnte ich Böses. Es wimmelte nur so von Breitschwertkämpfern und Bogenschützen. Zehn Minuten später stellte ich überrascht und auf einem Leichenberg stehend fest, dass ich mich nicht einmal zwischendrin heilen musste. Und so bleibt es auch, wenn man nicht gerade wesentlich höherstufigen Gegnern gegenübersteht. Ja, Valhalla bewegt sich weiter konsequent Richtung Rollenspiel, indem es die automatische Gesundheitsregeneration komplett entfernt und stattdessen wieder auf manuelle Heilung und eine zusätzliche Ausdauerleiste setzt, die sich beim Ausweichen und Blocken automatisch lehrt und sich durch erfolgreich ausgeteilte Treffer wieder regeniert. Warum jedoch gerade physische Anstrengung dazu dient, physische Erschöpfung auszugleichen, frage ich mich immer noch. Dafür regeniert man Ausdauer so schnell, dass man sich um die dazugehörige Leiste höchstens in den längerwierigen Bosskämpfen sorgen muss. Generell geht es bei Valhalla überraschend brutal zu. Gliedmaßen werden effektiv in Zeitlupe abgerennt, Blutlachen- und Fontänen gibt es inklusive. Das passt gut zum rauen Setting des Spiels, hat aber auch zur Folge, dass die hiesigen Moralwächter das Spiel erst ab achtzehn Jahren freigegeben haben. Ein Novum in der langen Seriengeschichte, die sonst bereits ausnahmslos für junge Erwachsene zugänglich ist.

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Die restlichen Nebentätigkeiten sind typische Zeitstrecker, die aber nicht ganz ohne Unterhaltungswert daherkommen. Über allerhand Dächer jagen wir davonfliegenden Tättowierungsvorlagen nach, messen uns bei einem gar nicht mal uninteressanten Würfelspiel oder – mein persönliches Highlight als Fan von Monkey Island – treten im Spottstreit um Geld an. Mit circa sechzig bis achtzig Stunden bietet das Spiel insgesamt gewohnt viel Umfang, wer aber jeden Winkel inklusive aller Aktivitäten komplett absolvieren will, kann locker noch zwanzig Stunden obendrauf rechnen. Ob das aber ausnahmslos gut ist, mag ich aufgrund des vielen Leerlaufs zwischen und während der einzelnen Kapitel nicht sagen. Weitere Inhalte werden wie immer zukünftig im Rahmen eines kostenpflichtigen Season Pass nachgereicht werden. Zumindest hier hat Ubisoft in er Vergangenheit überraschend gute Erweiterungen geliefert, man darf also gespannt sein. Trotzdem wird es das Spiel schwer haben, sich seinen Platz unter den Besten seiner Art zu verdienen. Ein The Witcher III: Wild Hunt bietet immer noch an jeder Ecke mehr. Und Cyberpunk 2077 steht, wenn auch mit ganz anderem Setting, ebenfalls in den Startlöchern. 

Lautlos und (wieder) tödlich 

Eigentlich haben mir die Rollenspielelemente der neueren Teile sehr gut gefallen. Setboni, Schadenswerte, Resistenzen und mehr sind Elemente, die auch in einem Assassin´s Creed wunderbar funktionieren können, wenn sie denn richtig ausbalanciert werden. Darunter litt bisher vor allem das Element der Heimlichkeit. In Origins musste die versteckte Klinge erst mühsam aufgewertet werden, ehe sie gegen stärkere Gegner überhaupt tödlich ist, während man in Odyssey so konsequent mit Beute beschmissen wurde, dass man sich um lautloses Vorgehen kaum mehr bemühen musste. Valhalla lässt euch dagegen die Wahl, ob Attentate grundsätzlich tödlich sind, oder der ausgeteilte Schaden weiterhin an Werten und Gegnerstufe gemessen werden, empfiehlt dabei aber eindringlich, das etablierte neue System beizubehalten. Und ganz ehrlich: Bei einem Spiel, dass sich so wenig um echte Herausforderungen bemüht, tut es nicht gut, es sich noch leichter zu machen. Dass man sich dennoch entscheiden kann, ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. 

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Und auch die Beuteausschüttung wurde massiv zurückgefahren. Das zum Glück nicht, um die Spieler zu zusätzlichen Echtgeldinvestitionen im spielinternen Shop zu nötigen (sämtliche dort angebotenen Gegenstände sind entweder kosmetischer Natur oder komplett zu vernachlässigende Zeitsparerpakete). Stattdessen soll man animiert werden, seine wenige Ausrüstung häufiger aufzuwerten. Nachschub gibt es zwar weiterhin regelmäßig, dass ihr aber in Windeseile einen kompletten Satz legendärer Rüstung samt Waffen zusammentragt, ist nun quasi ausgeschlossen. Das Fortschrittsgefühl gerät dadurch nachvollziehbarer und passt sich dem Spielverlauf besser an. So ist es möglich, das komplette Spiel erfolgreich zu absolvieren, ohne dass ihr je die Ausrüstung wechseln müsst. Jedes Teil bietet eigene Perks, die sich im Rahmen der aktuellen Qualitätsstufe jederzeit aufwerten lassen. Für den nächsthöheren Rang müsst ihr dagegen den Schmied in eurer Siedlung aufsuchen. Im Endgame warten dann aber selbstverständlich auch weiterhin besonders mächtige Fundstücke auf Eivor.

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Auch der Talentbaum wurde massiv überarbeitet und schaltet nun nicht mehr einfach nur Fertigkeiten frei, sondern verbessert auch die Charakterwerte. Und das in einer Größenordnung, die selbst das Sphärobrett eines Final Fantasy X alt aussehen lässt. Kleinere Felder heben Angriffstempo, Nahkampfschaden und vieles mehr an, während sich hinter größeren Feldern mehr Adrenalinfelder für die überall im Spiel über Folianten freischaltbaren Spezialangriffe, Kombos und Co. verbergen. Gegliedert in drei Subkategorien, nämlich Nahkampf, Fernkampf und Heimlichkeit, lädt all das zum Experimentieren ein. Pro Stufenaufstieg gibt es gleich zwei Punkte, weshalb man sich auf dem Brett zügig voranarbeiten kann. Wer mit seiner Wahl doch einmal unzufrieden ist, kann bequem einen Komplettreset veranlassen und alle bisherigen Punkte neu verteilen. Das mag auf den ersten Blick sehr überfordernd aussehen, ist aber im Grunde ganz leicht. Eine perfekte Skillung gibt es ohnehin nicht, also kann man sich einfach in die Richtung entwickeln, die einem spielerisch am ehesten zusagt. 

Ein Häuschen im Grünen

Mit Valhalla gibt es erstmals seit Jahren auch wieder eine waschechte Housing-Komponente in einem Assassin´s Creed. Klar, wenn man schon in England einmarschiert, muss man ja auch irgendwo leben. Das Langhaus inkl. Quartier und Missionskarte steht Eivor von Anfang an zur Verfügung, die Schmiede gibt es über eine Folgequest. Danach steht es euch relativ frei, in welchen Bau ihr als nächstes investieren wollt. Über den Stall erhaltet ihr Zugriff auf Pferde, das Assassinenbüro liefert unverzichtbare Informationen über Primärziele und die Hütte der Seherin hilft Eivor dabei, seinen geheimnisvollen Visionen näher auf die Spur zu kommen. Das sind aber nur die wichtigsten Gebäude in einer ganzen Palette möglicher Bauten, die allesamt über bestimmte Vorteile verfügen. Sogar ein dorfeigener Tätowierer wartet später darauf, euch mit den zuvor eingesammelten Vorlagen zu verzieren. 

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So schön es auch ist, eine Heimat fernab der Heimat zu haben, so sehr mangelt es auch hier an erinnerungswürdigen Charakteren. Interaktionen abseits der spärlich gesäten Hauptcharaktere wie dem mürrischen Schmied, Sigurd samt Frau und den Assassinen gibt es nur ganz selten. Man hat viel mehr das Gefühl, man baut für eine graue Masse. Wie schön wäre es gewesen, über Quests neue Bewohner zu rekrutieren oder sogar Liebschaften aufzubauen? Immerhin fällt durch die Dorfverwaltung ein Großteil des Mikromanagements der Vorgänger weg. Statt wie dort fast jedes Item und jeden Schiffsaspekt geduldig aufzumotzen, verteilen sich die Boni daran gemessen jetzt auf einige wenige Gebäude, Eivor selbst kann nur noch Pfeilkapazitäten und Platz für heilende Mahlzeiten steigern. Das ist ausnahmsweise Entschlackung an genau der richtigen Stelle. Als nettes Gimmick macht die Siedlungsentwicklung definitiv Spaß. Große Tiefe darf man aber auch hier nicht erwarten. 

Kampf der Konsolen

Auf dem PC gehört Assassin´s Creed spätestens seit Origins zu den besten Titeln, um im hauseigenen Benchmark die Stärken seiner Hardware auszuloten. In ihrer aktuellsten Version ist die Anvil Next Engine ein ziemlicher Hardwarefresser, die besonders in dichtbevölkerten Großstädten bereits auf hoher Detailstufe aktuelle Komponenten in die Knie zwingen kann – zumindest, wenn man eine Darstellung in nativem 4K anstrebt. Mit Valhalla verhält es sich ganz ähnlich. Die Systemanforderungen sind seit Odyssey nur minimal angestiegen, alles in allem gilt aber: Wer die Reise durch Griechenland lauffähig machen konnte, schafft das auch bei der Eroberung von England. Damit das gelingt, offeriert euch die PC-Version erneut eine vorbildlich gestrickte Palette von Feineinstellungen inklusive Benchmark. Daran müssen sich sämtliche Konsolenfassungen messen. Und da fallen die Unterschiede teilweise gravierend, teilweise aber auch überraschend gering aus. 

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Die Basismodelle der letzten Generation, nämlich PlayStation 4 und XBOX One S landen dabei auf den hintersten Plätzen. Zwar schneidet Sony hier mit einer durchschnittlich etwas höheren Auflösung als die Konkurrenz geringfügig besser ab, beide Systemen leiden aber gleichermaßen an ordentlich reduzierter Darstellung in Sachen Weitsicht, Textur- und Schattenqualität. Viel schwerer wiegt allerdings, dass keine der beiden Plattformen es auch nur ansatzweise schafft, die angepeilten 30 Frames pro Sekunde zu halten. Werte zwischen 25 und 27 Bildern sind hier grober Durchschnitt, während die Auflösung sich dank dynamischer Skalierung jeweils im Mittelfeld einpendelt. Das alles sieht trotzdem noch ganz okay aus, trotzdem müssen sich die Einsteigerkonsolen im Vergleich mit den erweiterten Modellen XBOX One X und PlayStation 4 bereits geschlagen geben. Hier geht der Pokal dann wieder an Microsoft. Wo die PRO maximal 1440p anpeilt, zielt die One X bereits auf 4K ab. Auch hier wird dynamisch skaliert, dabei wird schnell klar, dass diese Maximalwerte im Grunde nie erreicht werden. 1740p (XBOX One X) und 1026p (PlayStation 4 PRO) sind eher die Norm, was bereits in massiven Schärfeunterschieden resultiert. Dafür legen beide Plattformen ordentlich in der Darstellungsqualität zu und schaffen es dabei sogar, die gleichermaßen angepeilten 30 Frames pro Sekunde mit ganz wenigen Ausnahmen konstant zu halten. Wer also noch nicht auf die neuen Konsolen umgestiegen ist, bekommt auf den erweiterten Modellen der Last Generation immer noch ein alleine wegen der wundervollen Lichtstimmungen extrem hübsches Spiel bei gleichzeitig guter Performance geboten, das allerdings bis zu zwei Minuten laden muss, ehe es euch ans Wikingerhandwerk gehen lässt.

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Während wir noch auf die PlayStation 5 warten, hat Ubisoft zumindest schon eine Basisdaten kommuniziert. Ebenfalls 1440p, diese aber dafür durchgehend bei geschmeidigen 60 Frames pro Sekunde bei nochmals ordentlich aufgebohrter Grafik werden dort geboten, wo die XBOX Series S bei annähernd gleicher Darstellungsqualität nur halbierte (aber weiterhin stabile) Bildraten bietet. Beide Konsolen skalieren anschließend auf 4K hoch. Relativ identische Ergebnisse also, die wir aber bei Gelegenheit genauer nachprüfen werden. Die XBOX Series X dagegen verdoppelt die Auflösung der PlayStation 5 auf kompromisslose 4K/60, was sich definitiv bemerkbar macht. Sämtliche Objekte, ganz gleich ob vordergründig oder hintergründig, werden messerscharf dargestellt. Die native Darstellung macht sich absolut bemerkbar und zwar nicht nur im Nuancenbereich, sondern wirklich in jeder Hinsicht. Was das angeht, ein klarer erster Platz im Konsolensegment. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, denn selbst der sogenannte „Tower of Power“ kann gegen das in jeder Version auftretende Tearing sowie die nicht mehr zeitgemäßen Gesichtsanimationen samt Körperbehaarung, Pop-up´s und Fade-in´s etwas ausrichten. Daran merkt man leider, dass auch die Anvil Next Engine allmählich deutliche Alterserscheinungen zeigt. Im Rahmen einer Cross-Generation-Veröffentlichung wird aber immer noch viel für´s Auge geboten. 

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Leider zeigt sich Valhalla gegenwärtig noch sehr fehlerbehaftet. K.I.-Aussetzer, komplett festgefrorene Charaktere oder Questsevents, die sich nicht triggern lassen. Nichts davon lässt sich mit einem Neustart nicht aus der Welt schaffen und von einer Katastrophe wie seinerzeit Unity ist man immer noch meilenweit entfernt, Potenzial für Nachbesserungen gibt es aber massig. An der deutschen Synchronfassung gibt es dafür nichts auszusetzen. Mit Bernd Egger und Maria Koschny hat man erfahrene Sprecher für Eivor ins Tonstudio geholt. Der restliche Cast mag weniger prominent klingen als man es bei Ubisoft normalerweise erwartet, größere Patzer bleiben einem dank anhaltender Professionalität dennoch erspart. Dazu gibt es wohl einen der besten Soundtracks der jüngeren Seriengeschichte. Verantwortlich dafür zeigt sich niemand geringeres als Urgestein Jesper Kyd, der nach langer Pause endlich wieder mit an Bord ist und gemeinsam mit Sarah Schachner viel zur gelungenen Wikingeratmosphäre beitritt. Bei der Steuerung empfiehlt sich auf für PC-Spieler die Nutzung eines Gamepads. Das hilft zumindest etwas gegen die unpräzise Bewegung der Hauptfigur, wodurch leider auch die Kletterpartien negativ beeinflusst werden.

Fazit und Wertung

55957770 2311144785603906 1491509483245928448 o„Wie lautet doch ein Sprichwort? Das Beste kommt immer zum Schluss. Nun, nach dem Rezensionsmarathon der letzten Wochen und den vielen Stunden mit Assassin´s Creed: Valhalla muss man leider sagen, dass man Sprichwörtern nicht immer glauben sollte. Hinter der vor allem auf den erweiterten Konsolen der Last Generation, leistungsstarken Rechenknechten und XBOX Series X wunderschönen Welt verbergen sich einfach zu viele Schwächen. Blasse Charaktere, jede Menge Leerlauf bei der Story, belanglose Weltereignisse und uninteressante Siedlungserweiterung resultieren inhaltlich in einem der bisher schlechtesten Serienableger. Bugs und eine überraschend klobige Bewegung sorgen für zusätzlichen Frust. Das frische Setting und die gelungene mittelalterliche Atmosphäre samt Soundtrack sind dafür letztendlich einfach keine angemessene Entschädigung.“

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PRO:

+ Wunderschöne Lichtstimmungen
+ Eindrucksvolle Weitsicht
+ Abwechselungsreich gestaltetes England
+ Glaubwürdig dargestelltes, unverbrauchtes Mittelaltersetting…
+ …mit zahlreichen historischen Bezügen 
+ Gewaltiger Gesamtumfang
+ Lautloses Vorgehen endlich wieder eine waschechte Alternative zum offenen Kampf
+ Freie Wahl zwischen garantiert tödlichen Attentaten oder RPG-Mechanik

+ Mehr Fokus auf das Verbessern von Ausrüstung statt permanentem Lootbombardement
+ Einhandwaffen können beliebig kombiniert in beiden Händen genutzt werden
+ Extrem umfangreicher Talentbaum, der zum Experimentieren einlädt
+ Angemessen kompromisslose Gewaltdarstellung
+ Atmosphärischer Soundtrack
+ Solide deutsche Sprecher
+ Fotomodus

+ Via Gamepad angenehm intuitives Eingabeschema

CONTRA:

– Blasse Charaktere
– Relativ vorhersehbare Geschichte…
– …die viele Ausgangselemente aus den Vorgängern kopiert
– Viel spielerischer Leerlauf

– Flugbegleiter quasi nutzlos…
– …dadurch teilweise massive Wegfindungsprobleme…
– …und frustrierendes Trial and Error bei Rätseln
– Gameplay selbst auf höchster Schwierigkeit nie fordernd

– Belanglose Weltereignisse statt umfangreicher Nebenmissionsreihen
– Dialogentscheidungen wirken sich nur sehr selten spürbar auf den Spielverlauf aus
– Siedlungsbau ohne Tiefe…
– …ein Großteil der Gebäude ist funktionell überflüssig

– Unpräzise Steuerung, besonders in engen Räumen und bei Kletterpassagen
– Gegenwärtig in vielerlei Hinsicht fehlerbehaftet
– Veraltete, teils sehr sterile Gesichtsanimationen
– Störendes Tearing über sämtliche Plattformen…
– …und immer wieder unschön aufploppende Objekte und spät ladende Schatten

                                                GESAMTWERTUNG:     7.0/10

                            
                                 MRATMOS     

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