Shadow Man Remastered – „Der Tod steht ihm gut“

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                                                      Getestet und verfasst von General

egs shadowmanremastered nightdivestudiosacclaimstudiosteesside s2 1200x1600 96887d24af76Mit Shadow Man erschien 1999 ein düsteres Action-Adventure, dass nicht ganz unberechtigt gerne als „Zelda für Erwachsene“ beworben wurde. Im düster-brutalen Setting galt es, in der Gestalt des Weltenwanderers Michael LeRoi immer gefährlichere Areale zu meistern, sich stetig neuer Fertigkeiten zu bemächtigen und letztendlich Oberfiesling Legion davon abzubringen, das biblische Armageddon über die Lebenden zu bringen. Das auf den gleichnamigen Comics basierende Werk wusste zu überzeugen und erfreut sich bis heute einer gewissen Beliebtheit unter Kennern. Nachdem sich Nightdive Studios bereits Turok: Dinosaur Hunter und dessen Fortsetzung erfolgreich angenommen haben, bekommt nun auch Shadow Man endlich sein Remaster. Hat sich das lange Warten gelohnt?

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Einer gegen Alle

Wir schreiben das Jahr 1888: Tief unter den Straßen von London lamentiert Serienmörder Jack the Ripper über seine grausamen Taten, als er von einem geheimnisvollen Fremden mit blutigem Maul überrascht wird. Der nennt sich selbst nur – frei interpretiert nach der Bibel – Legion und unterbreitet Jack ein teuflisches Angebot: Der gelernte Architekt soll mitten im Reich der Toten ein gewaltiges Bollwerk für alle Gleichgesinnten errichten, um von dort aus die Apokalypse über die Menschheit zu bringen und somit eine uralte Prophezeiung zu erfüllen. Doch um das Jenseits betreten zu können, muss man zwangsläufig tot sein. Der Ripper überlegt nicht lange und rammt sich schließlich die eigene Klinge in den Bauch.

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In der Gegenwart erwacht die Voodoopriesterin Nettie aus einem wiederkehrenden Albtraum und ist alarmiert! Nicht nur, dass das längst fertige Asyl mittlerweile das gesamte Totenreich überragt, auch Legion hat seinen Plan in Gang gesetzt und braucht nun lediglich die Macht besonderer Dunkler Seelen, um die Welt der Sterblichen dem Untergang zu weihen. Weil die unsterbliche Priesterin trotz ihrer Macht aber nicht in der Lage ist, selbst das Reich der Toten zu betreten, entsendet sie kurzerhand den ehemaligen Taxifahrer Michael LeRoi auf die gefährliche Mission, sich vor Legion der Seelen zu bemächtigen und mit diesen mit deren uralter Kraft rechtzeitig zu vernichten. Als Shadow Man verfügt nur er über die Macht, zwischen den Welten zu reisen und die Seelen in sich aufzunehmen. Möglich macht das die Schattenmaske, welche bereits über Generationen weitergegeben wird, mit der aber auch unweigerlich ein Fluch verbunden ist – denn seien wir mal ehrlich, wer wandelt schon gerne als Untoter durch die Gegend?

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Für Michael, der sich direkt für den Tod seiner Eltern und speziell seines jungen Bruders Luke verantwortlich fühlt, scheint das aber nicht weiter problematisch zu sein. Er sehnt sich nach Erlösung, ganz gleich in welcher Form sie ihm auch zuteil werden mag. Der Beginn einer abenteuerlichen Reise in die Abgründe des Jenseits, auf dessem Weg es Michael mit immer schrecklicheren Monstern und tödlichen Fallen zu tun bekommt. Und selbst im Diesseits lauern Gefahren, denen er sich stellen muss. Kann der Shadow Man sein Schicksal erfüllen und das Ende aller Tage abwenden…oder ist er am Ende selbst nur ein Zahnrad in einem sehr viel größeren Plan? 

War früher wirklich alles besser? 

Das originale Shadow Man entstand unter der Verantwortung von Acclaim Studios Teesside und schlug zunächst für PC sowie das Nintendo 64, die Sony PlayStation und etwas später auf der SEGA Dreamcast auf. Kritiker und Fans zeigten sich besonders erfreut über die stimmungsvolle Atmosphäre, eine bis dahin für ein Videospiel ungekannt cineastische Inszenierung sowie die großflächigen Areale. Lediglich die Version für PlayStation fiel aufgrund massiver technischer Einschränkungen komplett durch, gleiches gilt für die maue Fortsetzung Shadow Man: 2nd Coming, die einige Jahre später ausschließlich für PlayStation 2 erschien. Deutsche Spieler ärgerten sich zusätzlich über umfangreiche Zensuren. Wie damals üblich wurde Blut grün gefärbt, Splatter reduziert oder gar komplett beseitigt. Eine weitere kuriose Zensur, nämlich im Diesseits weder Tiere noch die zu Zombies umgemodelten Wachen töten zu können, sorgte zensurbedingt für einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad des ohnehin schon anspruchsvollen Spiels. Seitdem ist es extrem still um die Reihe geworden. 

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Die gute Nachricht ist, sämtliche Zensuren werden mit dem Remaster komplett rückgängig gemacht. Endlich kann man das Spiel also ohne Abstriche in deutscher Sprache genießen (was alleine aufgrund der selbst für heutige Verhältnisse beispiellosen Sprecherqualität ohnehin ausnahmsweise Pflicht ist), ohne sich nerviger Workarounds bedienen zu müssen. Weil lediglich der Quellcode der misslungenen PlayStation-Version als einziger vollständig erhalten geblieben ist, mussten die Entwickler den langwierigen Weg des Reverse Engineerings einschlagen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Ambition, den leider viel zu wenig beachteten Klassiker für neue Systeme anzupassen, dabei aber gleichzeitig den ursprünglichen Geist des Originals zu bewahren, ist einmal mehr aufgegangen. Selbst damals aus dem Spiel entfernte Inhalte wie zusätzliche Areale sind erstmals enthalten, während alle Soundeffekte und Musiksequenzen umfangreich aufbereitet worden sind. Letzteres übrigens unter direkter Mitwirkung des ursprünglichen Composers. Also gibt´s selbst für Kenner auch abseits rein technischer Aspekte einige Neuerungen zu entdecken.

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Spielerisch ist aber alles beim Alten geblieben. Als Shadow Man durchstreifen wir die jeweiligen Areale auf der Jagd nach immer mehr Dunklen Seelen. Dadurch steigen nicht nur unsere Schattenkräfte weiter an, auch lassen sich mit höheren Stufen auch stetig neue Gebiete freischalten. Offene Pfade wechseln sich regelmäßig mit linearen Dungeons ab, wo spezielle Verbesserungen warten. Neben mächtigen Waffen kann sich Michael mit drei Tätowierungen schmücken, mit denen er sogar in kochender Lava tauchen kann. Die Komplexität der jeweiligen Gebiete inklusive sämtlicher dort verstecker Seelen erschließt sich einem also erst nach und nach, weshalb man mit zunehmender Fähigkeitenanzahl regelmäßig zum Backtracking gezwungen wird. Der Teddybär im Inventar dient uns dabei als praktischer Helfer, fungiert er doch als Teleporter zwischen bereits entdeckten Reisepunkten. Deren Nutzung lässt allerdings auch sämtliche erlegten Gegner in der Spielwelt neu spawnen. Komplettisten dürften gute 15 Stunden beschäftigt sein, wer dagegen nur ein Minimum an Seelen einsammelt, sollte höchstens die Hälfte benötigen, läuft aber auch Gefahr, ohne Upgrades von den immer mächtigeren Feinden aufgerieben zu werden – von den Bosskämpfen wollen wir da erst gar nicht reden! 

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Wer Shadow Man bisher noch nicht gespielt hat, aber Begeisterung für gute Action-Adventures aufbringen kann, ist in Sachen Gameplay definitiv auch über zwanzig Jahre nach Erstveröffentlichung gut bedient. Das große Problem des Remasters bleibt die klobige Steuerung. Schon im Original bewegte sich Michael arg unpräzise und klobig, was nicht nur in den zahlreichen Geschicklichkeitspassagen, sondern auch in Gefechten schnell zum nervigen Ärgernis geriet. Zwar geht das Springen und Greifen nun etwas besser von der Hand, da die Entwickler in penibler Kleinstarbeit jede einzelne Passage manuell nachjustiert haben, die stoische Kamera und die langsame Drehung des Protagonisten haben sie dabei aber offenbar vergessen. Was mit Maus und Tastatur schon schwierig ist, spielt sich via Gamepad leider nur wenig besser. Das bereitet mir inbesondere in Hinsicht auf die noch kommenden Konsolenfassungen große Sorgen. Ich will damit nicht sagen, dass Shadow Man Remastered unspielbar ist, schließlich lässt sich auch das noch klobigere Original bezwingen. Einfacher wird es dadurch aber nicht. Und auch in den verzweifgen Leveln kann man sich ohne zusätzlich aus dem Netz gezogene Karten immer noch rasend schnell verirren. 

Wie man Tote pimpt

Wie auch Turok: Dinosaur Hunter basiert Shadow Man Remastered auf der hauseigens für ältere Titel entwickelten KEX-Engine. Die ermöglicht, dass der visuelle Geist des jeweiligen Originals zwar erhalten bleibt, trotzdem unproblematisch grafische Verbesserungen vorgenommen werden können. Die optimierte Version mag auf den ersten Blick so altbacken aussehen, wie ein Spiel von 1998 nun einmal erwartungsgemäß ist. Unter der Haube versteckt sich aber wesentlich mehr, als das Auge auf den ersten Blick erhaschen kann. Zunächst haben die Macher einen fast alle Texturen durch hochauflösendere Versionen ersetzt, was besonders bei Umgebungstexturen schnell deutlich wird. Lediglich die groben Übergänge, z.B. bei Tapeten und Postern, fallen weiterhin unschön auf (Stichwort „3DFX-Blocksystem“). Eine Verbesserung ist das aber definitiv, noch positiver fällt die dynamische Beleuchtung auf. Alle Objekte, inkl. abgefeuerter Projekte, werfen jetzt in Echtzeit dargestellte Schatten, was die Atmosphäre spürbar anhebt. Damals war sowas alleine vom Rechenaufwand her nicht möglich.

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Schaut man sich einmal sämtliche Versionen des Originals an, bemerkt man die teils drastischen Unterschiede bei der Farbgebung. Das Remaster bleibt der situationsbedingt erdigen bis düsteren Stimmung treu, intensiviert aber beides auf ein zeitgemäßeres Niveau. In einer Welt, wo Blut und Lava die einzigen wirklichen Highlights darstellen, leuchten diese nun satt aus dem Bildschirm. Gegner und Behälter zerplatzen nun dank implementierter Physik wesentlich effektvoller. Das alles sind viele schöne Kleinigkeiten, die aus dem Remaster zwar auch keine Grafikperle machen, aber an den richtigen Stellen ansetzen. Bedenkt man allerdings, dass es den Machern primär um Konservierung und Optimierung ging, weniger um vollständige Modernisierung im Rahmen eines vollwertigen Remakes, wurde das Ziel definitiv erreicht. All das übrigens in nativem 4K, entsperrter Bildrate und zahlreichen Zusatzoptionen wie Anti Aliasing, Antisotropischem Filtering und Co. Auch die Unschärfe lässt sich problemlos nach eigener Präferenz justieren oder komplett abschalten. All das für nicht einmal fünfzehn Euro. Da kann man echt nicht meckern.

Fazit und Wertung

fazitpic„Ich bin der Herrscher über das Reich der Toten! Als Shadow Man im Jahre 1998 erschien, war es seiner Zeit wohl ein bisschen voraus. Ein düsteres Setting, eine erwachsene Story sowie forderndes Gameplay waren in der Kombination eher unbekannt. Die spielerischen Makel, speziell die unpräzise Bedienung sowie Wegfindungsprobleme sind dem Remaster leider enthalten geblieben. Vieles andere wurde dagegen verbessert, ohne den Geist des Originals dadurch negativ zu beeinträchtigen. Visuell darf man aber trotz gelungener Upgrades natürlich keine Schönheit erwarten. Atmosphärisch ist die Reise von Michael LeRoi durch das Jenseits aber immer noch, was auch an den fantastischen deutschen Sprechern liegt. Zusätzliche neue Inhalte bieten selbst Kennern noch Neues. Der kleine Preis macht das Spiel aber nicht nur für Nostalgiker interessant.“ 

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PRO:

+ Grafisch an den richtigen Stellen verbessert…
+ …darunter bei Beleuchtung, Physik und Partikelqualität…
+ …bewahrt dabei aber stets den Geist des Originals
+ Merklich höher aufgelöste bzw. komplett überarbeitete Texturen
+ Exzellente Performance…
+ …und viele Optionen zur visuellen Feinabstimmung
+ Zahlreiche Schwierigkeiten des Originals bei Geschicklichkeitspassagen wurden behoben

+ Zeitlose, kinoreife deutsche Synchronfassung…
+ …inklusive frei wählbarer weiterer Sprachfassungen
+ Toll remastererte Soundeffekte und Musik
+ Erstmals komplett unzensiert

+ Guter Gesamtumfang, inklusive teils nie gesehener Inhalte
+ Fairer Preis

CONTRA:

– Weiterhin fummelige, unpräzise Bedienung…
– …egal ob via Maus und Tastatur oder mit Gamepad
– Trotz Verbesserungen: Sprung- und Kletterpassagen immer noch frustanfällig
– Charaktermodelle bleiben mau
– Teleportieren lässt alle Gegner neu spawnen
– Sehr wenige Rücksetzpunkte…
– …was trotz freischaltbarer Abkürzungen immer wieder in langen Laufwegen resultieren kann
– Anhaltend arge Wegfindungsprobleme…
– …zumal Etappenziele stets nur vage über Cutscenes formuliert werden
– Auch für Minimalisten viel Backtracking erforderlich
– Storytechnisch gelegentlich etwas langatmig (besonders die Suche nach L´Eclipser)

                                                GESAMTWERTUNG:     7.5/10

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