NHL 22 – „Der Kufenkaiser im neuen Gewand“

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                                                  Getestet und verfasst von General

81OJt1pGcQL. SL1500 Die virtuelle Hausmarke im Eishockey gehört zu den wenigen Reihen, welche sich über die letzten Jahre zumindest spielerisch konstant weiterentwickelt hat, nur technisch wollte man bisher partout nicht denselben Modernisierungsweg wie die übrigen Familienmitglieder aus dem Hause EA Sports einschlagen. Mit dem Debüt von NHL 22 auf Konsolen der aktuellen Generation ist nun auch dieses letzte große Manko passé, denn in diesem Jahr duellieren sich die Eisgiganten erstmals im Gewand der Frostbite Engine – übrigens auch auf den Vorgängermodellen. Gleichzeitig versprechen die Macher wie immer viele Tweaks, auch die aus Madden bekannte X-Factor-Mechanik hält erstmals Einzug in frostige Gefilde. 

                     Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der PlayStation 5 erstellt. 

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Alles dreht sich um´s X

Die Leute in Electronic Arts´ Sportabteilung sind schon Trickster: Da übernimmt man ein zwei Jahre altes Spielprinzip aus einem anderen Genre und verkauft es einfach mal als sensationelle Neuerung. So richtig notwendig wäre das aber nicht gewesen, denn die Stars der NHL haben schon in den Vorgängern stark von ganz persönlichen Skills profitiert, nur eben weniger aggressiv in den Fokus gerückt als in NHL 22. Entsprechend wenig ändert sich für Serienveteranen also am bisherigen Gameplay, mit Ausnahme vielleicht, dass man nun auch selbsterstellte Spieler mit X-Factor ausrüsten darf und damit in den altbekannten Modi Be-A-Pro, Ultimate Team und World of CHEL das Eis aufmischen darf. Auch auf das Franchise als leider einmal mehr schmucklos in Szene gesetzte Karrierekomponente wirkt sich dieses System aus. Damit rückt der Aspekt des Momentums stärker in den Mittelpunkt des Geschehens, was vorher Automatismen waren obliegt in der Anwendung nun ganz alleine dem Spieler. 

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Im Endeffekt bedeutet mehr Kontrolle und mehr spielerische Flexibilität, was grundsätzlich immer eine willkommene Neuerung darstellt. Nur überbewerten sollte man die komplette Mechanik nicht. Denn unter dem schönen Schein dauert es nicht lange bis man merkt, dass sich NHL 22 abseits einiger neuer Farbstriche in vielen Kernkomponenten kaum bis gar nicht weiterentwickelt hat. Im Franchise zieht die Reihe zu FIFA gleichauf und legt neue Schwerpunkte bei Trainermanagement und allgemeiner Personalverwaltung, abseits davon präsentiert sich der Modus jedoch identisch zum Vorjahr und somit vor allem visuell extrem altbacken. Dafür darf man jetzt auch hier kreativ werden und auf Wunsch ein komplettes Team von Kopf bis Fuß designen. Auch die lange von der Community herbeigesehnte Möglichkeit, untereinander Roster austauschen zu können, ist nun endlich umgesetzt worden, wird aber erst im Dezember implementiert. In Be-A-Pro beschreitet ihr dagegen einmal mehr den Weg vom Rookie zum unangefochtenen Herrscher der NHL, aber auch hier bleibt spielerisch alles wie gehabt. Eine Handvoll neuer Storylines und Herausforderungen hat man implementiert, Volltextgespräche und Co. fühlen sich aber nicht erst seit dem Vorgänger lächerlich betagt an. 

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Die World of CHEL, euer zentraler Anlaufpunkt für unkompliziertes Arcadegaming, darf in NHL 22 natürlich ebenfalls nicht fehlen. Clubverwaltung, On- und Offlinemodi sowie ein Shop für tonnenweise Cosmetics – die weiterhin komplett ohne Echtgeldinvestitionen auskommen -, warten verpackt in ein merklich aufgeräumteres Menü darauf, von euch erkundet zu werden. Große inhaltliche Erweiterungen sucht man hier jedoch genauso vergebens wie über alle restlichen Komponenten. Da braucht man fast nicht zu erwähnen, dass der Ultimate-Team-Modus wie immer darauf aus ist, euch zusätzlich zum Vollpreis noch mehr hartverdiente Taler aus der Brieftasche zu saugen. Ohne zusätzliche Echtgeldinvestitionen bleibt nur der lange Grind, während euch freigiebige Kontrahenten mit ihren Premiummannschaften in kompetiven Spielen chancenlos durch den Fleischwolf drehen. Wenig überraschend werten dafür aufgrund von Pay-2-Shortcut und Pay-2-Win auch in diesem Jahr um insgesamt zehn Punkte in der Gesamtwertung ab.

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Versteht mich nicht falsch: In Sachen Gameplay bewegt sich die Reihe bereits seit Jahren nahe an der Perfektion und schafft es, sowohl Spieler mit Vorliebe für zugängliche Arcadematches als auch Simulationsfans hervorragend unter einem Dach zu bedienen. Ein Kunststück, dass NHL 22 erneut gut gelingt. Über die Tatsache, dass das Franchise dafür inhaltlich mehr und mehr stagniert, tröstet das aber nie so richtig hinweg. Franchise und Be-A-Pro benötigen dringend ein visuelles Facelifting, während die World of CHEL mehr Anreize zum dauerhaften Daddeln liefern muss als das obligatorische Freischalten von Beutetaschen. All das lässt NHL 22 leider komplett außer Acht. Gerade mit der Premiere auf Current-Gen-Konsolen hat man immer eine gute Gelegenheit an der Hand, um ein Franchise mehr als nur oberflächlich zu modernisieren. Das ist hier aber leider nicht geschehen, weshalb sich das Spiel nach kurzer Begeisterung über die aktualisierte Grafik bei allen Werbeversprechen insgesamt doch wieder nur wie ein Update zum Vollpreis anfühlt. Und das ist gemessen daran, dass man auf PlayStation 5 und XBOX Series X|S mittlerweile schon achtzig Euro für die Basisversion hinblättern muss, einfach viel zu wenig. 

Frischzellenkur mit Frostbite

Während FIFA und Madden bereits seit geraumer Zeit von der Frostbite Engine angetrieben werden, fußte NHL bisher weiterhin auf der veralteten IGNITE Engine, die erstmals mit dem Debüt der Last-Gen-Konsolen Premiere feierte. Richtig schlecht sahen die Ableger mit der Zeit zwar nie aus, im direkten Vergleich mit den hauseigenen Brüdern und Schwestern blieb die Reihe aber mit jedem Jahr mehr zurück. Mit einer Generation Verspätung schafft nun also auch NHL den Sprung auf ein zeitgemäßeres Gerüst. Vorbildlich: Anders als zunächst angenommen kommen auch Besitzer einer PlayStation 4 und XBOX One in den Genuss derselben Version, müssen dafür aber mit ein paar visuellen Abstrichen leben. Dazu aber später mehr, denn jetzt wollen wir uns erst einmal etwas näher mit der aktuellen Hardware befassen. 

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Schnell wird klar: Ganz so krass wie beim Generationenwechsel eines FIFA fallen die Unterschiede hier nicht aus, angefangen damit, dass HyperMotion abseits des Fußballtitanen sowieso noch nicht spruchreif ist. Was man dafür bekommt, rückt das Geschehen auf dem Eis aber ein ganzes Stück näher an die Realität. Die Beleuchtung alleine hat einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht und wirkt jetzt viel näher an echten Fernsehübertragungen als noch in den Vorgängern. Ein grundsaniertes Publikum jubelt von den vollen Tribünen, nur bei genauem Hinsehen stellt man etwas ernüchtert fest, dass sich innerhalb einer Reihe immer noch zwei-drei Duplikate tummeln können. Die Spieler auf dem Feld freuen sich dafür über komplett neue Facescans und reagieren mit vielfältiger Mimik auf die gegenwärtige Spielsituation. Der Wiedererkennungswert von Stars wie Coverathlet Auston Matthews ist kräftig gestiegen, aber auch nicht ganz so bekannte Spieler neben dem Vorgänger eine gute Ecke runder aus. 

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Gleichzeitig hat man den Spielern einen kompletten Satz neuer Animationen spendiert. Das hat Vor- und Nachteile, denn einerseits bewegen sich die Sportler jetzt geschmeidiger und wirklichkeitsgetreuer über das Eis, andererseits entstehen dadurch auch in NHL 22 dieselben Bugs, die man seit dem Umstieg auf die Frostbite Engine auch bei FIFA und Madden beobachten kann. Kleinere Aussetzer bei Checks sind uns über den gesamten Test regelmäßig aufgefallen. Nichts verheerendes, aber eben doch auffällig. Die Vorteile überwiegen jedoch bei weitem. Ein kleines, aber feines Detail: Dank einer völlig überarbeiteten Schlägerphysik fühlen sich Moves wie Deke´s und Fouls in der visuellen Umsetzung viel realistischer an, was im Zusammenspiel mit dem großen Fokus auf die X-Factor-Mechanik eine willkommende Ergänzung darstellt. Das Eis selbst wartet dafür mit netten Spiegelungen auf und blendet sogar spielrelevante Informationen direkt auf der Oberfläche ein. 

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Wie gesagt, von einem Großteil dieser Verbesserungen profitieren auch Besitzer von PlayStation 4 und XBOX One, was definitiv eine tolle Sache ist, erinnern sich doch viele noch an den letzten Konsolenübergang, als NHL 15 auf der Last-Last-Generation um nahezu sämtliche Features beraubt wurde und kaum mehr war als ein entstellter Vollpreistorso. Fehler, die zumindest NHL 22 nicht wiederholt. Das Grundfundament ist da, nur der Aufbau fällt unterschiedlich aus. So muss man auf den Vorgängermodellen nicht nur auf dynamische Schatten und Beleuchtung verzichten, auch die Spielermimik bleibt auf dem statischen Niveau des Vorgängers, was aber höchstens in Replays auf Kosten der Atmosphäre geht. Feinere Details auf den Trikots und die hochwertigen Spiegelungen hat man ebenfalls gestrichen. Dafür peilt trotz neuer Engine weiterhin jede Plattform von der XBOX One S bis zur XBOX Series X|S geschmeidige 60 Frames pro Sekunde an, alles bei 1080p auf den Urmodellen bishin zu nativem 4K auf PlayStation 4 PRO und XBOX One X und natürlich ebenso PlayStation 5 und XBOX Series X. 

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Was allen Versionen gleich ist, sind die gewohmt umfangreichen Tutorials, für jeden Anspruch individuell konfigurierbare Schwierigkeitsgrade sowie eine zugängliche Bedienung über sämtliche Controller. Einen kleinen Boni darf sich die PlayStation 5 ihrem DualSense abholen: Das haptische Feedback simuliert nicht nur eindrucksvoll das Bewegungsfeedback auf dem Eis, sondern auch dessen Abnutzung über die Partie, was für ein paar richtig cooler Effekte sorgt, während der eingebaute Lautsprecher die dazugehörigen Geräusche liefert und in manchen Momentan auch den gut gewählten Soundtrack erklingen lässt. Die wie immer ausschließlich englischsprachigen Kommentatoren begleiten das Geschehen adäquat. Und last but not least wurden auch die Spielmenüs endlich ein bisschen aufgeräumt. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Die grafische Rundumerneuerung auf Basis der Frostbite Engine beschert NHL 22 pünktlich zur Premiere auf aktueller Konsolenhardware ein längst überfälliges Facelifting, von dem man trotz Abstriche auch als Besitzer eines Last-Gen-Modells profitiert. Die aus Madden übernommenen X-Factor-Mechaniken sorgen dafür spielerisch für mehr Flexibilität auf dem Eis. Doch nichts davon kann erfolgreich darüber hinwegtäuschen, dass sämtliche Kernkomponenten von Be-A-Pro bis World of CHEL trotz kleinerer Tweaks inhaltlich arg in die Jahre gekommen sind, während der Ultimate-Team-Modus sich erneut kaum Mühe gibt, seine Echtgeldabhängigkeit irgendwie zu verbergen. Rein vom Gameplay betrachtet steht NHL 22 besser denn je da, inhaltlich müssen dagegen dringend neue Anreize geschaffen werden. Auf Last-Gen-Besitzer wartet ab dem kommenden Jahr wahrscheinlich kaum noch mehr als das übliche Vollpreisupgrade.“ 

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PRO:

+ Besonders auf Current-Gen-Konsolen spürbar verbesserte Grafik
+ Komplett erneute Animationen und Schlägerphysik 
+ Schicke dynamische Beleuchtung und Spiegelungen (nur PS5 und XBS)
+ Spielermimik reagiert je nach Situation passend zum Geschehen (nur PS5 und XBS)
+ Komplett lizensierte Kader
+ Spieler mit hohem Wiedererkennungswert
+ X-Factor-Mechanik sorgt in fast jedem Modus für mehr spielerische Flexibilität
+ Gameplay insgesamt auf gewohnt hohem Niveau
+ Gewohnt umfangreiche Auswahl an Modi
+ Umfangreiche Editoren für Charakter- und Teamdesign
+ Gute (ausschließlich englischsprachige) Kommentatoren
+ Facettenreicher Soundtrack
+ Schwierigkeitsgrad für jeden Anspruch frei konfigurierbar
+ Aufgeräumte Menüs
+ Umfangreiche Tutorials
+ Zugängliche Bedienung

CONTRA:

– Kaum neue Inhalte in den Kernkomponenten Franchise, Be-A-Pro und World of CHEL…
– …deren bestehende Elemente sich zudem nicht mehr zeitgemäß präsentieren
– Belanglos nach Schema F inszenierte Be-A-Pro-Geschichte
– Gelegentliche Animationsaussetzer
– Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut im Ultimate-Team-Modus

                                          GESAMTWERTUNG:     7.3/10     
                                                   
                                       (um zehn Punkte abgewertet von 8.3/10)

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