Battlefield 2042 – „Hochmut kommt vor dem Fall“

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                                                    Getestet und verfasst von General

81iAC8eLbdL. SL1500 Willkommen in der Zukunft! Nach einem erneuten Abstecher in die Wirren des Zweiten Weltkrieges verlagert Entwickler DICE die epischen Massenschlachten der beliebten Reihe mit Battlefield 2042 wieder in ein moderneres Setting mit fiktivem inhaltlichen Einschlag. Vieles wurde über die vergangenen Monate versprochen, vieles seitens der Community erhofft. Doch nach der enttäuschenden Beta machte sich Unmut breit: Der vielversprechende neue Stern am Mehrspielerfirmament machte alles andere als einen fertigen Eindruck, es mangelte an rudimentären Features, gutem Balancing und vielem mehr. Mit der ab sofort weltweit erhältlichen Verkaufsversion soll ein Großteil dieser Probleme behoben sein. Die Realität sieht aber leider ganz anders aus. Und ich sitze nun zum ersten Mal vor einem Battlefield, dass ich wirklich hasse. Wie um alles in der Welt kann das sein? Eine Suche nach Antworten. 

                       Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde mit der PC-Version erstellt. 

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Greta hatte Recht

Wir schreiben das Jahr 2042. Die anhaltende Ausbeutung natürlicher Rohstoffe hat zu einer verheerenden Materialknappheit geführt. Auch der in unserer Gegenwart immer noch belächelte Klimawandel ist in der Zukunft längst Realität geworden. Eine globale Weltwirtschaftskrise ist die Folge. Deutschland meldet den Staatsbankrott an, die Europäische Union löst sich auf. Immer mehr Trennstriche auf der Weltkarte verblassen, schon bald sind über eine Milliarde Menschen – als sogenannte „No-Pats“ – staatenlos.  Lediglich die Vereinigten Staaten von Amerika und Russland sind noch übrig. Es beginnt ein erbitterter Krieg um die letzten verbliebenen Ressourcen des Planeten. Und die „No-Pats“ kämpfen als Söldner auf beiden Seiten mit. Sehr viel mehr Story bietet Battlefield 2042 nicht, zumal das Spiel komplett ohne Einzelspielermodus aufwartet und dementsprechend auch keinerlei Raum bietet, um die rudimentäre Rahmenhandlung in irgendeiner Form zu vertiefen. 

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Man sollte aber meinen, dass auch China in so einem Konflikt mitmischen müsste. Das wäre bei den strengen Zensoren aber wahrscheinlich gar nicht gut angekommen, weshalb dieser eigentlich logische Ansatz einfach komplett aus dem Spiel gestrichen wurde. Sei es drum, denn auch mit dem Reich der Mitte als dritte Fraktion würde sich das dünne Handlungsgerüst kaum aufwerten lassen. Wer zumindest ein bisschen unterhalb der Oberfläche eintauchen will, kommt um den einige Wochen vor Launch veröffentlichten Kurzfilm kaum herum. Alle anderen stürzen sich dagegen einfach direkt in die Action. Drei Modi mitsamt diverser Unterkategorien stehen dafür zur Auswahl, nämlich All-Out Warfare, Hazard Zone und Portal. Dahinter verbirgt sich viel Klassisches, aber auch manche Neuerung. Und die wollen wir uns nun einmal im Detail anschauen.

Schwächen, wohin man auch blickt

Den Anfang machen wir mit All-Out Warfare. Dahinter verbergen sich die zwei Komponenten Eroberung und Durchbruch. Ersteres ist genau das, was langjährige Battlefield-Spieler wohl bereits erahnen dürften: Zwei Teams treten gegeneinander im Kampf um verschiedene Kontrollpunkte auf eine der insgesamt sieben Karten an. Je mehr Punkte ein Team hält, desto schneller verlieren die Gegner Tickets. Einfach, aber sehr effektiv. In Durchbruch sieht die ganze Sache dagegen etwas anders aus. Hier wird die Karte nämlich in Sektoren unterteilt. Das Ziel der Angreifer ist dabei, bis zum letzten Punkt vorzurücken, während die Verteidiger alles tun müssen, um den feindlichen Vormarsch zu stoppen. Geht den Angreifern die Verstärkung aus, ehe der letzte Punkt erobert wurde, gilt die Partie als verloren. 

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Kennt man alles in gleicher oder ähnlicher Form bereits aus den Vorgängern, also kann man bei der Umsetzung doch eigentlich nicht viel verbocken, oder? Ha, wenn es doch nur so einfach wäre. Denn es ist ausgerechnet DIE zentrale Neuerung in Battlefield 2042, mit denen sich die Entwickler bei der Umsetzung immer wieder selbst ein Bein stellen! Nicht etwa die brauchbaren Bots, die leere Server notfalls auffüllen, sondern an anderer Stelle: Wo sich früher noch maximal 64 Spieler auf den Karten tummelten, sind es jetzt zumindest auf neueren Systemen ganze 128. Das mag auf den ersten Blick geniale Massenschlachten im typischen Sandbox-Setting versprechen, funktioniert in der Praxis aber aus ganz vielen Gründen überhaupt nicht. Das erste große Problem sind die Karten selbst. Dass man für die doppelte Spielerzahl auch größere Areale benötigt, ist natürlich klar. Mehr Masse bedeutet aber nicht automatisch auch mehr Klasse. Keine der sieben hierfür vorgesehenen Maps wirkt gut durchdacht. Knotenpunkte für filmreiche Infanteriegefechte gibt es nur sehr wenige, stattdessen dominieren weitläufige Areale ohne große Möglichkeiten zur Deckung. Fahrzeuge und Scharfschützen herrschen dort über das komplette Geschehen. Wer also nicht gerade in einem Panzer hockt oder irgendwo auf einer Hügelkette campiert, muss sich zwangsläufig zu den wenigen Orten mit Gebäuden durchschlagen. 

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Das ist alleine deswegen schon schwierig, weil die Macher zwar die Karten drastisch vergrößert haben, innerhalb der Landmassen aber viel zu wenige Einstiegspunkte gesetzt haben. Ellenlange Laufwege sind keine Seltenheit, besonders wenn man gerade wieder mal nicht bei einem Squadmitglied spawnen kann, weil sich dieses entweder im Kampf oder an Bord eines bereits komplett vollen Vehikels befindet. 64 Spieler pro Team, aber die Squads auf magere vier Spieler limitieren und dann nicht einmal eine Option zum Wechsel oder Verlassen anzubieten…das kann man sich echt nicht ausdenken, zumal das in den Vorgängern noch problemlos möglich gewesen ist. Richtig ärgerlich wird es dann, wenn man gefühlt minuntenlang zu Fuß durch die Pampa sprintet, dann endlich sein Ziel erreicht hat und wenige Sekunden später vom erstbesten Gegner gleich wieder über den Haufen geschossen wird. Dann heißt es im Worst Case: Das Ganze nochmal von vorne. Auf Wiederbelebungen wird in Battlefield 2042 nämlich nicht viel gegeben. Nicht, weil die Option dafür fehlen würde, sondern weil das überarbeitete Punktesystem dafür einfach nicht mehr genug Anreiz bietet. Mit der Möglichkeit, an beliebigen Punkten Fahrzeuge anfordern zu können, sollte diesem Problem eigentlich entgegengesteuert werden. Die komplette Mechanik verpufft aber in völliger Bedeutungslosigkeit, wenn die Anzahl maximal erlaubter Luft- und Bodenvehikel bereits erreicht worden ist. 

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Gelingt es einem dann doch mal, sich einen Drop zu sichern, wird man von den eigenen Leuten im Chat angepampt, denen doch bitte nicht die Fahrzeuge wegzunehmen. Die sind nämlich derart übermächtig, dass man damit mühelos ganze Teams zerlegen kann, wenn man denn mit ihnen umzugehen weiß. Gerade einmal vier Raketen hat man mit entsprechender Bewaffnung als Soldat in der Tasche. Das ist nicht ansatzweise genug, um beispielsweise einem Panzer verheerenden Schaden zuzufügen, der uns im Gegenzug mit einem Schuss aus dem Leben reißt. Gleichzeitig gibt es auf den Karten viel zu viele Hovercrafts. Und die sind derart kaputt, dass man damit sogar fliegen kann. Das komplette Fahrzeugbalancing ist gegenwärtig – ich sage es so drastisch – komplett für den Arsch. Daran gibt es gar nichts zu rütteln. Als einfacher Soldat hat man dem nichts entgegenzusetzen, als Squad kann man ebenfalls nicht viel ausrichten, weil es keinen Voice Chat im Spiel gibt. Wer also nicht direkt mit Freunden und einer externen Kommunikationsfunktion einsteigt, kann sich auch nicht mit seinen Kumpanen absprechen und ist grundsätzlich massiv im Nachteil gegen alles, was fährt oder fliegt. Für den Spielspaß ist das ebenso Gift wie das komplett fehlende Scoreboard oder die völlige Abwesenheit eines einfachen Serverbrowsers. So sehr, dass ich nach zwei-drei frustrierenden Partien schon keine Lust mehr hatte. 

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In Durchbruch sieht es in Sachen Balancing nicht viel besser aus. Zwar spielt sich der Modus etwas strukturierter als Eroberung, macht dafür aber in entgegengesetzer Richtung alles nur erdenkliche falsch. Wenn sich nämlich 128 Spieler verteilt auf zwei Kontrollpunkte beharken, ist Chaos garantiert. So episch die Gefechte zunächst wirken: Auf Taktik kann man hier nicht mehr setzen. Stattdessen entsteht ein so unübersichtliches Getümmel, dass man kaum mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden kann – wer mal Metro ohne Regeln und 2000 Tickets gespielt hat, weiß wovon ich spreche. Und natürlich bekommt man es hier mit genauso elendig langen Laufwegen und übermächtigen Fahrzeugen zu tun. Es muss angesichts der mangelnden Planungskomponente schon ein Wunder geschehen, ehe es dem Angreiferteam gelingt, erfolgreich bis zum letzten Kontrollpunkt vorzustoßen. Die Verteidiger, welche sich um Verstärkung nicht sorgen müssen, verschanzen sich einfach an irgendeinem Punkt und wehren fast mühelos Welle um Welle der unorganisierten Angreifer ab. Auf XBOX One und PlayStation 4 bleibt es wie erwähnt bei maximal 64 Spielern, auch die Karten wurden dahingehend angepasst und entsprechend verkleinert. Zusätzlich fällt die Option weg, via Crossplay mit Besitzern einer anderen Plattform zusammenzuspielen. Dadurch wird zwar nicht jedes Ärgernis beseitigt, aber im kleineren Maßstab spielt sich Battlefield 2042 in All-Out Warfare tatsächlich sehr viel runder. Dafür werten wir sogar gesondert auf.  Das muss man erstmal verdauen.  

Jäger des verlorenen Laufwerks 

Mit dem neuen Modus Hazard Zone haben sich die Macher von Spielen á la Escape from Tarkov inspirieren lassen, Call of Duty will dahingehend im kommenden Jahr nachziehen – man merkt, die Big Player sprühen nur so vor eigenen Ideen! Hier gilt es, als Viererteam überall auf der Karte verteilte Satellitenlaufwerke zu bergen und diese innerhalb des Zeitlimits zu einem festgelegten Extraktionspunkt zu bringen. Dafür werdet ihr mit Punkten belohnt, mit denen ihr beim nächsten Durchgang bessere Startausrüstung erwerben könnt. Neben K.I.-Soldaten machen aber auch echte Spieler Jagd auf euch. Für deren jeweilige Abschüsse werdet ihr natürlich ebenfalls belohnt. Sind aber alle vier Teammitglieder vor Ablauf der Runde tot, heißt es Game Over. Was ihr bis zu diesem Zeitpunkt an Währung erspielt habt, bleibt euch zwar erhalten, allzu viel dürfte das aber nicht sein, denn richtig Kohle bringt tatsächlich nur der erfolgreiche Missionsabschluss mit möglichst vielen gesicherten Laufwerken. 

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Was anfänglich noch ganz spaßig ist, verliert bereits nach wenigen Durchgängen massiv an Motivation, alleine schon weil es keine Ranglisten gibt, an denen man sich messen kann. Besseres Gear freizuschalten langweilt einen ebenso sehr schnell, weil daraus alleine noch kein richtiges Belohnungsgefühl entsteht. Und nicht selten tritt man gegen gegnerische Spieler an, die bereits über weitaus besseres Equipment verfügen, was die ganze Sache gerade für Anfänger extrem unfair gestaltet. Was den Modus aber komplett in die Knie zwingt, ist einmal mehr die mangelnde Möglichkeit zur Kommunikation. Hazard Zone ist komplett auf taktisches Vorgehen und Teamplay ausgelegt. Mit zufälligen Mitspielern lässt sich das aber mangels Möglichkeiten erneut kaum umsetzen. Jeder macht stattdessen, was er will – so ist kein Blumentopf zu gewinnen. Mit Freunden zusammen spielt sich das sehr viel besser. Aber weil es trotzdem zu wenig Gefühl von Progress in diesem Modus gibt, hat man so oder so spätestens nach wenigen Stunden auch hier genug. 

Die gute alte Zeit

Langfristig am Leben erhalten soll Battlefield 2042 als Live-Service-Titel nicht nur das im Grunde identisch von Call of Duty übernommene System der Seasons samt kostenpflichtiger Battlepasses, sondern auch der dritte und letzte Modus im Verbund mit Namen Portal. Der ist quasi eine Art Spielplatz, auf dem sich kreative Köpfe aus zahlreichen Modifikatoren und Co. eine komplett eigenständige Erfahrung basteln und diese dann mit interessierten Mitspielern zusammen bestreiten können. Zusätzlich zu den sieben Karten von All-Out-Warfare darf man sich über die jeweils beliebtesten beiden Karten aus den Klassikern Battlefield 1942, Battlefield: Bad Company 2 und Battlefield 3 freuen – und zwar in komplett remasterten Versionen. Dazu gibt es den kompletten Originalsatz an Klassen samt deren jeweiligen Loadouts. Das alleine ist schon verdammt cool und macht in seiner Grundform viel mehr Spaß als die übrigen beiden Modi. Wenn man zusätzlich noch seinen eigenen Regelsatz dazuschaltet, beispielsweise Schadensmodifikationen oder bestimmte Voraussetzungen, um den Schießprügel wieder mit Munition füllen zu dürfen, ändert sich die Spielerfahrung auf einen Schlag komplett. Grenzen gibt es zumindest was das angeht nur wenige. 

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Die Idee dahinter ist aus marktwirtschaftlicher Sicht natürlich brillant: Wenn man selber keinen Bock hat, neuen Content zu basteln, lässt man eben die Community ran. Tatsächlich sind mir in den letzten Tagen schon viele wirklich geniale Ideen untergekommen, manchen Creatorn habe ich gerne ein Follow dagelassen. Aber man muss leider gleichzeitig auch anmerken, dass ein Großteil der Spieler das System eher ausnutzt, anstatt es zu bereichern. XP-Farm-Server gibt es längst wie Sand am Meer, mit Kreativität hat das absolut nichts zu tun. Gleichzeitig haben die Entwickler die Umbaumöglichkeiten auf die beiden Modi Team Deathmatch und Free-For-All beschränkt. Damit verschenkt man irrsinnig viel Potenzial. Bei Conquest die Punkte neu platzieren wäre alleine schon eine sehr interessante Option, die das Spiel einem aber schlichtweg nicht offeriert. Die Zeit wird zeigen, ob Portal wirklich das Zeug dazu hat, die Community langfristig zu motivieren. Damit das gelingt, muss in meinen Augen einfach entwicklerseitig noch mehr Content implementiert werden. Mehr alte Karten, mehr Freiheit bei der Gestaltung der Regeln…ich glaube, dann würde sich schon bald niemand mehr für die übrigen Kernkomponenten interessieren. Und ganz ehrlich: Ich könnte es verstehen, mir macht es ja jetzt schon keinen Spaß mehr. 

Klassenkampf

Pionier, Sturmsoldat, Sanitäter und Scharfschütze gelten als das heilige Quartett von Battlefield. Jeder mit eigenen Fertigkeiten, jeder mit eigenen Waffen. Alleine gefährlich, im Team tödlich. Wie gut dieses einfach strukturierte und klar voneinander abgegrenzte System auch heute noch funktioniert, zeigt das klassische Gameplay in Portal eindrucksvoll. Warum DICE und die vielen Studios, die noch am Spiel mitgearbeitet haben, dieses System in allen anderen Bereichen komplett abgeschafft haben, will mir einfach nicht in den Kopf gehen. Stattdessen stehen einem dort nun einer von zehn Operatoren zur Verfügung. Jeder mit einer einzigartigen Fähigkeit, dafür aber mit der Möglichkeit, abseits davon jede Waffe und jedes Gadget auszurüsten, die man bereits freigeschaltet hat. Grundsätzlich ist es ja kein schlechter Gedanke, künstlich gesetzte Limitierungen aufzuheben. Die Alternative dazu passt aber einfach nicht in ein Battlefield.

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Nicht nur, dass sich bei zehn Operators und insgesamt 128 Spielern tonnenweise Klonsoldaten auf dem Schlachtfeld begegnen (besonders in den Anfangstagen, da andere Outfits erst freigespielt werden müssen), auch entpuppen sich die wenigsten Fähigkeiten als richtig nützlich. Das haben auch die meisten anderen Spieler längst erkannt, weshalb die Runden meistens von drei Charakteren dominiert werden: Zum einen Sanitäterin Maria Falck, die mit ihrer Heilungspistole auch über Distanz verlorene Lebenspunkte auffüllen kann. Dann der Russe Boris, ausgerüstet mit einem handlichen Geschütz, dass nicht nur nahe Feinde automatisch attackiert, sondern diese auch für unsere Mitspieler kennzeichnet. Und zu guter letzt die Koreanerin Paik, deren EMG-X Scanner Gegner durch Wände sichtbar macht. Das schadet der visuellen Vielfalt natürlich nur noch mehr. Was übrig ist, kann man eigentlich getrost vergessen. Dozer beispielsweise trägt zwar einen schweren ballistischen Schild mit sich herum, kann dabei aber keine Waffen abfeuern. Ein Blick auf den Kader von Rainbox Six: Siege hätte gezeigt, wie es richtig geht. Höchstens Scharfschütze Casper bietet mit seiner Flugdrohne noch ein paar interessante Ansätze. Mit Sprengstoff bestückt kann man den Tod so ungesehen direkt hinter die feindlichen Linien tragen. Alles in allem wäre man aber besser damit bedient gewesen, beim bekannten Klassensystem der Vorgänger zu bleiben. 

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Selbst das Arsenal der Kämpfer lässt im Vergleich dazu viele Wünsche und Fragen offen. Gerade einmal zweiundzwanzig Schießprügel haben es ins Spiel geschafft. Neues Futter für die Waffenkammer soll erst über die kommenden Seasons nachgereicht werden. Drei Faustfeuerwaffen, vier Maschinenpistolen, vier Sturmgewehre, zwei schwere MG´s, drei Karabiner, drei Scharfschützengewehre und drei Schrotflinten – das ist nicht nur gemessen an der Konkurrenz lächerlich wenig, sondern auch gemessen an der Reihe selbst. Alleine Battlefield 4 bietet mehr als das Vierfache! Zahlreiche Aufsätze sollen die Waffen dafür trotzdem mit einer gewissen Einzigartigkeit ausstatten, über ein zugängliches Menü lässt sich jederzeit bequem durch die Ausrüstung schalten, ohne dass man dafür erst ins Gras beißen muss. Das ist wieder eine brauchbare Idee, die in der Praxis aber auch nicht richtig funktioniert, weil sich die ganze Bagagge an Zubehör in ihrer Spielbarkeit kaum wahrnehmbar voneinander unterscheidet. Gleichzeitig sind die Waffen ebenso wie die meisten Fahrzeuge im Spiel einem sehr schwachen Balancing unterworfen. Eine PP-29 kann beispielsweise mit passendem Visier als einfache Maschinenpistole auf Distanz präziser treffen als ein Scharfschützengewehr. Wo Sinn?

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Dann ist da noch diese saudämliche Idee, alle Waffen mit willkürlicher Streuung auszustatten. Warum basteln wir denn an Waffen, testen Visiere, Unterlaufschienen und den ganzen Krempel aus, wenn die abgeschossenen Kugeln trotzdem bereits über mittelkurze Distanzen in alle Richtungen ausschlagen? Immer wieder ist es vorgekommen, dass ich das Visier perfekt auf den Gegner gehalten habe, aus zehn-fünfzehn Metern Entfernung aber locker ein Drittel der Schüsse links und rechts aus dem Bild geflogen sind, statt geradeaus ins Ziel. Der Feind freut sich, verschießt ebenfalls sein Magazin und tötet mich unmittelbar darauf, weil ihm der Zufall dieses Mal holder war als mir. Es ist schon überraschend, wie man durch solche Entscheidungen so vieles kaputtmachen kann, dass in seiner urtümlichen Form einst so wunderbar funktioniert hat. Ich bin jetzt an diesem Punkt, wo ich alle drei Modi und das Gameplay so umfangreich wie nur möglich beschrieben habe und doch nirgendwo etwas finde, was mir wirklich gut gefällt. Als alter Serienveteran tut das verdammt weh, das will ich euch sagen. 

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Wer jetzt aber denkt, das Drama wäre bereits an seinem Ende angelangt, täuscht sich gewaltig. Denn da gibt es noch die Technik. Zugegeben, dank aktueller Frostbite Engine sieht das Spiel richtig gut aus, alleine das komplett neue Wettersystem ist echt ein optisches Schmankerl, obwohl deren Auswirkungen bei weitem nicht so deutliche Auswirkungen auf das Gameplay haben, wie es die Trailer kommuniziert haben. Sandstürme behindern die Sicht, Tornados wehen leichte Fahrzeuge und Soldaten umher, aber das ist es eigentlich auch schon. Die Annahme, dass so ein System kombiniert mit der altehrwürdigen Zerstörungsformel der Reihe komplett neue Ansätze schaffen würde geht spätestens in Rauch auf wenn man merkt, dass sich in Battlefield 2042 abseits der für Portal wiederaufbereiteten Karten aus Bad Company 2 und Battlefield 3 eigentlich gar keine richtige Umgebungsdemolierung anstellen lässt. In Wahrheit gibt es in All-Out Warfare und Hazard Zone nicht EIN EINZIGES Gebäude, dass man komplett abreißen kann. Hier und da Wände raussprengen geht natürlich, aber für die sonstigen Verhältnisse eines Battlefield ist das wirklich lächerlich wenig. 

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Unter der Oberfläche sieht es dann allerdings schon nicht mehr ganz so schön aus. Fast alle Innenräume bestehen oft nur aus grauen Texturgebilden. Grundsätzlich gibt es in Battlefield 2042 nichts, was im Vergleich zu den Vorgängern irgendwie als große Verbesserung hervorstechen würde. Im Gegenteil: Erinnert man sich an die prächtig dekorierten Chateâus in Battlefield 1, will man bei einem Blick auf die hiesigen Gebilde am liebsten schreiend in die nächstbeste Feindgranate rennen. Klassischer Fall von „Außen hui, innen pfui“. Hübsche Partikeleffekte, eine insgesamt gelungene Beleuchtung und das wie bereits erwähnt sehr ansehnliche Wettersystem…sowas bieten andere Genrevertreter auch. Dass das Spiel immer noch relativ brauchbar auf Konsolen der Last Generation läuft und auch so ausschaut, ist aber wieder ein Lob wert. In Sachen Auflösung und Renderdistanz müssen vor allem PlayStation 4 und XBOX One einige wirklich heftige Einschränkungen hinnehmen, auch die angepeilte Bildrate von 60 Frames pro Sekunde wird quasi nie erreicht, was bleibt ist aber immer noch akzeptabel und lohnt alleine schon wegen der durch die kleineren Teamgrößeren samt Karten sehr viel gelungenere Spieldynamik. Die erweiterten Modelle schaffen sogar noch native 1800p bei stabilerer (aber nicht perfekter) Performance, stellen also einen hervorragenden Kompromiss aus Optik und Spielbarkeit dar, legen aber im Detail nicht groß zu.  

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Auf der XBOX Series S wird bereits das volle Paket mit 128 Spielern geboten, dafür wird hier nur in 1260p mit zusätzlichen Rekonstruktionsverfahren aufgelöst, in Sachen Bildrate liefert der kleine Kasten aber nahezu komplett geschmeidige 60 Frames. PlayStation 5 und XBOX Series X schaffen 4K ebenfalls nicht ohne Tricks, ABER sie schaffen es. Zusätzlich profitieren die beiden leistungsstarken Konsolen von besserer Zeichendistanz, was Pop Up´s dramatisch minimiert, hinzu kommen unter anderem hochwertigeres anisotropisches Filtering und sauberere Kantenglättung. Der visuelle Unterschied zu den Last-Gen-Modellen ist sichtbar, der große Quantensprung bleibt trotzdem aus. Auch hier überzeugt das Spiel mit guter Performance, nur in besonders effektreichen Momenten mit viel Betrieb am Bildschirm kann die Bildrate schonmal um einige Punkte einsacken. Die große Enttäuschung ist für mich aber die völlig verkorkste PC-Version. Wo einst der Siegeszug der Reihe seinen Anfang nahm, plagen massive Performance- und Latenzprobleme das ohnehin schon stark von verheerenden Designentscheidungen geschwächte Gameplay bishin zur völligen Unspielbarkeit. Alleine die oft nur verzögert umgesetzten Mausbewegungen haben mich regelmäßig zur Weißglut getrieben. Exklusives Raytracing und DLSS 2.0 machen das Spiel am PC übrigens nicht viel schöner.

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Bugs bei der Kollisionsabfrage, willkürliche Abstürze und viele andere Dinge wie unverwundbare Gegner setzen alldem noch die Krone auf und sind auch auf den Konsolen omnipräsente Probleme. Fakt ist: Battlefield 2042 ist in jeder Hinsicht ein unfertiges Spiel. Dafür Geld zu verlangen…aber was rege ich mich auf, so wird es heute ja dauernd gemacht und die zahlende Meute nimmt es hin. Es gäbe noch so viele Kleinigkeiten, an denen ich mich abarbeiten könnte, zum Beispiel das hässliche HUD, der uninspirierte Soundtrack und die Kameraausetzer, wenn man verletzt am Boden liegt. Aber dann sitze ich morgen noch hier. Weil ich dieses Review aber irgendwie positiv abschließen möchte: Das Spiel klingt im Effektbereich wie gewohnt richtig gut und schafft besonders über Heimkino eine tolle Atmosphäre. Es kracht, rummst und zischt an jeder Ecke. Die deutschen Sprecher leisten allesamt gute Arbeit und auch bedienen lässt sich das Ganze mit Maus- und Tastatur ebenso wie mit den gängigen Gamepads ausgezeichnet. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Gerade die Definitive Edition zur Grand Theft Auto Trilogy überstanden, jetzt das: Zwar hat sich seit der Beta zu Battlefield 2042 nochmal einiges getan, ein gutes Spiel ist trotzdem nicht daraus geworden. Nichts erweckt den Eindruck eines fertigen Zustands. Verheerende Entscheidungen in grundlegenden Bereichen wie Kartendesign, Einheiten-, Fahrzeug- und Waffenbalancing schafft man nicht innerhalb weniger Wochen aus der Welt. Keiner der Modi fühlt sich richtig rund an, überall findet man genügend Gründe, nach wenigen Stunden gelangweilt und/oder genervt das Handtuch zu werfen. Bei Portal müssen noch viele Limitierungen wegfallen und neue Inhalte hinzukommen, um den Modus zukunftssicher zu machen. Was an Spielspaß noch übrig ist, wird von den zahlreichen Bugs, am PC zusätzlich noch brutalen Performanceproblemen restlos ruiniert. Ich wage die Prognose, dass auch monatelanges Nachbessern und diverse Erweiterungen beim Content nicht genügen werden, um den Zorn der Spieler – meinen inklusive – auch nur ansatzweise zu besänftigen. Dafür ist der angerichtete Schaden einfach viel zu groß. Schade um dieses einst so wegweisende Franchise. Sehr sogar.“

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PRO:

+ Hübsche Partikeleffekte und Explosionen
+ Visuell sehr gelungenes Wettersystem
+ Toll aus den Klassikern aufbereitete Karten
+ Portal mit einigen guten Ansätzen
+ Überraschend solide Bot-K.I.
+ Schnörkelloses Crossplay (nur auf PC und Current-Gen-Konsolen)
+ Krachende Soundkulisse
+ Gute deutsche Sprecher
+ Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen

CONTRA:

– Das Konzept mit 128 Spielern geht nie wirklich auf
– Viel zu weitläufige Areale…
– …was nicht selten in frustrienden Fußmärschen endet
– Infanterie ist grundsätzlich stark im Nachteil
– Wetter wirkt sich nur sehr bedingt aufs Gameplay aus
– System für Vehicle Drops quasi komplett nutzlos
– Hazard Zone verliert sehr schnell an Motivation
– Angreifer sind in Durchbruch fast immer unfair unterlegen
– Portal mit unnötigen Einschränkungen
– Insgesamt sehr geringer Gesamtumfang (Karten, Modi, etc.)
– Überschaubare Operator…
– …von denen nur wenige wirklich interessant sind…
– …und die keinen adäquaten Ersatz zum altbekannten Klassensystem darstellen
– Rudimentäre Features wie Scoreboards, Voice Chat und Ranglisten fehlen
– Serverbrowser nur in Portal
– Squads können weder verlassen noch gewechselt werden
– Sehr übersichtliches Waffenarsenal
– Massive Schwächen bei Waffen-, Fahrzeug- und Fertigkeitenbalance
– Zufällige Kugelstreuung extremst nervig
– Zerstörung im Vergleich zu den Vorgängern stark zurückgefahren
– Zahlreiche Bugs bei der Kollisionsabfrage 
– Hässliche Innenräume
– Kaum architektonische Highlights
– Unansehnliches HUD
– PC-Version auf technischer Ebene nahezu unspielbar
– Störende Pop Up´s, besonders auf Konsolen der letzten Generation 
– Generischer Soundtrack

                                     GESAMTWERTUNG:     5.5/10 (XBS, PS5)
                                                            6.0/10 (XB1, PS4)
                                                                        3.5/10 (PC)   

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