Sid Meier’s Civilization 6™ – Gelebte Geschichte

                                              Getestet und verfasst von General M 

Die Civilization – Reihe ist beinahe so alt wie ich. Erstmals 1991 erschienen, hat sich die Reihe seitdem durch kontinuierliche Verbesserungen und kreative Ideen zu einer DER rundenbasierten Aufbauspiele entwickelt und heimst regelmäßig Traumwertungen ein. Teil V gilt mitsamt all seiner Zusatzinhalte als bisherigen Höhepunkt der Serie. Was kann Teil VI also noch besser machen? Wir haben uns für euch zwischen Diplomaten und Kriegsherren begeben und wollen genau dieser Frage auf den Grund gehen.

Aller Anfang ist leicht

Kenner der Serie wissen es bereits – Civilization befasst sich nicht nur mit einer Epoche, sondern umfasst ganze Jahrtausende an kultureller Entwicklung und Historie. Ob nun mit Amerika, Deutschland oder Ägypten, jedes der weit über ein Dutzend zum Start vorhandenen Völker bringt eine eigene Kultur, Fähigkeiten, Boni und Anführer mit sich. Da finden sich zum Beispiel Kleopatra, Gilgamesch und George Washington unter den illustren Anführern. Grundlegend ist „Civ“ ein gewaltiger Spielplatz für Kreative, die es gerne etwas ruhiger angehen lassen möchten. Das ist auch verdammt nötig, denn wer den berühmten Ausspruch „Nur noch eine Runde“ kennt und dennoch weiß, dass er sich dann Stunden nicht vom PC entfernen wird, hat den Kern des Titels gut erfasst und lebt ihn auch aus. 

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                       Der summerische Herrscher Gilgamensch kann Freund oder Feind sein. 

Und weil ein guter Spielplatz einen ganzen Haufen Werkzeuge benötigt, können gerade Einsteiger extrem schnell überfordert von all den Möglichkeiten sein, die Civ bietet. Zum Glück gibt es ein wunderbar umgesetztes Tutorial, welches einen langsam in kleinem Maßstab an die zentralen Spielmechaniken heranführt und dabei auch Stück für Stück komplexere Funktionen erörtert. Obwohl das Tutorial wie erwähnt exzellent umgesetzt ist, ist man später im Hauptspiel komplett auf sich allein gestellt und muss eventuell Vergessenes manuell nachlesen, was etwas ärgerlich sein kann. Grundlegend sei gesagt, dass sich Anfänger trotz guter Anweisungen recht schnell überfordert in all dem Mikromanagement verlieren können. Je größer die Stadt wird, desto größer werden die Bedürfnisse der Bevölkerung. Diese Bedürfnisse zu erfüllen erfordert kluges Vorgehen und eine geschickte Ressourcenverwaltung. Gold wächst ebenso wenig auf Bäumen wie kulturelles Bewusstsein. In Wuppertal erforscht man dieses Wissen zur Zeit noch. 

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                                    Am Anfang stehen wir nur mit einem Trupp Siedler da…

Jeder Anfang erfordert einen geeigneten Bauplatz für eine aufblühende Kultur. Ein reiches Vorhandensein verschiedener Ressourcen ist Pflicht für eine zufriedene Bevölkerung und eine fruchtbare Entwicklung. Auf gutem Boden sichern Bauernhöfe das Nahrungseinkommen, welches wiederrum den Bevölkerungszuwachs begünstigt. Letzterer ist mitunter entscheidend für den Sieg. Sämtliche Grundbauwerke werden von Handwerkern errichtet. Die stehen direkt zu Anfang in Dreiertrupps zur Verfügung. Jeweils ein Handwerker kann ein Gebäude errichten, die Einheit verbraucht sich daher quasi von selbst. Wer reiche Vorkommen an Mineralien und Erzen in der Nähe hat, muss sich mit dem Abbau jedoch gedulden. Nahezu sämtliche Fähigkeiten müssen erst über mehrere Runden entwickelt werden. Fischfang benötigt Fischereien, die wieder das Segeln erfordern. So wird das Spiel mit jedem Zug komplexer und größer. Erweitern wir die Landesgrenzen, oder konzentrieren wir uns doch lieber auf die Befestigung der Stadtmauern? Die Späher haben Barbaren bemerkt, die sich langsam der Stadt nähern…vielleicht doch lieber ein Batallion Krieger und Speerkämpfer zur Verteidigung? Oder suchen wir den diplomatischen Weg, um den Angriff abwenden zu können? Die Möglichkeiten sind gewaltig, die Planung essentiell. Aufstrebende Kulturen können schneller in Schutt und Asche liegen, als ihnen lieb sein mag. So oder so – die kongenialen Zitate zu den Forschungen sorgen für viele herzliche Lacher!

Über Zeit

Der Clou bei Civ 6: Selbst, wenn man sämtliche Einheiten positioniert hat, gibt es trotzdem in jeder Runde etwas zu tun. Forschung und Entwicklung sind zentrale Pfeiler jeder Zivilisation, die den Wunsch nach kulturellem, intellektuellem und wissenschaftlichem Fortschritt strebt. Hier gilt es, schon zu Beginn die für sich ideale Fraktion basierend auf den entsprechenden Boni zu wählen – dadurch unterscheidet sich die Spielbarkeit und entsprechend auch die Entwicklung der Völker teils so massiv, dass ein durchaus hoher Wiederspielwert geboten wird. Nicht zu vergessen die Politik! Was nützen Forschung und Wohlstand einem Volk, wenn es weder Politik noch Glauben gibt, der die Bevölkerung eint und nach vorne bringt? Tatsächlich greifen sämtliche Spielmechaniken nahtlos und harmonisch ineinander. Eine klug gewählte Wirtschafts-, Kriegs-, und Sozialpolitik kann entschiedenen Einfluss auf die Entwicklung der Zivilisation haben. Selbstverständlich kann sich all das über verschiedene Epochen weiterentwickeln und verbessern, so wie technologische und kulturelle Errungenschaften wachsen und gedeihen, so gedeiht und wächst auch das Volk. Wenngleich man dazu sagen muss, dass im weiteren Verlauf des Spiels veraltete Staats- und Glaubensformen kaum Siegchancen einbringen, da die Boni moderner Systeme einfach überlegen sind. Obwohl das Spiel einem bei der Entwicklung also recht freie Wahl lässt und dabei immer 5 verschiedene Siegbedinungen bietet, gebietet die Logik der spielerischen Freiheit auch Einhalt. 

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                             …später wird daraus eine blühende und aufstrebende Metropole.

Nur wenige Zivilisationen können sich den Luxus erlauben, auf friedlichem Weg die Herrschaft über die gewaltigen Karten zu übernehmen, die allerhand zu entdecken bieten. Krieg ist oftmals die einzige Antwort, die Feinde verstehen, sollte die Diplomatie mal versagen. Dummerweise ist die K.I. weder ein geschickter Diplomat, noch versteht sie viel vom Krieg. So werden Kriegsgefechte selten durch Taktik, sondern lediglich durch einfaches Draufhauen entschieden – in 99.9% zu Gunsten des Spielers. Wobei es einen Schwundfaktor von 0.01% gibt – also gewinnt man immer. Es ist schade, dass gerade hier so wenig Geschick notwendig ist. Immerhin können Kriege über Aufstieg und Fall von Nationen entscheiden. Selbst nach einer Kriegserklärung verhalten sich Gegner meistens nur defensiv und warten mit ihren Truppen einfach ab, bis sie von meiner Armee überrannt werden. Das nimmt Spielspaß und sorgt dafür, dass man sich fragt, wofür man überhaupt Stadtmauern gebaut hat (außer natürlich, Ghandi lässt die Atombomben los!). 

Grandios wird es spätestens im Multiplayer – Modus, wo man gerne mal so viele Stunden verbringen kann, dass ein Tag in der Wirklichkeit so schnell vorbeizieht wie eine Runde im Spiel. Wenn man gegen menschliche Gegner um die Weltherrschaft antritt, entfaltet das Spiel eine Dynamik und Spannung, die sämtliche Schwächen der K.I. vergessen macht – ebenso aber auch nach stundenlangen Gefechten und gescheiterter Diplomatie übel auf’S Gemüt schlagen kann, sollte man von der Karte gefegt worden sein. Aber wer nicht wagt, gewinnt auch nichts. Richtig?

Alles in allem bietet Civ 6 einen gewaltigen und überaus komplexen, motivierenden Umfang, welcher darüberhinaus nativen Support für Mods aller Art über Steam bietet. Für Nachschub seitens der Spieler sollte also mehr als gesorgt werden, bis die ersten Erweiterungen für das Hauptspiel auf der Bildfläche auftauchen. 

Der Zahn der Zeit

Technisch hat man sich dieses Mal für einen bunteren, sehr comichaften Grafikstil entschieden, der sich durchaus vom Vorgänger abhebt. Zwar ist die Konsequenz eine allgemein weniger texturierte Umgebung, dem liebevollen und charmant – detaillierten Grafikstil tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, Einheiten und Bauwerke werden imposant in Szene gesetzt und sehen im Rahmen der hübsch animierten Weltkarte (die allerdings ohne Animationsdynamik auskommen muss) hervorragend aus. Hinzu kommt, dass das Spiel trotz seines gewaltigen Umfangs weit unter 10GB Festplattenspeicher verbraucht und dabei auch auf sehr alten Systemen noch hervorragend auf hohen Details läuft. 

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                                                 Die Zukunft kann sich sehen lassen.

Klar, Civilization 6 stellt Weltwunder über Grafikwunder, aber das ist kaum zu kritisieren, denn der Stil ist zeitgemäß und harmoniert toll mit dem Gameplay. Die dadurch gering ausfallenden Systemanforderungen öffnen das Spiel für alle Spieler auf allen Hardwarekonfigurationen und besinnt sich damit auf seinen Kern: Spaß am Spiel, Spaß am Aufbau, Spaß am Entdecken. Und sollte es doch mal technische Probleme geben, werden ausreichend Grafikoptionen geboten, um das Spiel flüssig und ohne zu große Abstriche laufen zu lassen. Man mag darüber streiten, ob nun der etwas detailreichere Stil des Vorgängers besser ist, oder der aktuelle – ich möchte mir darüber kein Urteil erlauben, beide Stile haben mir sehr gut gefallen. Je größer allerdings die Stadt wirkt, desto unübersichtlicher wird alles. Da hat man dann schon mal Probleme, sich zurecht zu finden, weil überall Gebäude herumstehen und alles so eng aneinandergerückt, ja beinahe klaustrophisch wirkt. 

In Sachen Bedienung hat Civ allerdings ein paar Macken, besonders die teilweise nüchtern und detailüberladen gestalteten Menüs wirken überfordernd. Zumal auf 4K – Auflösung sämtliche Aktionsleisten und Buttons beinahe so klein wirken, dass zumindest Menschen mit Sehschwäche ihre arge Mühe damit haben werden, die kleine Schrift richtig zu lesen. Derlei Dinge lassen sich aber über die Menüs konfigurieren und fallen daher nicht allzu groß ins Gewicht. Für Neulinge ist die allgemein immense Komplexität allerdings nicht immer gut im Überblick zu behalten. 

Gewaltiges Lob verdient allerdings wieder mal Christopher Tin. Der hat für den Titeltrack des Vorgängers, „Baba Yetu“, nicht nur einen Grammy gewonnen (der überhaupt erste Grammy für einen Videogame – Track!), sondern auch dieses Mal wieder ein grandioses, traumhaft schönes Orchestralstück abgeliefert, welches sich perfekt mit dem genialen, abwechslungsreichen und jederzeit stimmigen Soundtrack arrangiert. Selbst wer Civilization nicht mag, sollte sich trotzdem den Soundtrack zu Ohren führen. Er wird es sicher nicht bereuen. 

Fazit und Wertung

ava2 „Civilization 6 erfindet das Rad der Reihe zwar nicht neu, weiß aber inhaltlich und in Sachen Gameplay absolut zu überzeugen. Der comicartige, dafür aber extrem liebevoll inszenierte Grafikstil mag nicht jedermanns Sache sein, die perfekt harmonierende Spielmechanik bleibt jedoch abgesehen von der sehr schwachen K.I. frei von jeder Kritik. Hinzu kommt ein wunderbares Fraktionsdesign, gewaltige Karten, ein toller Multiplayer – Modus und die gewohnt zuverlässige Mod – Unterstützung seitens der Community. Für Neulinge ist die Lernkurve trotz hervorragenden Tutorials steil, aber der Mühe wert. Der exzellente Soundtrack tut sein Übriges. All das macht Civilization 6 zu einem würdigen Nachfolger der Serie, den abseits der dummen K.I. nur kleine Fehler und Probleme etwas ausbremsen.“ 

PRO:

+ Gewaltiger Umfang
+ Zahlreiche Fraktionen mit unterschiedlichen Boni und Fertigkeiten
+ Freie Spielweise zwischen Diplomatie, Eroberung und Technologie
+ Wunderbar animierte Herrscher
+ Sämtliche Spielmechaniken ergänzen sich sinnvoll
+ Liebevolle Comic – Grafik
+ Detaillierte Städte
+ Genialer Multiplayer – Modus
+ Angenehm charmanter Humor
+ Grandioser Soundtrack
+ Gutes Tutorial
+ Wiederspielwert
+ Gelungenes Fraktionsbalancing
+ Große Karten, die zum Erkunden einladen
+ Auch auf alten Systemen lauffähig
+ Große Enzyklopädie

CONTRA:

– Etwas fummelige Menüs
– Kann Einsteiger überfordern
– Abseits des Tutorials keine Hilfestellungen
– Kriege zu einfach zu gewinnen
– Allgemein eher schlechte K.I. 

                                           GESAMTWERTUNG:     91%

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
 
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