Silence :The Whispered World 2 – Spieglein, Spieglein…

  
                                           Getestet und verfasst von General M

Nicht erst seit der Deponia – Reihe steht für mich fest, dass die besten Adventures mittlerweile „Made in Germany“ sind. In einer Zeit ohne LucasArts und seine berühmten Marken kam die Hamburger Spieleschmiede Daedalic daher und bewies eindrucksvoll, dass Deutschland mehr kann als Angela Merkel, Currywurst und Automobile. Klar, man darf dabei nicht vergessen, dass Crysis und Spec Ops: The Line ebenfalls renommierte Deutsche Videospiele sind, ebenso auch die Anno – Reihe. Aber Daedalic, das ist wenigstens meine Meinung, liefert heutztage mit die besten Adventures ab. The Whispered World, erstmals 2009 erschienen, reiht sich nahtlos in die Liste großartiger Titel ein und wird nun endlich mit „Silence“ fortgeführt. Dank der wunderbaren Kristin Splieth aus Daedalics Presseteam, mit der ich nur zu gerne mal einen Kaffee trinken gehen würde, sofern sie mal in der Gegend ist, durften wir uns das neue Abenteuer für euch ansehen. Die Erkenntnis: Seit Teil 1 hat sich viel geändert. Was genau, zeigt unser Test. 

Silence! I kill you!

Die Welt von Silence ist nicht einfach nur ein fiktives Königreich, sondern eine Traumwelt, ein Übergang zwischen Leben und Tod, aus der es sich gar nicht so leicht entkommen lässt. Diese Erfahrung haben Kenner des erstens Teils sicherlich bereits gemacht, als sie in Gestalt des depressiven Clowns Sadwick Stunden von Spielspaß abgerissen haben. Natürlich darf man sich in Silence auf ein Wiedersehen freuen, ebenso auch mit anderen liebgewonnenen Charakteren des Vorgängers. Alleine die sprechenden Steine Yngo und Ralv gehören zu den humoristischen Highlights des Spiels. Aber worum geht es überhaupt? In einer von Krieg heimgesuchten Welt suchen die Geschwister Noah (der die Welt einst im Traum erdachte) und Renie nach einem sicheren Platz und landen in einem sicher aussehenden Bunker. Dummerweise ist der nicht ganz so sicher, wie es zuerst den Anschein hat, sondern führt direkt zurück nach Silence, wo die neugierige kleine Renie unverhofft landet. Noah bleibt nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Damit nimmt ein grandioses, mit knapp 5-7 Stunden Spielzeit aber leider auch sehr kurz ausgefallenes Abenteuer seinen Lauf. Dennoch, in dieser Zeit begegnen wir nicht nur wie erwähnt liebgewonnenen Charakteren aus dem Vorgänger, sondern neben neuen Recken wie der den Rebellen Kyra und Janos auch einer bösen falschen Königin und ihren Schergen, den Suchern. 

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                  Die Gewister Noah und Renie suchen Schutz in einem alten Bunker.

Zwar wird die bisherige Story kurz und knapp rekapituliert, richtig in die Welt von Silence einfinden werden sich aber nur Kenner des Vorgängers. Selbst dann erreicht die Charaktertiefe allerdings nicht dessen Qualität. Ebenso schmerzlich vermisst wird der wunderbare Sarkasmus eines Sadwick. Das alles wird jedoch durch den heimlichen Helden des Spiels ausgeglichen, nämlich die putzige Raupe Spot. Auch die ist aus Teil 1 bekannt und bekommt nun endlich die Bühne, die sie verdient (ernsthaft, sie ist so abartig putzig!). 

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                                    Raupe Spot ist das heimliche Highlight des Spiels.

Silence verzichtet bewusst auf zu viel Humor und präsentiert eine gefährlichere und düstere Welt als der Vorgänger. Tatsächlich kann man hier schnell auf viele Arten den Tod finden, wenn man an manchen Stellen falsch kombiniert oder läuft. Mit einem Game Over á la Baphomet’s Fluch muss man jedoch zum Glück nicht rechnen. Dank zahlreicher kreativer Achievements wird Sterben und Nicht – Sterben gleichermaßen belohnt, was dem Wiederspielwert abseits der Handlung gut tut, welche trotz unterschiedlicher Enden einen erneuten Durchgang kaum ansprechend gestaltet. Komplettisten können sich aber auf ein paar Runden gefasst machen. Alles in allem fesselt das Abenteuer dennoch durch seine wunderbar emotionale Handlung, und das auf eine Weise, wie ich sie seit Life is Strange oder The Last of Us nicht mehr erleben durfte. Wie das Spiel endet und ob es Noah und Renie gelingt, der falschen Königin Einhalt zu gebieten und den Weg nach Hause zu finden, werde ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Frischzellenkur 

In Sachen Design ist man ganz neue Wege eingegangen und revolutioniert das Gameplay klassischer Adventures fast im Alleingang. Auf ein Inventar wird komplett verzichtet, stattdessen interagieren die drei spielbaren Charaktere einfach mit der Umgebung, führen Gespräche ohne viel Multiple Choice und kombinieren automatisch Gegenstände. Das sorgt für spürbare Entschlackung eines grundlegend angestaubten Genres und bringt enorm viel frischen Wind ins Genre, verringert auf der anderen Seite aber auch massiv den spielerischen Anspruch. Profis werden mit dem Lösen der eher einfach, aber immer sinnvoll durchdacht gestalteten Rätsel kaum Schwierigkeiten haben. Wer dennoch feststeckt, kann sich auf ein nicht minder durchdachtes Hilfssystem verlassen, welches einem (auf Wunsch) zur Seite steht, ohne direkt die Lösung zu verraten. Zwischen den eher kleinen Schauplätzen gibt es allerdings stets nur wenig Raum für Fehler und so genügt es oftmals, alle Schauplätze gründlich abzusuchen, alle Dialoge durchzugehen und sich dann seinen Teil zu denken. 

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           Renie und Janos müssen einem widerspenstigen Vogel eine Nachricht abluchsen.

Auch die Bedienung, die sowohl mit Maus als auch mit Gamepad wunderbar funktioniert, geht einfacher von der Hand als man von bisherigen Genre – Vertretern gewohnt ist (zuletzt hat sich z.B. „Yesterday Origins“ ja nicht gerade durch gute Bedienung hervortun können). Geschicklichkeitsherausforderungen werden durch intuitive Minispiele gelöst, die sich wunderbar ins Gameplay einfügen, auch wenn die Umsetzung lediglich darin besteht, den Mauszeiger auszubalancieren oder gedrückt zu halten. Die besten Rätsel bietet immer noch Raupe Spot (erwähnte ich bereits, wie niedlich sie ist?!). Die kann sich nämlich entweder flach wie eine Flunder machen oder aufblasen, lernt später aber noch viele weitere Tricks und erweist sich immer wieder als charmant-unschuldiger Retter in der Not. Daedalic sollte ernsthaft darüber nachdenken, dem kleinen Kerl ein eigenes Spiel zu spendieren. Für mich gehört sie definitiv zu den besten Adventure – Charakteren der letzten Jahre und erinnert in ihrem Wesen sehr an ein Sidekick aus einem Pixar – Film. 

Märchenhaft gemacht

Auch technisch ist Silence eine kleine Revolution im Genre der Adventures. Nie zuvor habe ich so detaillierte und wunderschöne Umgebungen gesehen. Auch die Charaktere sind toll in Szene gesetzt und ebenso toll vertont. Besonders die Sprecherin der jungen Renie kann voll überzeugen und erfüllt den Charakter mit ganz viel Leben und Sympathie, da sie die kindliche Unschuld und Neugierde, die durchaus praktisch zum Lösen mancher Aufgaben ist, hervorragend rüberbringt. Daedalic beweist eindrucksvoll, wie die Zukunft der Adventures auszusehen hat – und das schon heute! 

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                   Silence bietet wunderbar in Szene gesetzte Modelle und Umgebungen.

Zwar liegt auf allem ein mitunter etwas störender Grünstich, der scheint aber gewollt so gesetzt worden zu sein, auch um der Lebendigkeit des Vorgängers szenariobedingt etwas entgegenzuwirken. Oftmals erwische ich mich selbst dabei, wie ich staunend die Szenerie betrachte, die ganzen kleinen Details auf mich wirken lassen und dabei wieder und wieder die F12 – Taste betätige, um die bestmöglichen Screenshots für diesen Testbericht erhaschen zu können. Hätte ich jeden solchen Screenshot übernommen, wäre genug Material für einen Bildband vorhandengewesen. Ja, Silence präsentiert sich unglaublich märchenhaft und wirkt wie stellenweise sogar wie ein Kinofilm, was auch an der grandiosen Musikuntermalung liegt. Kurzum: Daedalic ist ein inszenatorisches Meisterstück gelungen, an welchem sich kommende Adventures technisch zu messen haben und von dem sich selbst andere Genres eine Scheibe abschneiden könnten.

Fazit und Wertung 

ava2 „Alle Mann an Bord des Feel Trains! Mit Silence haben die Hamburger einen würdigen Nachfolger von The Whispered World abgeliefert, der zwar nicht dessen brillanten Humor hat und auch in Sachen Charaktertiefe nicht an den Vorgänger heranreicht, dafür aber mit einer großartigen Story, vielen emotionalen Höhepunkten, einer wundervollen Vertonung und einer beeindruckenden Technik die Messlatte im Genre abermals höher setzt. Die vereinfachte Bedienung und viele frische Gameplay – Ideen tun spürbar gut, allzu viel intellektuellen Anspruch sollte man an die Rätsel aber nicht stellen. Ebenso ist die Spielzeit überraschend gering. Ich hätte noch Stunden in der toll inszenierten Welt verbringen können. Für Kenner des Vorgängers Pflicht, für alle anderen Genrefans definitiv einen Blick wert: Silence ist die Zukunft der Adventures. Ein dickes Lob nach Hamburg. Und nicht vergessen, die Einladung zum Kaffee steht!“

PRO:

+ Wunderschönes Setting
+ Toll inszenierte, atmosphärische Schauplätze
+ Toll erzählte Geschichte um Geschwisterliebe 
+ Zuckersüße Raupe Spot
+ Wiedersehen mit bekannten Charakteren
+ Exzellente Sprecher
+ Hervorragende Musikuntermalung
+ Viele frische Gameplay – Ideen
+ Optionales Hilfesystem
+ Achievements laden zum Wiederspielen und Entdecken ein
+ Einfache Bedienung

CONTRA:

– Recht kurz
– Kaum fordernd
– Erreicht in Sachen Charaktertiefe und Humor nicht die Qualität des Vorgängers
– Für Einsteiger zu wenige Hintergrundinformationen
– Stellenweise überraschend lange Ladezeiten

                                                  GESAMTWERTUNG:     86%


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