Watch_Dogs 2™ – Von Hackern und Hipstern

                                         Getestet und verfasst von General M

Nein, was war das Entsetzen seinerzeit gewaltig: Der erste Teil von Watch_Dogs versprach bei seinem E3 – Debut ein technisches Feuerwerk mit gewaltigen spielerischen Freiheiten und spannendem Konzept zu werden. Obwohl der erzählerische Ansatz frisch war, konnte der Titel bei Erscheinen dann aber kaum jemanden richtig vom Hocker reißen. Die Technik wurde aufgrund der Limitierungen der aktuellen Konsolengeneration stark zurückgefahren und Protagnist Aidan Pearce konnte kaum Sympathien abringen. Teil 2 soll jetzt mit frischem Setting, einer besseren Story und vielen neuen Ideen alles besser machen. Gelingt das auch? Wir haben uns für euch in San Francisco ausgetobt.

Zwischen Kontrolle und Chaos

Wir schlüpfen in Teil 2 in die Haut von Marcus Holloway. Der begabte Hacker und Hitzkopf kämpft gegen das kürzlich überall in Amerika von der Blume Corporation eingeführte cTos 2.0, welches sämtliche Geräte und Systeme miteinander vernetzt und so das Ausspionieren, die Manipulation und Kontrolle sämtlicher Bürger ermöglicht, alles unter dem Deckmantel von Sicherheit und Schutz. Wem es mal eben gelingt, sein cTos – Profil im Lokalquartier von Blume zu löschen, scheint ein idealer Kandidat für DedSec zu sein, eine Hackergruppe, die aus dem Untergrund agierend den mächtigen Konzern zu Fall bringen will. Kurzerhand wird Marcus rekrutiert und nimmt gemeinsam mit der neuen Crew den Kampf gegen das System auf. 

WatchDogs2 2016 11 29 15 43 01 611
                     Der 3D – Drucker bietet allerhand Waffen und Gadgets zur Auswahl

Klingt nach wenig Story? Ist es auch. Sehr viel mehr Handlung hat Watch_Dogs 2 nämlich nicht zu bieten. Erzählerische Höhepunkte sucht man im Rahmen der Kampagne vergeblich. Das liegt zum einen daran, dass ein modernes Setting nicht immer auch erzählerische Innovation bedeuten muss, zum anderen aber auch an den erschreckend blassen, oberflächlich gezeichneten und stereotypischen Charakteren. Die durch die Bahn ausgeflippt dargestellten Charaktere, die vom Punk bis zum aus unerfindlichen Gründen maskierten Autisten alle Klischees erfüllen, die man sich ausdenken kann, hätten sicher Potenzial geboten, wenn man nur daran gedacht hätte, ihnen auch Persönlichkeit und Background zu verleihen. Zu keinem Zeitpunkt wird die Motivation der Verbündeten deutlich. Man fragt nach dem Warum und Wieso, wird dahingehend aber völlig im Regen stehen gelassen. Auch ist kaum nachvollziehbar, wie die einzelnen Verbündeten den Weg zu DedSec gefunden haben, was sie motiviert und antreibt. Im Verlauf Handlung begegnet man immer wieder Charakteren, die Marcus kennen. Woher wird allerdings auch nie geklärt. Und dann ist da noch der ominöse Bösewicht, der kaum in Erscheinung tritt und der trotz seiner Möglichkeiten und Machtbefugnissen seltsamerweise kaum etwas aufbietet, um DedSec aufzuhalten, was theoretisch ein leichtes Unterfangen wäre, die Handlung dann aber nach gut 45 Minuten zu einem schnellen Ende führen würde, was natürlich nicht sein darf. 

watch dogs 2 5
                       San Francisco wurde liebevoll in Szene gesetzt und ist voller Leben.

Ohnehin scheint UbiSoft wenig Sorgfalt bei der Ausgestaltung zahlreicher Aspekte walten gelassen zu haben. Das Missionsdesign, welches sich aus Haupt- und Nebenmissionen zusammensetzt, schwankt qualitativ enorm. Während die Nebenmissionen recht zügig nebenbei abgefrühstückt werden, erstecken sich die Hauptmissionen oft über mehrere Teile, scheitern dabei aber grandios darin, die ohnehin schon dünne Geschichte spannend voranzubringen. Gute Ansätze wurden konsequent dahingehend in den Sand gesetzt, dass deren Umsetzung in repetivem Gameplay endet, dass man auf diese und jene Weise schon in zig anderen Spielen gesehen hat. Watch_Dogs 2 bietet auf dem Papier viel Potenzial, scheitert aber an der lustlosen Umsetzung und der glitzendern Oberfläche, unter der sich sehr viel Leere befindet.

Besser, aber nicht perfekt, verhält es sich mit der Spielumgebung. Die Entwickler haben sichtlich viel Mühe aufgebracht, das heutige San Francisco mit all seinen Attraktionen und Schauplätzen detailliert in virtueller Form zum Leben zu erwecken. Ob die berühmte Brücke oder die Straßenbahn, das realistisch bevölkerte Städtchen kann sich sehen lassen und bietet eine Menge zum Entdecken. Ganz beiläufig wird man oftmals Zeuge kleinerer Geschichten unter Passanten, von Autounfällen und seltsamen alten Ladys, die Spaß am photobomben haben. Auch der Fuhrpark kann durch Umfang überzeugen, allerdings steuern sich die meisten Fahrzeuge extrem arcadelastig und unterscheiden sich in ihrem Fahrverhalten abgesehen von besonders großen Boliden gar nicht voneinander. Wenn Abends die Sonne am Hafen untergeht und hin und wieder der berühmte Nebel von San Francisco durch die Bucht zieht, ist das durchaus ein Genuss für die Augen.

Hacken: Die pure Gönnung 

Marcus ist neben seinen Parcours – Fähigkeiten, die ihn wunderbar über Stock und Stein tragen, vorallem eines: Ein begnadeter Hacker. Mit seinem Smartphone und anderen unterhaltsamen Gimmicks legt er auf Wunsch Systeme lahm, öffnet Türen und manipuliert vom Verkehr bis zu den NPC’s sind nahezu sämtliche Elemente des Spiels. Im Vorbeifahren anderen Fahrern Geld stehlen? No Problemo. Ampelsysteme ausschalten und für Verkehrschaos sorgen? Kann er auch. Tatsächlich macht das Hacken in Teil 2 wesentlich mehr Spaß als im Vorgänger, da teilweise auch immer abstruse Komik aus den jeweiligen Situationen entstehen kann. Für den Ausbau bekannter und das Erlernen neuer Fähigkeiten dienen Forschungspunkte. Die können durch Follower erlangt werden, deren Anzahl nach abgeschlossenen Missionen oder anderen Dingen steigt und der Gruppe von DedSec somit die Datenmengen zur Verfügung stellt, die sie für den Fall von Blume benötigt, oder aber durch zahlreiche andere Möglichkeiten auf der geräumigen Weltkarte. Insgesamt stehen sieben Talentbäume bereit, die wie im Vorgänger auch die Effizienz von Hackangriffen steigern, Marcus Kampf- und Schießfähigkeiten stärken oder sogar ganz neue Möglichkeiten des Hackens ermöglichen. So hatte ich beispielsweise besonderen Spaß daran, einen unbescholtenen Wachmann als Gangveräter zu brandmarken und dann verborgen darauf zu warten, dass irgendwann ein Killer anrollt, um den potenziellen Verräter aus dem Weg zu räumen. Natürlich können wir auch mit eigenen Waffen und sogar Drohnen ins Gefecht ziehen – Der 3D – Drucker macht es möglich!

WD2 SC8 GC COOP Car Hack 264695
                      Nahezu alles kann gehackt werden. Hier zu sehen im Ko-Op – Modus.

Zwischen den Missionen kann man sich frei in der ganzen Stadt austoben, Geld verdienen und seine Reputation weiter steigern. Es warten Bootsrennen, Gelegenheitsjobs und Co. Das klingt zwar erstmal nach vielen Beschäftigungsmöglichkeiten, ist aber in der Realität nicht viel mehr als eine Handvoll unterschiedlicher Events, die immer wieder gleich oder zumindest ähnlich verlaufen. Konkurrent GTA V bietet da weitaus mehr Abwechslung. Auch fällt hier negativ ins Gewicht, dass durch künstliche Grenzen viel Limitierung in Sachen Bewegungsfreiheit gegeben ist. Wer sich zu weit aus der Stadt rauswagt, wird durch einen Countdown aufgefordert, wieder ins Gebiet zurückzukehren. Anderenfalls droht das Game Over. Gerade in Open World – Spielen eigentlich ein Tabu. 

Konsole gegen PC: Die Technik im Check

UbiSoft hat sich in der Vergangenheit nicht gerade als zuverlässiger Publisher qualitativ hochwertiger PC – Portierungen erwiesen. Viele Titel mussten erst über längere Zeit mit Patches richtig spielbar gemacht werden, andere Titel warten heute noch vergeblich darauf, entsprechende Verbesserungen spendiert zu bekommen. Bei Watch_Dogs 2 ist die Sorge allerdings ausnahmsweise unbegründet. Die Franzosen liefern eine durch die Bahn saubere PC – Fassung ab, die mit entsprechender Hardware den Konsolenfassungen in nahezu allen Belangen deutlich überlegen ist. Während die Fassungen für PlayStation 4 und XBOX One bei 30 Bildern pro Sekunde laufen, aber dort gerade bei schnellem Verkehrstempo in Sachen Bildraten gerne mal einbrechen, bietet die PS4 Pro zwar entweder 60 Frames bei gleichbleibender Konsolenqualität, oder ein Upscaling auf 4K bei wieder 30 Frames, hat dann aber noch mehr mit Einbrüchen und anderen Problemen zu kämpfen. Gerade in Sachen Schattenqualität, Bildschärfe, Weitsicht und Kantenglättung hat der PC gnadenlos die Nase vorn und bietet dank nVidia – Gameworks und zahlreichen Optionen auf maximalen Settings ein detailliertes und hübsches San Francisco, dass selbst High End – Rechner in die Knie zwingt. Für sehr hohe Einstellungen genügt bereits eine Geforce GTX 970 oder ein gleichwertiges AMD – Pendant, um in Full HD ein ruckelfreies Bild zu gewährleisten. Für Auflösungen ab 2K und maximalen Settings ist fast schon zwingen eine GTX 1080 nötig, die aber spätestens bei 4K ohne SLI – Verbund den Geist aufgibt, besonders wenn man zusätzlich noch das kostenlose, als DLC erhältliche Ultra Texture Pack installiert.

Watch Dogs 2 Screenshots E3 4 pc games
                                 Sämtliche Charaktere bleiben oberflächlich und blass. 

Um Ressourcen zu sparen, bietet Watch_Dogs 2 das aus Quantum Break bekannte Temporäre Filtern des Bildes an. Das bedeutet, ein niedrig aufgelöstes Bild wird hochskaliert und mit Multi Sampling Anti Aliasing wieder ausgegeben. Das bringt zwar einen dicken Performanceschub, geht aber auf Kosten von Bildschärfe und allgemeinen Details. Im Verlauf des Tests hat sich dieser Modus jedoch als zuverlässig und sinnvoll erwiesen. Zudem ist das Spiel bisher nicht einmal abgestürzt oder groß durch irgendwelche Bugs aufgefallen, auch hier ein Lob an die technische Umsetzung. Lediglich störend ist die Vegetationsqualität. Diese kann zwar im Stillstand oder zu Fuß überzeugen, bei schnelleren Bewegungen entwickelt sie allerdings deutlich sichtbares Kantenflimmern, dem man nur mit nVidias exklusivem TXAA begegnen kann, was weitere Performance frisst. Dennoch gilt: Dank der zahlreichen Möglichkeiten lässt sich Watch_Dogs 2 prima konfigurieren und sieht auch auf mittleren Einstellungen (entspricht etwa dem Konsolenstand) noch sehr passabel aus. Damit eignet es sich auch für etwas ältere, keineswegs jedoch für alte Hardware.

Watch Dogs 2 1024x581 abed750d18e48b23
        Auch die Konsolenfassungen sehen gut aus, ragen aber nicht an die PC – Version heran. 

In Sachen Atmosphäre punktet das Spiel mit einem grandios lizensierten Soundtrack und einem breiten Arsenal an Kleidung. Die Deutschen Sprecher klingen zwar zumeist professionell, übertreiben aber auch ganz gerne mal und wirken so stellenweise etwas „überdreht“. Da hat UbiSoft in der Vergangenheit besser vertont, nehmen wir als Beispiel Assassin’s Creed und Splinter Cell. Zu guter letzt bleiben zwei Dinge erwähnenswert. Die gelungene Bedienung, die sowohl mit Gamepad als auch mit Maus/Tastatur gut von der Hand geht, auch wenn gerade das Gamepad mit vielen verschiedenen Funktionen klarkommen muss. Und der Multiplayer – Modus, der bisher noch nicht lauffähig ist und daher vorerst nicht verfügbar ist. Hier kann man sich später auf aus Teil 1 bekannte Modi freuen, wie die Invasionen von Hackern oder Ko-Op – Aufträge. Viel Neues sollte man hier auch nicht erwarten dürfen, daher entscheide ich mich, hier dennoch eine Wertung zu vergeben.

Fazit und Wertung

ava2 „Im Kern ist Watch_Dogs 2 tatsächlich in vierlerlei Hinsicht besser als sein durchwachsener Vorgänger, leistet sich aber trotzdem genügend Schnitzer, um sagen zu müssen, dass die Reihe noch einen langen Weg vor sich hat, sofern man sich denn für weitere Fortsetzungen entscheidet (Die Verkaufszahlen sind bisher eher schleppend). Das Setting überzeugt, dafür mangelt es der Story an Tiefe und Substanz, bedient dafür aber alle möglichen Klischees und bietet auf der guten und bösen Seite ideenlose, blasse Charaktere, die fast sogar das Niveau von Need for Speed unterbieten. Auch das Missionsdesign ist eher suboptimal, ferner bietet die Spielwelt künstliche Limitierungen, eher belanglose Nebenmissionen und vieles mehr. Muss man die Vorteile mit den Nachteilen aufwiegen. Die Nachteile überwiegen leider. UbiSoft hat unter’m Strich eine Menge Potenzial verschenkt. Unterhaltsam ist das Hacken jedoch allemal, wenngleich auch nicht in dem Umfang, den man sich gewünscht hat.“

PRO:

+ Liebevoll umgesetztes San Francisco
+ Stellenweise beeindruckende Szenerie
+ Hacken macht mehr Spaß als im Vorgänger…
+ …und fügt sich prima ins Geschehen ein
+ Exzellenter Soundtrack mit vielen Lizenztiteln und Genres
+ Verzichtet weitestgehend auf UbiSofts bekannte Open World – Formel
+ Gute Bedienung
+ Solider Umfang
+ Überraschend saubere PC – Portierung
+ Zahlreiche Konfigurationsmöglichkeiten (PC)

CONTRA:

– Belanglose Story ohne Tiefgang
– Blasse, klischeebehaftete Charaktere
– Gesichtsloser, unglaubwürdiger Bösewicht
– Zusammenhänge bleiben nahezu immer im Dunkeln
– Missionsdesign schwankt qualitativ stark
– Gute Ansätze oft mies umgesetzt
– Stellenweise sehr repetiv
– Künstlich gesetzte Grenzen
– Wenig abwechslungsreiche Nebenbeschäftigungen
– Eher belanglose Nebenmissionen
– Arcadelastige Fahrzeugsteuerung, die nahezu immer gleich ist
– Schwankende Sprecherqualität
– Sehr hardwarehungrig (PC)
– Konsolen leiden unter Bildrateneinbrüchen 
– Multiplayer momentan nicht funktionierend

                                                GESAMTWERTUNG:     71%

 Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
 
©2016 Wrestling-Point.de/M-Review