Pokémon Sonne/Mond im Test: Aloha Alola!


                                    Getestet und verfasst von General M und Xenoris

Im Leben des freiberuflichen Videospieljournalisten (so nennt man das, was ich hier mache, da es sozial kompatibler klingt als „Wird für’s Zocken bezahlt“) gibt es immer mal wieder besondere Highlights. Zum einen ist dies das erste Nintendo – Spiel, welches auf M-Reviews getestet wird, zum anderen ist es das erste Pokémon – Spiel, für welches ich je einen Bericht verfasst habe. Zu guter letzt verbinde ich mit der Reihe gewohnt gewichtige Erinnerungen. Der kleine General hatte seinerzeit nämlich einige Probleme damit, bei seinen Klassenkameraden Anschluss zu finden (nachzulesen in meiner offiziellen Biographie „22* – Mit dem Kopf auf Pilgerfahrt“ – Kein Scheiß, die gibt es wirklich, schaut auf Amazon nach!). Da schwappte plötzlich der Pokemón – Hype auf den Schulhof über. Das muss in der fünften oder sechsten Klasse gewesen sein. Die kleinen, damals noch auf 151 Monster beschränkten Editionen Rot und Blau samt Spieleberater brachten die Gameboys zum Glühen und verbanden Spieler nicht nur per Link – Kabel zu Tausch- und Entwicklungszwecken, sondern auch im gemeinsamen Bestreben, den Pokédex zu vervollständigen und alle Arenaleiter zu besiegen. 

158bb81d06f0f9ae27e092f428a21fbaDie zugehörige Trickserie lief immer um circa Vierzehnhundert auf RTL II. Je nachdem, wie lange man Unterricht hatte, musste man also manchmal einen kleinen Sprint hinlegen, um die aktuelle Folge nicht zu verpassen. Zum Glückt wohnte ich nahe bei der Schule. Vielleicht habe ich nie DIE Leidenschaft für die Reihe entwickelt, die manch anderen gepackt hat und noch heute hält. Aber auch ich konnte nicht vom Gameboy lassen, ehe mein Pokédex gefüllt war. Dabei halfen mir Klassenkameraden und ein kleiner Trick, mit dem man seine Sonderbonbons duplizieren konnte. Nach Rot und Blau folgte Gelb, in denen einen erstmals ein sprechendes Pikachu begleitete. Dann kamen Gold und Silber, mit neuer Region und 100 neuen Monstern. Nach Gold und Silber kam Kristall…und da habe ich irgendwann mit dem Zählen aufgehört. Vielleicht war ich mittlerweile gefühlt zu alt dafür, vielleicht lag es aber auch daran, dass alle folgenden Titel meinen alten Gameboy nicht mehr unterstützten. Bis heute gab es zahlreiche Fortsetzungen und Spin – Off’s und man kann durchaus sagen, dass die Biester den Spielemarkt revolutioniert haben. Alleine Pokémon Stadium war mit seinen Transfer Paks für das N64 ein Highlight und wer ein Exemplar besaß, war natürlich offizieller King of Kotelett. 

Heute, knapp 15 Jahre nach dem ersten Spiel (der roten Edition), kehre ich zurück in die Welt der Pokémon. Zwischenzeitlich hat sich die Reihe so sehr weiterentwickelt, dass ich anfangs dachte, den Anschluss verloren zu haben und völlig überfordert zu sein. Dem ist allerdings nicht so. Die neuen Editionen Sonne und Mond eigenen sich für Einsteiger ebenso wie für Wiederkehrer und Profis. 

Paralleluniversen und die üblichen Verdächtigen

Neulich hatte ich bei einer Runde Cards against Humanity ein Gespräch mit Xenoris, dem einzig wahren Pokémeister der Bavaria – Region. Ich fragte ihn, wieso es eigentlich nicht möglich ist, in neuen Spielen alte Regionen zu besuchen. Er sagte mir, dass das Prinzip darin besteht, dass jedes Spiel quasi ein neues Paralleluniversum erschafft. Dann werden zwar alle bisher bekannten Pokémon (bis zum Start der aktuellen Generation ganze 721) übernommen, die Geschichte selbst startet allerdings wieder von vorne. Die Sache mit den verschiedenen Universen wurden in den Teile X und Y behandelt und ich war überrascht, dass es tatsächlich auch storylastigere Ableger gibt. Aber das nur als Basiswissen. Ich muss mich ja schließlich auch erst wieder einfinden. 

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                      Die Kämpfe haben sich seit der ersten Generation merklich verändert. 

In Sonne und Mond schlüpft man wie gewohnt in die Haut eines jungen Trainers im besten Teenie – Alter. Der ist gerade mit seiner Mutter von Kanto hergezogen. Während sich Meschen der Gegenwart mit Sackhaaren, Akne und der ersten Menstruation plagen (je nach Geschlecht verschieden), gibt es in der Welt der Pokémon nur eine Beschäftigung: Den Kontinent bereisen, den Pokédex komplettieren und Arenameister werden. Die Alola – Region, auf der Sonne und Mond spielen, bricht hier ein bisschen mit alten Konventionen. Zwar gibt es Arenen, diese werden allerdings noch gebaut und sind zufälligerweise erst zum Ende des Spiels fertig. Dafür gibt es auf Alola den Brauch der Inselwanderschaft. Also schnappen wir uns unser erstes Pokémon und erledigen im Laufe des Spiels verschiedene Prüfungen, die uns dem Ziel der absoluten Überlegenheit näherbringen. Dabei gerät der Spieler jedoch immer wieder in Konflikt mit Team Skull, einer Bande (sprachlich überraschend realistisch umgesetzter) Jugendlicher, die natürlich nichts Gutes im Sinn führt. Und auch die geheimnisvolle Aether Foundation, die sich eigentlich für den Schutz der Monster einsetzt, ist nicht ganz das, was sie vorgibt zu sein.

Neuerungen

1019px Sugimori 051aAlola hebt die Anzahl der Pokémon auf 801 an. Das bedeutet, ganze 80 neue Monster haben den Weg ins Spiel gefunden, neue Typen gibt es allerdings nicht. Dafür hat man einige alteingesessene Kreaturen überarbeitet und ihnen eine neue „Alola – Form“ beschert, die Fans wohl entweder freut oder zur Abscheu anregt. Dies beschränkt sich allerdings nur auf wenige Pokémon der ersten Generation. 

Als Starter kann man von Professor Kukui (dem Professor Eich der Alola – Region) wie gewohnt zwischen drei Pokémon wählen. Das Flug-/Pflanzenpokémon Bauz, Feuerkätzchen Flamiau und der Wasserrobbe Robball.

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Dann startet auch schon das Abenteuer. Dank des neuen Rotom – Pokédex verlieren wir unser aktuelles Ziel zum Glück nie aus den Augen, sondern bekommen immer angezeigt, in welche Richtung wir uns für die nächste Aufgabe bewegen müssen. Das hilft gerade hoffnungslos überforderten Newbies schnell, sich in Alola zurechtzufinden. Auch in den Kämpfen wird Unterstützung geboten, da man immer angezeigt bekommt, welche Attacken gegen einen bestimmen Typ effektiv sind und welche eher weniger. Neu sind außerdem die Z-Kristalle. Diese ersetzen die bisherigen Hyperformen aus der Vorgänger – Generation und bewirken beim Einsatz einmalig pro Kampf verwendbare Ultimate – Attacken. Das Supertraining fällt komplett raus, dafür gibt es nun mit dem Ressort eine neue und einfachere Möglichkeit, Fleißpunkte zu verteilen. All das hilft Einsteigern, aber auch Profis werden vor Herausforderungen gestellt. Ohne den Einsatz des berühmtem EP – Teilers ist man nämlich schnell unterlegen. Dann können selbst einfache Trainer auf der Straße zu einer ernsten Gefahr werden. Wie man das Spiel letztendlich spielt, bleibt jedem selbst überlassen. Zum Glück sorgt der Teiler auch nur für einen fairen Angleich, keinesfalls jedoch für Überlegenheit. 

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                       Lunala ist das nur der Mond – Edition vorbehaltene Legendary.

Doch worin liegen genau die Unterschiede zwischen Sonne und Mond? Wichtigster Unterschied besteht in der Spielzeit. Während sich Sonne exakt an der realen Tageszeit des Spielers orientiert, spielt Mond immer 12 Stunden versetzt. Wer tagsüber spielt, sitzt in Mond also im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Natürlich gibt es auch wieder Pokémon, die nur in den jeweiligen Editionen angetroffen werden können, darunter jeweils ein neues Legendary. Wer seinen Pokédex also komplettieren möchte, benötigt entweder beide Editionen, einen Freund zum Tauschen oder wenigstens einen willigen Online – Anonymous aus der Freundesliste. Heutzutage ist das so viel einfacher als früher, wo man noch mit System Link im selben Raum sitzen musste. Apropos Online, natürlich darf man sich abseits vom Tausch auch wieder mit Spielern aus der ganzen Welt im Duell messen, oder sich an den neuen Festivalmissionen messen. Diese bestehen aus jeweils einer Wochenchallenge, der jeder Spieler weltweit mit seinen Aktionen zuarbeiten kann, beispielsweise das Fangen von insgesamt 1 Million Pokémon. Natürlich gibt es bei Erfolg Belohnungen. 

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           Gefahren und Gelegenheiten lauern überall – selbst in der etwas kargen Ödnis.

Je nach Spielweise beträgt der Umfang des Spiels zwischen 24 und 30 Stunden, was im Vergleich zu den Vorgängern etwas weniger ist als gewohnt. Das mag daran liegen, dass sich die eher simple Handlung sehr zielstrebig spielt und dabei auf lange Laufwege verzichtet. Für den empfohlenen Preis von knapp 40€ pro Edition wird aber dennoch einiges geboten. Da kann man absolut nicht meckern. Tatsächlich bieten Sonne und Mond gewohntes Gameplay mit vielen interessanten Neuerungen, welche die Reihe sinnvoll verbessern und dem an sich nicht zeitlosen Gameplay frischen Schwung verleihen. Wo andere Entwickler gerne für marginalste Updates Vollpreise verlangen, bleibt die Saga auch 2016 noch unterhaltsam und überzeugt dank guter Ideen und wertvollen Verbesserungen. Der Kern des Spiels, das Fangen und Leveln von Pokémon, bleibt dabei toll erhalten und macht selbst Kennern der ersten Generation Spaß. 

Die Technik

Gemessen an der Technik des nicht mehr ganz aktuellen 3DS holen Sonne und Mond alles aus dem kleinen Kasten raus. Das merkt man allerdings auch hin und wieder in Form von leichten Einbrüchen der Bildrate. Gerade in Kämpfen mit mehreren Pokémon gibt es immer mal störende Ruckler und Slowdowns. Dazwischen erwartet einen aber eine abwechslungsreiche, gut strukturiere und bunte Welt, die sich in Punkto Charme angenehm von den bisherigen Regionen abhebt. Die Städte sind angemessen belebt, es herrscht Verkehr und Alltagstrubel. All das gilt es aus der mittlerweile zum Standard avancierten isometrischen Perspektive zu erkunden. Natürlich darf man sich hier keinen Vergleich mit anderen Systemen erlauben. Die VITA ist tot und Heimkonsolen setzen natürlich ganz andere Standards. Daher wird den Handhelds von Nintendo ein ganz eigenes Ressort zuteil, auf dem es ein Alleinstellungsmerkmal hat, dem es an Vergleichen mangelt. Der 3D – Effekt, ob nun 3DS oder New 3DS, kommt allerdings so gut wie gar nicht zu Geltung und kann guten Gewissens gänzlich abgeschaltet werden. So haben allerdings auch Besitzer eines 2DS keinerlei Nachteile im Spiel, sondern erleben exakt die gleiche Erfahrung. Bei den Animationen der Attacken hat man einige neue Effekte eingefügt und auch die NPC’s sehen nochmal ein gutes Stück besser aus als in den Vorgängern. Sehr viel mehr ist technisch einfach nicht mehr möglich.

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                                 In den belebten Städten gibt es einiges zu entdecken.

Die Musik kann sich wie gewohnt hören lassen und fügt sich perfekt in bekannte Serienklänge ein. Da gibt es gar nichts zu meckern. Auf eine Sprachausgabe muss man allerdings weiterhin verzichten, sämtliche Dialoge kommen in Textform daher, überzeugen allerdings hierzulande durch eine absolut gelungene Lokalisierung. Zu guter letzt ist auch die Bedienung gelungen und bietet Kennern ebenso wenig Neues, wie es Einsteigern Probleme bereitet. 

Fazit und Wertung

ava2 „Es ist durchaus beeindruckend, dass sich die Reihe nun schon seit so langer Zeit konstant oben hält, immerhin länger als mein halbes Leben. Das liegt aber besonders an der konsequenten und sinnvollen Weiterentwicklung, den neuen Pokémon und den Möglichkeiten der Multiversen. Sonne und Mond bleiben diesem Kredo treu und bieten sowohl für Profis als auch für Erstspieler eine zugängliche und hübsche Alola – Region, die vieles anders macht als die Vorgänger, dabei aber den Kernprinzipien der Reihe absolut treu bleiben. Plötzlich fühle ich mich wieder wie ein Teenager, der auf dem Schulhof steht und es kaum erwarten kann, seinen Klassenkameraden von den frisch gefangenen Monster zu erzählen. Dieses zeitlose Gefühl zeichnet die Reihe aus und begeistert mich in Sachen Gameplay auch heute, mit fast 29 Jahren, immer noch.“

PRO:

+ Stimmiger, abwechslungsreicher Alola – Kontinent
+ Schöne Areale 
+ Viel zu entdecken
+ 80 neue Pokémon
+ Überarbeitete Generation 1 – Designs
+ Hübsch inszenierte Kämpfe
+ Viele sinnvolle Neuerungen
+ Verbesserte Animationen und Effekte
+ Bietet für Einsteiger und Profis angemessene Erfahrungen
+ Guter Umfang
+ Rotom – Pokédex hilft bei der Wegfindung
+ Gelungene Bösewichte
+ Z – Fähigkeiten fügen sich hervorragend ins Gameplay ein
+ Bleibt seinen Wurzeln zeitlos treu
+ Gelungene musikalische Untermalung
+ Online – Challenges und Duelle
+ Hervorragendes Balancing
+ Individualisierung des Charakters
+ Eingängige Bedienung
+ Gutes Preisleistungsverhältnis

CONTRA:

– Framerateeinbrüche bei Kämpfen gegen mehrere Pokémon
– Im Vergleich zum Vorgänger schwächere Story
– Städte zum Teil sehr ähnlich
– Selten fordernd

                                                GESAMTWERTUNG:     91%

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©2016 Wrestling-Point.de/M-Review

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