Thimbleweed Park™ – Eine Reise zurück zu den Wurzeln

                                        Getestet und verfasst von General M

Gamer, besonders die älteren Exemplare unter euch, werden den Namen Ron Gilbert vielleicht schon gehört haben. Der Amerikaner gilt immerhin als Schöpfer von Monkey Island sowie Maniac Mansion und hat damit das Genre des Point & Click – Adventures seinerzeit nahezu im Alleingang revolutioniert. Die verrückten, aber liebenswerten Charaktere, der grandiose Humor und ein tolles Setting machen die Reihen bis Heute zu einem von vielen zeitlosen Klassikern, die in der Spieleschmide LucasGames seinerzeit entstanden sind. Zwar hat Disney den Laden schon längst dichtgemacht und die besten Adventures stammen mittlerweile hauptsächlich aus Deutschland, aber Ron Gilbert dachte sich: „Ich mache nochmal sowas.“ Gesagt, getan: Per Kickstarter äußerst erfolgreich finanziert entstand „Thimbleweed Park“. Ein klassisches Adventure in klassischer Pixelgrafik. Wir haben den Titel für euch getestet.

Von Kissen, Röhren und Tod…

In den späten Achtziger Jahren wird eine Leiche unter der Brücke des Provinznests Thimbleweed Park gefunden. Der Sheriff, welcher eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem ansässigen Pathologen sowie dem Hotelmanager hat (was aber lediglich an der Augenpartie liegt), scheint nicht gerade viel Engagement bei der Aufklärung des Falls zu zeigen. Kurzerhand tauchen zwei Agenten auf der Bildfläche auf, um sich der Sache anzunehmen. Jungspund Reyes und die abgebrühte Agent Ray können dabei kaum unterschiedlicher sein, sind dabei aber nur zwei von insgesamt fünf steuerbaren Charakteren. Die Stadt wirkt seit dem kürzlich erfolgten Ableben des lokalen Kissenmagnaten Chuck beinahe wie ausgestorben. Jener Chuck hat die Stadt nicht nur nahezu vollständig automatisiert, er hatte auch ganz andere Probleme. Denen geht später Enkelin Delores auf den Grund. Die sollte die Fabrik erben, wollte aber lieber Videospiele programmieren (das kann man doch verstehen, oder?). Und dann ist da noch Delores Vater Franklin, der die Kissenfabrik in eine Spielzeugfabrik umbauen wollte und dafür mit dem Leben bezahlt hat. Zum Glück haben Geister besondere Fähigkeiten. Zu guter letzt ist da noch Ransome, der fluchende Clown. Der hat einst eine Zigeunerin beleidigt und kann seitdem weder die Stadt verlassen, noch sein Make Up ablegen. Diese fünf Charaktere könnten also unterschiedlicher nicht sein, stecken am Ende aber doch allesamt in der selben Geschichte drin. 

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           Die Ermittlungen dulden keinen Aufschub. Die Leiche beginnt bereits zu verpixeln.

Bei all den verrückten Charakteren ist es aber nahezu unmöglich, diese im Rahmen der recht kurzen Spielzeit allesamt angemessen zur Entfaltung zu bringen. Hinzu kommt ein absurd umständliches, mit der Zeit immer nerviger werdenes System zum Itemtausch. Charaktere, die sich eigentlich gar nicht kennen, tauschen wortlos Gegenstände aus und gehen dann wieder ihrer Wege. Clown Ransome händigt Ray einfach so eine blutige Brieftasche aus? Sinnfrei. Und was handlungstechnisch als spannender Krimi beginnt, der sich zahllosen Anleihen aus Twin Peaks und Co. bedient, entfaltet sich zu einer immer seltsameren Geschichte mit einem furchtbar unbefriedigenden Finale. Man könnte fast annehmen, das Spiel stammt von David Gage. Es hätte dem Spiel weitaus besser zugetan, wenn es die einzelnen Abschnitte gezielt auf einen bestimmten Charakter fokussiert hätte. So stehen vier von fünf Spielfiguren meistens einfach nur in der Gegend herum, nachdem sie ihre Tascheninhalte an den übrigen Charakter übergeben haben und warten dann auf den nächsten Spezialeinsatz. Sinnfrei, die Zweite.

ThimbleweedPark 2017 03 31 19 14 08 483     Es gibt zahlreiche Anleihen auf die Spiele der Achtziger Jahre. Der Humor funktioniert. 

Während das Spiel mich handlungstechnisch und in Sachen Gameplay kaum überzeugen konnte, hat mich der klassische Ron Gilbert – Humor beeindruckt. Selbst so viele Jahre nach Monkey Island beweist Gilbert, dass er einen immer noch einzigartigen Witz besitzt. Da bleibt auch die eigene Arbeit nicht verschont. Für Kinder der Achtziger wird einiges an Anspielungen geboten, was ältere Generationen kaum verstehen werden. Sei es ein Supermarktangestellter, der voller Begeisterung auf Betamax setzt, weil er der Ansicht ist, dass die VHS – Kassette sich niemals durchsetzen wird, oder aber Gilberts ehemaliger Arbeitgeber LucasGames, hier bekommt jeder Trend sein Fett weg. Oft durchbrechen die Charaktere auch die vierte Dimension. So stellt ein Charakter fest, dass es an einem Punkt nicht weitergeht, weil die Grafik dort einfach aufhört. Zugegeben, es ist ein spezieller Humor für eine spezielle Generation und sicher werden nicht wenige keine Ahnung haben, worauf sich all das bezieht. Aber Thimbleweed Park wurde eben für jene Generation geschaffen, die seinerzeit beim ersten Monkey Island oder Maniac Mansion vor einem kleinen Bildschirm hockte und sich dabei köstlich amüsierte. 

Rätsel wie damals bei Mutter

Natürlich kommt kein Adventure ohne gut designte Rätsel aus. Na, zumindest die Guten nicht. Hier macht Thimbleweed Park vieles richtig. Die Herausforderungen sind nachvollziehbar und sinnvoll umgesetzt. Wer es anspruchsvoll liebt, bekommt im schweren Modus keine Hilfen, sondern muss zur Lösung einer Aufgabe oft wesentlich mehr Schritte unternehmen, als im einfachen Modus. Jeder Charakter verfügt über eine To Do – Liste der zu erledigenden Aufgaben, weitere Hinweise gibt es nicht. Wer die Adventures der heutigen Zeit schätzt, die einem im Ernstfall detaillierte Lösungshilfen geben, schaut hier ganz schnell in die Röhre. Aber sowas hatten wir früher ja auch nicht. Da ist man notfalls in die Stadt gefahren und hat in Fachzeitschriften nach Lösungen gesucht.

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   Der eigenartige Pathologe/Sheriff/Hotelier ist einer von wenigen spannenden Nebenfiguren.

Technisch setzt das Spiel bewusst auf klassische Pixelgrafik. Das Ergebnis ist ein durchaus atmosphärisches Setting geworden, welches gut zum Gesamtbild passt. Die englischen Sprecher machen ihre Arbeit gut, aber nicht überragend. Eine Deutsche Sprachausgabe gibt es nicht. Dafür hat man sich jedoch die Mühe gemacht, die meisten Hintergründe ins Deutsche zu übersetzen und auch die Deutschen Untertitel sind gelungen. Wer der englischen Sprache mächtig ist, wird jedoch bemerken, dass die Übersetzung oft vom Gesprochenen abweicht. Da wird aus der „Tonight Show“ auch mal „Wetten Dass?!“ und Johnny Carson wird zu Frank Elstern. Hier hätte man dem Konsumenten durchaus etwas mehr Fachwissen zutrauen dürfen, da besagte Übersetzungen eigentlich keinen Sinn ergeben. Schon wieder. Dafür überzeugt der Soundtrack. Und zu guter letzt ist auch die Bedienung so einfach, wie sie aussieht. 

Fazit und Wertung

ava2 „Was als spannender Trip in die Kindheit begann, entwickelte sich mehr und mehr zu einer etwas enttäuschenden Mördersuche. Weder konnte mich das Ende begeistern, noch gelang es mir, den Figuren viel abzugewinnen. Da wurden einfach zu viele Charaktere in zu wenig Raum gepresst. Ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass man sich manche von ihnen ganz hätte ersparen können. Lob gibt es für das Rätseldesign, den speziellen Humor und das allgemeine Art Design. Am Ende bleibt es doch bedauerlich, denn Thimbleweed Park hätte viel Potenzial geboten, ein ganz altes Genre in ganz alter Form neu zu beleben. Das ist Ron Gilbert aber leider nur bedingt gelungen. Nerviger Item – Tausch, viele blasse Nebencharaktere…das kann der Meister viel, viel besser. Dennoch, das muss ich gestehen: Für Nostalgiker fühlt es sich auf wunderbare Weise so an, als käme man nach Jahren der Reise endlich nach Hause.“

PRO:

+ Liebevoll gestaltete Reise in die Nostalgie der Achtziger
+ Atmosphärisches Szenario
+ Viele Anspielungen auf die damalige Popkultur
+ Anständiges Rätseldesign
+ Auswahl zwischen leichtem und schwerem Modus
+ Einfache Bedienung
+ Gute englische Vertonung
+ Passende Musikuntermalung

CONTRA:

– Erzählerische Qualität nimmt immer mehr ab
– Unbefriedigendes Finale
– Weniger Charaktere wären mehr gewesen
– Nerviger Item – Tausch
– Recht kurze Spielzeit
– Deutsche Untertitel nehmen sich zu viele Freiheiten heraus
– Wenige interessante Nebencharaktere

                                                    GESAMTWERTUNG:     76%

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