Sniper: Ghost Warrior™ 3 – „Knapp daneben ist auch vorbei“

                                           Getestet und verfasst von General M

Fragt man heutzutage nach gelungenen Sniper – Games, ist die Antwort wahrscheinlich meistens: „Sniper Elite, ist doch klar“. Viele vergessen dabei jedoch, dass es auch eine Reihe names „Sniper: Ghost Warrior“ gibt. Die existiert bereits seit 2010 und stammt vom polnischen Entwickler CI Games (ehemals City Interactive). Dem Entwicklerstudio hat lange der Ruf angehaftet, hauptsächlich preiswerte Plagiate zu bekannten Serien zu produzieren, ohne dabei auch nie ansatzweise deren Qualität zu erreichen. Die Sniper – Reihe kam ebenfalls nie gut bei der Fachpresse weg, hat sich aber dennoch überraschend gut verkauft und erhält nun einen dritten Teil. Ob die polnische Spieleschmiede damit tatsächlich auf dem Weg zur Besserung ist, oder ob der neueste Teil der Reihe mehr Schein als Sein ist, zeigt unser Test. 

Neuer Held, offene Welt

Tatsächlich schlägt der dritte Teil eine andere Richtung ein als dessen von vielen Spielern als zu linear kritisierten Vorgängern ein. Mit dem Setting des von Unruhen geplagten Georgiens hat man sich nicht nur für ein unverbrauchtes Setting entschieden, sondern präsentiert dieses auch erstmals in Form einer offenen, frei begehbaren Welt. Obwohl der Schritt sicher nachvollziehbar und gleichermaßen sinnvoll erscheinen mag, ist es den Polen nicht gelungen, das Potenzial dieser offenen Welt wirklich auszunutzen. Das liegt besonders an der unbelebten Welt abseits der zahlreichen Außenposten. Klar, ab und an begegnet man mal einem Reh, vielleicht auch einer Patrouille, aber für georgische Wälder, die für gewöhnlich voller einheimischer Tierarten, Pflanzen und Co. sind, ist das einfach viel zu wenig und hat für mich eher Alibi – Charakter. Das schadet auch dem spielerischen Wunsch nach Erkundung aus Eigeninitiative. Dennoch forcieren die meist aus Sammelaufgaben zusammengesetzten Nebenmissionen, sich auch mal abseits der recht ordentlich strukturierten und in Szene gesetzten Hauptmissionen ins Gebüsch zu schlagen. Spaß will bei diesen Aufgaben aber nicht wirklich aufkommen.

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        Der Prolog führt uns gleichermaßen in die Story, aber auch in die Spielmechaniken ein.

Doch worum geht es im dritten Teil überhaupt? Wir schlüpfen in die Rolle  des Elite – Scharfschützen Jon North. Der wird in streng geheimer Mission nach Georgien entsandt, um den dortigen Vorstoß pro-russicher Separatisten aufzuhalten. Wer sich ein bisschen mit Zeitgeschichte befasst, wird um den teilweise realen Hintergrund dieser Story wissen. Für Jon selbst sind aber auch persönliche Motive im Spiel: Er sucht seinen verschollenen Bruder. Was nach klassischer B-Movie – Handlung klingt, birgt durch das spannende Missionsdesign durchaus Potenzial, wenngleich besagte Nebenhandlung um die Brudersuche relativ schnell zur Beiläufigkeit verkommt und sich nicht so recht ins Gesamtbild einfügen mag. 

Silence is golden

Obwohl CI Games nicht viel Zeit darauf vergeudet hat, die offene Welt mit Leben zu füllen, nutzen die Entwickler dennoch die Möglichkeiten weitläufiger Areale, um möglichst viele Herangehensweisen für das Bewältigen einer Mission zu ermöglichen. Natürlich ist Jon in erster Linie Scharfschütze, daher bietet es sich an, die Feinde möglichst lautlos aus großer Distanz zu erledigen. Andererseits ist er auch abseits davon durch und durch Soldat und weiß sich dank Kevlar – Westen und einem ordentlichen Arsenal von Feuerkraft auch im direkten Kampf á la Rambo zu behaupten. Die Vorgehensweise bleibt stets dem Spieler überlassen, was im Grunde positiv zu vermerken ist, andererseits aber auch ein wenig am grundlegenden Genre des Spiels sägt. Ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass jemand, der ein Spiel mit dem Titel „Sniper“ erwirbt, auch wenig anderes als knackige Sniper – Action gegen aufmerksame und starke Gegner erwartet. Leider kommt auch die K.I. nicht ohne Aussetzer daher. Zwar ist sie soweit annehmbar strukturiert und reagiert angemessen auf Sichtungen und Angriffe, hin und wieder sind die Feinde aber auch zu leicht auszutricksen und zu überwältigen. Hinzu kommt, dass die drei vorhandenen Schwierigkeitsgrade nicht sonderlich gut ausbalanciert wirken (ein Problem, an welchem auch die Vorgänger gelitten haben) – auf der leichten Stufe ist das Spiel beinahe zu leicht, ab da jedoch bereits stellenweise etwas zu schwer.

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              Ob man heimlich vorgeht oder einfach alles zerlegt, ist Entscheidungssache.

Um die perfekte Spielweise zu fördern, lassen sich die mit nahezu jeder Aktion verdienten Erfahrungspunkte in drei Talentbäume investieren. Der Sniper – Tree verleiht zum Beispiel ruhigere Hände und einen längeren Fokus, während der Warrior – Tree die Gesundheit erhöht. Die jeweiligen Erfahrungspunkte erhält man entsprechend der Spielweise. Lautloses Vorgehen mit schallgedämpfer Pistole, das Ausschalten von Feinden mit Scharfschützengewehren oder der laute Frontalangriff mit entsicherter Kalaschnikow – die bevorzuge Spielweise bestimmt maßgeblich die Charakterentwicklung. In der gut 25 Stunden umfassenden Kampagne gibt es darüber hinaus massig Aufgaben, die allesamt gute Erfahrungspunkte verleihen. Ein Mehrspielermodus ist übrigens angekündigt worden, wird aber erst später mit einem kostenlosen Update nachgereicht werden. Insgesamt bekommt man hier ein Spiel präsentiert, welches sich durchaus im Vergleich zu seinen Vorgängern abhebt, aber durch viel Inkonsequenz bei der Umsetzung seiner Ideen und darüber hinaus einigen nervigen Bugs trotzdem keine Lorbeeren verdienen kann und allenfalls im spielerischen Durchschnitt eines ambitionierten Budget – Titels verweilt.

Technisch enttäuschend 

Obwohl CI Games bereits seit Jahren als Lizenznehmer der Cry Engine fungiert, welche Titeln wie Crysis und Co. zu erinnerungswerter Schönheit verholfen hat, kränkelt „S:GW 3“ an matschigen Texturen und generischen Effekten. Zwar kann die Beleuchtung überzeugen, wenn sich beispielsweise die Sonne durch die Baumkronen der Tannen bricht, all das ist mittlerweile aber nicht mehr herausragend, sondern bereits seit Jahren Standard. Hinzu kommt, dass die Physik nicht akkurat auf Penetration durch Beschuss reagiert. Ein in den Kopf getroffener Gegner fällt meistens genauso zu Boden, wie ein Feind, dem man mit der AK den Brustkorb durchlöchert. Das wirkt durchaus unfreiwillig komisch und ist nur eine von vielen technischen Unzulänglichkeiten.

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          Mithilfe der Drohne können wir das Vorgehen planen und Ziele im Vorfeld markieren.

Besonders hart trifft es Konsolenspieler. Dort sind Ladezeiten von bis zu fünf Minuten keine Seltenheit. Wer genau hinhört, kann in besagten fünf Minuten ganze 2.5x das Titellied hören. Der Entwickler ist sich diesem Problem bewusst und bezeichnet es sogar als gewollt, um auf Konsolen sauberere Übergänge während des Spiels zu ermöglichen. Die meisten Spieler werden für diesen Hintergedanken wohl kaum Verständnis aufbringen können, zumal das Spiel auf Konsolen dennoch unter FPS – Einbrüchen und Co. zu leiden hat. Auf dem PC sieht die Sache schon besser aus. Die Ladezeiten sind gewaltig kürzer, Kantenglättung, Bildschärfe und Schatten wirken allesamt runder und knackiger und mit entsprechend potenter Hardware hält das Spiel flüssige 60 Frames. Mit satten 40GB Installationsgröße für die knapp 50€ Season Pass – Edition müssen sich Spieler mit schwacher Leitung aber auf lange Wartezeiten einstellen. Ein wirklich zeitgemäßes Spiel ist es aber dennoch nicht, auch hier kommt man grundlegend nicht vom Budget – Spiel – Eindruck weg. Dafür ist der Soundtrack gut inszeniert, die Bedienung geht sowohl mit Gamepad als auch mit Maus und Tastatur gut von der Hand. Abzug gibt es dagegen zu guter letzt für die durchwachsene bis schlechte Deutsche Vertonung. Das raubt zusätzlich Atmosphäre.

Fazit und Wertung 

ava2 „Ja, Ghost Warrior 3 ist definitiv der beste Teil der Serie. Das muss aber auch in dem Kontext betrachtet werden, dass Teil 1 und 2 bereits allenfalls zur Mittelmäßigkeit getaugt haben. Das Konzept der Open World wird nicht ausreichend genutzt, macht die Missionsbewältigung aber ein ganzes Stück flexibler und rettet dank gutem Missionsdesign und Talentbäumen über die Runden. Die Nachteile überwiegen jedoch. Veraltete Grafik, miese Deutsche Sprecher, generische Story, Bugs und K.I. – sowie Logiklücken trüben den Spielspaß gewaltig. Am Ende wirkt das Spiel ein wenig wie das Spätwerk von Steven Seagal. Und das ist nun wirklich kein Kompliment. Sniper – Enthusiasten bleiben lieber bei Sniper Elite 4, puristische Shooter – Fans mit Vorliebe für offene Welten haben aktuell ebenfalls wesentlich bessere, rundere Alternativen zu weitaus geringeren Preisen. Besonders Konsolenspieler werden sich mit einer schlechten Umsetzung herumärgern.“

PRO:

+ Offene Welt, die verschiedene Herangehensweisen an Missionen ermöglicht
+ Scharfschützenmechaniken gut integriert
+ Ein Talentbaum für jede bevorzugte Herangehensweise
+ Unverbrauchtes Setting
+ Solider Umfang
+ Eingängige Bedienung
+ Großes Waffenarsenal für jeden Bedarf
+ Wiederspielwert dank flexibler Taktiken
+ Ausreichendes Tutorial

CONTRA:

– Technisch insgesamt nicht mehr auf aktuellem Stand
– Repetive Nebenmissionen
– Unbelebt wirkende Welt
– K.I. mit Aussetzern
– Extrem lange Ladezeiten und FPS – Einbrüche (Konsolen)
– Belanglose Nebenmissionen
– Lustlose Deutsche Sprecher
– Bugs und Abstürze

– Multiplayer noch nicht ins Spiel integriert

                                                  GESAMTWERTUNG:     57%

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