Marvel vs. Capcom: Infinite – „Bunt, schrill, innovationsarm“

                                             Getestet und verfasst von General M

In den offiziellen „M-Reviews´ Tagen des Sports“ darf auch der Kampfsport nicht fehlen. Na gut, Capoeira und Co. sucht man hier vergeblich, aber schon Russell Crowe hat dereinst jede Art des Kämpfens als Sport definiert. Nachdem der dritte Teil der langlebigen Reihe aus dem Hause CAPCOM erst in diesem Jahr zum kleinen Preis seinen Weg von der Last Generation auf aktuelle Systeme und PC gefunden hat, steht nun mit Infinite ein waschechter Neuzugang in den Startlöchern, welcher gleichermaßen auch als Reboot dienen soll. 

Gefahr Hoch 2 

Schon „Thor: The Dark World“ hat eine Sache klar bewiesen: Konvergenzen jeder Art, also die perfekte Überlappung zweier oder mehrerer Dinge, sind furchtbar böse. Ein solches Ereignis sorgt in Infinite dafür, dass sich Marvel – Schurke Ultron und CAPCOM – Bösewicht Sigma verschmelzen, es entsteht Ultron Sigma. Und der plant natürlich nichts Gutes, im Gegenteil: Mithilfe des Infinity Gems (sollte jeder Comicfan oder wenigstens jeder kennen, der in jüngster Zeit einen Marvel – Film gesehen hat), welcher Raum und Zeit kontrolliert, ist er mehr denn je darauf aus, sämtliches biologisches Leben im Universum auszulöschen. Der lockere Verbund aus Marvel – Ikonen wie Thor, Iron Man und Co. schließt sich mit zahlreichen Figuren aus dem Capcom – Universum wie Mega Man X, Chris Redfield, Chun Li und anderen zusammen und macht sich daran, die restlichen Infinity Gems in ihren Besitz zu bringen. Wie genau es zu besagter Konvergenz kam, wird er später im Lauf der mit 4-5 Stunde kurzen Kampagne geklärt. Befriedigend ist die Gesamtgeschichte trotz Mithilfe eines bekannten Comicbuchautors jedoch nicht. Der Anfang ist stark inszeniert, ebbt dann aber schneller ab, als man „Marvel Cinematic Universe Phase 3“ rufen kann. Schade, wussten die Vorgänger doch alle zu unterhalten. 

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        Das Roster wurde im Vergleich zum Vorgänger um viele geliebte Charaktere entschlankt. 

Ich weiß gar nicht, woran es genau liegt. Kandidaten für das grandiose Scheitern der Narration gibt es jedoch zuhauf. Da wären zum einen die stellenweise an und über die Grenzen der Peinlichkeit hinaus verfassten Oneliner. Injustice 2 hat diesbezüglich auch keine goldenen Eier gelegt, aber im Kern war das gesprochene Wort dort immer noch um Welten treffsicherer als hier. Im Grunde fällt es einem wahnsinnig schwer, Spaß an der erzählten Geschichte zu finden, weil es einfach an inszenatorischen Highlights fehlt, mindestens aber an der Tiefe, mit der sich in diesem Jahr beispielsweise ein TEKKEN 7 präsentiert hat. Ihr seht, Konkurrenz gibt es mittlerweile auch in diesem Genre zuhauf. Zumal die Vorgänger einfach „mehr“ von allem geboten haben. Das Roster ist extrem zusammengeschrumpft und präsentiert dieses Mal hauptsächlich Kerncharaktere beider Universen. Schmerzhaft vermisst man abgehobene Charaktere wie Phoenix Wright und Co., verzweifelt sehnt man sich nach Karten, welche qualitativ wenigstens ansatzweise so gut wie jene des Vorgängers sind. Das neue Element der Infinity Gems verkommt jedoch nicht zum bloßen Beiwerk, sondern präsentiert sich als eine willkommene Neuerung im nun mehr denn je auf leichte Zugänglichkeit aufgebauten Gameplay. Je nach ausgerüstetem Stein sind Spezialfähigkeiten wie Teleports und mehr möglich, welche richtig eingesetzt einen aussichtslos erscheinenden Kampf entscheidend wenden können. Dennoch fällt besonders Veteranen der Serie auf, dass das Auslösen der zahlreichen, teilweise irrsinnig bunten und effektreichen Combos nun wesentlich einfacher ist und kaum mehr benötigt, als grundsolides Halbwissen über die Funktion der vier Bedienungstasten auf dem Gamepad. Wobei die Kämpfe auf höheren Schwierigkeitsgraden natürlich dennoch sehr knackig ausfallen. Ein besonderes Eingabegerät á la Arcadestick liefert so jedoch kaum noch Vorteile gegenüber konventionellen Gamepads oder sogar der schnöden PC – Tastatur, wenngleich hier natürlich immer noch einiges mehr an Aufwand nötig ist, um alle Aktionen gut umsetzen zu können. Gerade die Hyper Combos sind nämlich extrem sehenswert und feuern ein wahres Farbgewitter auf eurem Bildschirm ab.  

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                           Auch Guardians – Heroine Gamora fährt auf die Infinity Gems ab.

Leider reichen die Infintiy Gems alleine nicht aus, um Infinite auf ein Level mit den beiden hochgeschätzten Konkurrenten TEKKEN 7 und Injustice 2 zu stellen. Das liegt auch am insgesamt eher bescheidenen Umfang. Lebendige Universen, Clans und täglich wechselnde Challenges sucht man hier vergebens. Klar gibt es einen Arcade – Modus, ein paar Trainingseinheiten, ebenso 1 gegen 1 – Modi samt Bonusecke und wenigstens im Online – Modus hat man neben den altbekannten Kandidaten ordentlich zugelegt, wo nun ein Ranking Modus für zusätzliche Action sorgt. Dennoch ist all das bereits schon vor 10 Jahren theoretischer Standard gewesen, bereits ein TEKKEN 3 hat das Meiste davon bereits auf der PlayStation 1 geboten. Dass im Genre des Beat ém Up immer noch Raum für Innovation vorhanden ist, beweist die Konkurrenz wesentlich besser. Für Einsteiger, Gelegenheitsprügler und Freunde von schneller, bunter Action ist Marvel vs. Capcom: Infinite dennoch ein Kandidat, den man sich ansehen sollte, zumal die Ultron Trials zu neuen Rekorden motivieren und der Mission Mode zahlreiche Challenges für Jedermann bietet. Insgesamt gibt es eine Menge freischaltbares Zeug, dem Sammler ohnehin beherzt hinterher jagen werden. Neue Charaktere sind jedoch nicht darunter. 

Zwischen Regenbogengewitter und Plastikfiguren

Technisch wird das Spiel erstmals von der Unreal Engine 4 angetrieben, welche auch TEKKEN 7 nutzt. Die sorgt für knallige Effekte am laufenden Band, wurde aber aufgrund der extrem comiclastigen Inszenierung abseits kaum anspechend eingesetzt. Alleine die Charaktermodelle wirken mit ihren teilweise übergroßen Extremitäten klobig und extrem over the top. Man fühlt sich extrem an den alten WWE – Arcade Prügler der Last Gen – Konsolen von THQ erinnert und schon damals hat mir das nicht gefallen, weil es selbst gestandene Comic – Helden zu abstrakt wirken lässt. Andere Charaktere sehen aus wie aus Plastik gegossen, besonders Captain America wirkt stellenweise lächerlich komisch. 

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Die Unreal Engine 4 erzeugt zwar ein wahres Effektfeuerwerk, nutzt ihr Potenzial aber nicht aus.

Die Framerate bleibt auf den Konsolen konstant bei 60 Frames pro Sekunde, einen seltsamen gefühlten Einbruch gibt es lediglich für wenige Sekunden bei dem als Zeitlupenmoment angedachten Finalschlag, der aber so hakelig daherkommt, dass er mehr an ein technisches Problem, weniger an einen gewollten Effekt erinnert. Auch die Charakteranimationen wirken stellenweise klobig, die Arenen steril. Alles ist so dermaßen bunt (außer Chris Redfield, da möchte man meinen, er würde irgendein T-Virus in sich tragen), man ist versucht, die Einstellungen seines Fernsehers oder Monitors zu überprüfen. Hinzu kommen übrigens extrem lange Ladezeiten auf der XBOX One. PC und PlayStation 4 sind da wesentlich flinker am Werk, letztere bietet auf der PlayStation 4 Pro sogar natives 4K bei gleichbleibend hoher Bildrate. Der PC unterstützt dieses Feature natürlich ebenfalls. Es ist anzunehmen, dass die XBOX One X bei Erscheinen nachziehen wird, dann verringern sich womöglich auch die Ladezeiten. Die englischen Sprecher machen dafür einen guten Job, wenigstens im Rahmen ihrer blödsinnigen Texte und auch der Soundtrack ist dank cooler Elektro – Varianten der bekannten Heldenmotive sehr hörenswert. 

Fazit und Wertung

ava2 „Der neueste Teil von Marvel vs. Capcom heißt Infinite (zu Deutsch „Unendlich“), wirkt aber an zahlreichen Stellen eher zu kurz gedacht und darüber hinaus zu sehr auf altbewährtes bauend. Innovation sucht man hier vergebens. Die Story schafft es dank zahlreicher Banalitäten und Scriptproblemen nicht, über die Dauer der ohnehin kurzen Kampagne wirklich zu begeistern. Die Helden wirken teilweise wie Actionfiguren, die Arenen haben nicht die Klasse der Vorgänger und das Roster wurde arg zusammengestutzt. Aus 3 gegen 3 wurde 2 gegen 2, warum das so ist weiß nur CAPCOM selbst. Trotzdem sorgt die extrem bunte Inszenierung für kurzweiligen Spielspaß. Neues erwarten darf man hier jedoch nicht. Mein Tipp: Lieber jetzt für einen Zwanziger TEKKEN 7 beim Gebrauchthändler erwerben und später noch einen Blick auf Infinite werfen, wenn der Preis etwas nach unten gerutscht ist.“ 

PRO:

+ Alle bekannten Kerncharaktere aus dem Marvel- und CAPCOM – Universum an Bord
+ Klasse abgemischter Soundtrack
+ Flüssige Darstellung
+ Infinity Gems als sinnvolle Neuerung
+ Ausgeglichene Heldenbalance
+ Zugängliche Bedienung
+ Viele freischaltbare Extras
+ Ausgeglichene Schwierigkeitsgrade
+ Spaßige Online – Ranglisten
+ Für Einsteiger hervorragend geeignet

CONTRA:

– Extrem innovationsarm
– Inhaltlich ein Rückschritt zum Vorgänger
– Verkleinertes Roster lässt geschätzte Charaktere missen
– Maue Kampagne ohne großen Unterhaltungswert
– Helden ohne Persönlichkeit, dafür aber mit miesen Onelinern
– Sterile Arenen
– Unfreiwillig komische Darstellung zahlreicher Charaktere
– Wenig Wiederspielwert
– Für das Gebotene recht hoher Preis

                                                GESAMTWERTUNG:     73%

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