Gran Turismo Sport – Oder: „Die teuerste Demo aller Zeiten“

                                            Getestet und verfasst von General M

Die Gran Turismo – Reihe steht im ehrfürchtigen Ruf, seit ihrem erstmaligen Release auf der PlayStation One im Jahr 1997 nicht nur unangefochtener Simulationskönig auf Sony´s Konsolen zu sein, sondern auch in Sachen Umfang mit jedem Konkurrenten hemmungslos den Boden aufzuwischen. Da seit Ende 2013 (nämlich mit Teil 6 auf der PlayStation 3) kein weiterer Titel erschienen ist, konnten andere Titel, zentral aber Project C.A.R.S., die klaffende Lücke auf der PlayStation 4 ausfüllen, die lizenzbedingt auf ein Forza verzichten muss. Gran Turismo 7 sollte die PlayStation wieder zur Nummer #1 – Konsole für Rennsportfanatiker machen. Das Problem ist nur, Gran Turismo Sport ist kein Gran Turismo 7, sondern viel mehr die teuerste Demo aller Zeiten. Was dahinter steckt und warum es sich dabei trotzdem nicht zwangsläufig um ein schlechtes Spiel handelt, zeigt unser Test. 

Gelebter Minimalismus

Nicht nur knallharter Simulator, stand die Reihe bisher auch stets für einen beinahe gruseligen Perfektionismus, wenn es um den Rennsport und dessen illustre Geschichte geht. So ist alleine das Intro zu GT: Sport wieder eine fast erotische Huldigung an das Automobil geworden und macht definitiv Lust auf mehr. Das Problem ist nur, das Intro wird dem tatsächlichen Spiel gar nicht gerecht. Die Gründe dafür sind zahlreich.

Grund 1: Der Fuhrpark

Wo Teil 6 noch über tausend Vehikel aus zahlreichen Jahrzehnten der Automobilgeschichte anbot und neben reinen Rennboliden auch Straßenfahrzeuge verfügbar machte, bietet GT: Sport lediglich knapp über 130 Fahrzeuge, von denen das älteste Modell ein 87´ Audi ist. Kein Vergleich zum Vorgänger.

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   Wenig Abwechslung, starker Fokus auf gegenwärtige Rennboliden. Die Konkurrenz ist weiter.

Zudem setzt sich der enthaltene Fuhrpark nahezu ausschließlich aus reinen Rennwagen und Konzeptfahrzeugen zusammen. Einen Gebrauchtmarkt sucht man hier ebenfalls vergeblich. Alle Autos müssen zum Festpreis erworben werden. Zum Vergleich, das aktuelle Forza auf der XBOX One bietet bereits über 700 verschiedene Modelle aller Fabrikate und Klassen.

Grund 2: Permanenter Onlinezwang 

Stellt euch folgendes Szenario vor: Ihr wollt entspannt eine Runde zocken, aber das Internet fällt aus, bzw. ist grundsätzlich eher langsam. In ländlichen Gegenden soll das ja häufig der Fall sein. Sollte eines dieser Probleme auftreten, könnt ihr auch GT: Sport getrost zurück in die Hülle packen. Denn ohne stabile, permanente und wenigstens halbwegs schnelle Internetverbindung sperrt euch das Spiel von nahezu jedem Modus außer dem Arcade Modus aus, der im Grunde nichts weiter als ein schnelles Quick Play darstellt. Für die Kernkomponente, nämlich die Onlinerennen, wird zudem zwingend PS+ vorausgesetzt. Besitzt ihr dieses Abonnement nicht, ist auch hier die Türe zu. Doch das ist nocht nicht alles, denn ohne Internetverbindung wird der komplett serverseitig abgelegte Progress ebenfalls nicht gespeichert. Sämtliche Preisgelder und Erfahrungspunkte, die ihr im Arcade Modus sammelt, werden dann einfach nicht gutgeschrieben. Somit fährt man dort quasi für nichts. 

Grund 3: Verlust der Wurzeln

Was Gran Turismo in erster Linie stets ausgemacht hat, war die umfangreiche Karriere mit all ihren Lust- und Frustmomenten. Schließlich zog die Schwierigkeit mit zunehmenden Fortschritten über immer neue Lizenzklassen stetig an und brachte so selbst Profis ans Limit. Jedes Fahrzeug ließ sich bis in die letzten Schrauben feineinstellen, online wurden ganze Guides mit verschiedenen Settings und den passenden Fahrzeugen angeboten. Für Hobbyschrauber und Extremisten also ein absolutes Paradies. Immer wieder musste man teilweise eisenharte Lizenzprüfungen ablegen, viele Fans bezeichnen Gran Turismo bis heute als das „Dark Souls unter den Rennspielen“. Schwer, aber niemals unfair. Einfach etwas, was man mit Geduld und Verstand erlernen musste.

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Karriere ade! Gran Turismo: Sport bietet neben Online – Rennen nur Quick Play und Fahrschule.

Nichts davon findet man in GT: Sport wieder. Weder ein Mindestmaß an Tuning noch eine Karriere. Zwar kann man sich aus nur wenigen Optionen auch ein Custom Race zusammenbasteln, das Ergebnis ist aber eben immer noch mehr Arcade Modus als zusammenhängende Karriere. Mit immensem Umfang abseits des Multiplayer fährt lediglich die Fahrschule auf, die über zahlreiche Lektionen, die auf Wunsch auch per Entwicklervideo begleitet werden, langsam aber mit stetig steigender Schwierigkeit an die Mechaniken des Spiels heranführen und bei Abschluss mit zusätzlichen Fahrzeugen belohnen. Es folgt eine ganze Reihe von Challenges, in denen man sein Können anschließend auf allen Strecken perfektionieren kann. Dazu zählen Time Trials und mehr. Nichts, was es nicht schon gab. 

Es ist nicht alles schlecht…oder?

Tatsächlich bietet das wenige Übrige aber auch viel Gutes. Der Online – Modus als Herz des Spiels bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich kompetitiv mit Spielern aus aller Welt zu messen. Fairplay wird hier groß geschrieben, ohne das vorherige Betrachten von zwei Videos zur Etikette kommt man gar nicht erst auf den Online – Spielplatz. Wer sich in den Rennen dennoch wie ein Elefant im Porzellanladen verhält, andere Fahrer ausbremst oder sogar von der Strecke rammt, kassiert nicht nur Strafen, sondern bekommt auch eine Rufstufe zugewiesen, die ihn im schlimmsten Fall nur noch mit seinesgleichen zusammenwirft. Im Multiplayer erhält man dann alle 20 Minuten Gelegenheit, sich in zahlreichen Events zu beweisen und sich auf den Ranglisten der Welt nach oben zu arbeiten. Wer sich entsprechend qualifiziert, bekommt tatsächlich einen festgelegten Termin mit auf den Weg, zu dem er dann pünktlich erscheinen sollte. Was ja theoretisch irgendwie sinnvoll klingt, ist für ein Spiel, ganz gleich welchen Realismusanspruch es sich herausnimmt, trotzdem unfassbar blöd gelöst. Immerhin will man doch sofort loslegen und nicht um 15.00 Uhr gesagt bekommen, dass man sich bitte um 21.40 Uhr wieder online melden soll. Gran Turismo verfährt jedoch tatsächlich auf diese Weise. Und setzt dann mitten im Turnier wirklich mal kurz das Internet aus oder erlaubt sich einen kleinen Einbruch, fliegt man umgehend raus. Die Grenze zwischen Fairness und Schikane wird jedoch nicht nur hier deutlich überschritten, zumal man ebenso Strafen erhält, wenn man von anderen Spielern gerammt wird, da das Spiel den Verursacher einer Kollision mit seinem Opfer einfach gleichstellt. Ein Wahnsinn, der schnell in nackter Frustration mündet. Und dennoch muss man den Entwicklern zugestehen, dass sie es ingesamt wieder gemeistert haben, eine nahezu perfekte Fahrphysik zu integrieren, die einfach sofort Erinnerungen an alte Gran Turismo – Zeiten weckt. Was das angeht, spielt die Reihe eben immer noch ganz weit oben mit, zumal selbst Einsteiger, welche eine oder alle der zahlreichen Fahrhhilfen zuschalten, trotzdem noch massiv gefordert werden. Auch das ist Serientradition. 

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    Die strikten Verhaltensregeln sind zwar sinnvoll, aber führen das System auch ad absurdum. 

Technisch kann das Spiel ebenfalls glänzen, wenngleich die übliche grafische Offenbarung eines jeden Gran Turismo aber angesichts der starken Konkurrenz am Markt ausbleibt. Die wenigen Fahrzeuge sind allesamt bis ins kleinste Detail liebevoll nachgebildet und unterscheiden sich in Handling und Klang spürbar voneinander. Besitzer eines PlayStation 4 – Pro dürfen sich über natives 2K und hochskaliertes 4K freuen, die Bildrate bleibt dabei jederzeit geschmeidig bei 60 Bildern pro Sekunde. Zudem sorgt nicht nur ein Foto – Modus dank zahlreicher Feineinstellungen dafür, dass ihr teilweise wunderschöne Screenshots aus euren Replays ziehen könnt, auch abseits lassen sich die Karossen im Hintergrund zahlreicher echter Fotos aus aller Welt traumhaft schön in Szene setzen, fallen aber in diesem Rahmen auch immer noch als animierte Fahrzeuge auf. Auf der normalen PlayStation 4 samt 1080p – Display ist zudem überall Kantenflimmern wahrnehmbar, was zwar während den Rennen nicht weiter auffällt, an allen anderen Punkten aber dafür umso mehr. In Sachen Strecken haben es gerade mal sechs lizensierte Kurse aus allen Kontinenten ins Spiel geschafft, darunter auch der obligatorische Nürburgring. Der Rest besteht serientypisch aus bekannten Fantasiegeschöpfen, bietet aber auch zwei neue Strecken, die zwar mit malerischer Atmosphäre in der Abenddämmerung bestechen, dennoch aber nichts besonderes darstellen. Der Rest besteht aus wiederverwerteten Klassikern der Vorgänger. wie dem Tokyo Speedway. Wirklich glänzen kann jedoch keine der Strecken, zumindest nicht in Sachen Grafik. Dafür wirken die Strecken einfach zu steril, abseits der Strecke findet sich kaum Leben und die Vegetation stammt gefühlt noch aus PlayStation 3 – Zeiten. 

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                   Die Fahrzeuge lassen sich vor realen Bildern eindrucksvoll in Szene setzen. 

Der Soundtrack ist ebenso serientypisch eine Mischung aus Pop, seichtem Rock aller Genres und hybrider Elektromusik zwar vielseitig, untermalt das Geschehen aber oftmals nicht passend, da das leise Gedudel oftmals nicht für Adrenalin sorgt, sondern es eher raubt, ja stellenweise sogar ermüdend wirkt. Eigene Musik ist selbstverständlich nicht importierbar, aber immerhin kann man ja auch Spotify auf der PlayStation 4 anschalten und so doch noch seine eigene Playlist hören. Was das Spiel dafür auf Anhieb gut hinbekommt, ist eben jene Tatsache, dass am Ende doch die Liebe der Entwickler zum Automobil deutlich wird. Jedes Auto erzählt eine Geschichte, welche sich mit zahlreichen Rückblicken in Bild und Ton eindrucksvoll erlernen lässt. So erfährt man beispielsweise einiges über die Ursprünge von Ford und Co., muss aber dann eben mit der Tatsache Vorlieb nehmen, dass man diese Geschichte dieses Mal nicht selbst hinter dem Steuer klassischer Fahrzeuge nacherleben darf. Im Grunde recht fies, oder? Bis man sich durch die hakeligen und teilweise fies überladenen Menüs zu diesem Punkt vorgekämpft hat, vergeht einem wahrscheinlich ohnehin die Lust auf eine Geschichtsstunde. Wo wir jedoch schonmal bei der Bedienung sind, die funktioniert bereits mit dem Pad hervorragend, Puristen werden aber mit Freude feststellen, dass natürlich auch nahezu alle gängigen kompatiblen Lenkräder nativ unterstützt werden. 

Fazit und Wertung

ava2 „So sehr ich auch versuche, mich zu überwinden – trotz der serientypisch perfektionierten Fahrmechaniken kann ich Gran Turismo: Sport einfach nicht guten Gewissens empfehlen. Dafür fehlt dem Spiel nahezu JEDES Element, welches die Reihe bisher immer ausgemacht hat. Angefangen beim kleinen, viel zu spezialisierten Fuhrpark bis zur fehlenden Karriere sowie dem völligen Mangel an Tuning und Co. wirkt es ein wenig wie eine zu stark reduzierte Sauce. Klar, die geschmackliche Essenz ist noch vorhanden, aber satt wird man davon trotzdem nicht. Hinzu kommt eine magere Streckenauswahl, der unverschämte Onlinezwang sowie die absurden Terminvergaben und teilweise unfairen Bestrafungen im Multiplayer. Was dann übrig bleibt. nämlich Fahrschule, Challenges und Quick Race, sind gerade mal ein Krümel der GT – Essenz vergangener Tage. So ist Gran Turismo Sport nur ein Krümel dessen, was das wahre Gran Turismo 7 hoffentlich irgendwann wieder bieten wird. Und dieser Krümel wird dann auch noch zum Vollpreis verhökert. Das geht gar nicht.“

PRO: 

+ Serientypisch nahezu perfektioniertes Fahrgefühl
+ Bis ins kleinste Detail nachgebildete Fahrzeuge, inkl. Innenraum
+ Wuchtige Motorensounds
+ Stets fordernd, aber nie unfair
+ Selbst mit zugeschalteten Fahrhilfen noch ein knallharter Simulator
+ Geschmeidige Bildraten
+ Nativer 2K- sowie HDR – und VR- Support auf Pro – Systemen
+ Hervorragende Bedienung, sowohl mit Controller als auch mit Lenkrad
+ Enthält viel Hintergrundwissen zur Rennsportgeschichte
+ Live TV

CONTRA:

– Lässt nahezu alle wichtigen Mechaniken der Serie missen, nämlich…
 – …den Karrieremodus…
 – …das Tuning…
 – …den umfangreichen, vielseitigen Fuhrpark…
 – …sowie sämtliche anderweitigen Formen der Customization
– Permanenter Online- sowie PS+ – Zwang
– Teilweise unnachvollziehbar lange Ladezeiten und davon viele
– Überladene, teilweise arg verschachtelte Menüs
– Wenig stimmige Soundtrack – Auswahl
– Videos ausschließlich in englischer Sprache verfügbar
– Geringer Streckenumfang, nur sechs lizensierte Schauplätze
– Teilweise leblose, sterile Strecken
– Mitunter auffallen hässliche Vegetation
– Spürbar wahrnehmbares Kantenflimmern auf Normalfernsehern
– Nicht immer faire Bewertung im Online – Modus
– Absurde Turnieraustragung nach Termin
– Unverschämt hoher Preis für das Gebotene

 
                                                  GESAMTWERTUNG:     52%

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