Need for Speed™ Payback – „The Need for Change“

                                           Getestet und verfasst von General M

Machen wir uns nichts vor, die glorreichen Zeiten der Need for Speed – Reihe scheinen längst vorbei zu sein. Seit Underground und dem noch sehr gelungenen Most Wanted stagniert die Reihe völlig. Und das sind immerhin ganze 12 Jahre. Ein trauriges Alleinstellungsmerkmal. Der Relaunch im Jahr 2015 missglückte dank albtraumhaft inszenierten Charakteren, mangelndem Online – Modus und zahlreichen anderen Problemen völlig. Doch die EA – eigenen Entwickler von Ghost Games bekamen eine zweite Chance, mit „Payback“, dem neuesten Ableger der Arcade – Reihe, soll alles besser werden. Seit Heute steht das Spiel für PC, PlayStation 4 und XBOX One in den Läden. Und beweist leider abermals, dass Electronic Arts die Bindung zu seinen Kunden abseits vom Monitären längst verloren hat. 

Das House gewinnt immer

In Payback verlassen wie die regnerische, ewig dunkle Großstadt des Vorgängers. Stattdessen geht es nach Fortune Valley, eine fiktive, jedoch stark an Las Vegas und Umgebung angelehne Welt. Das bedeutet, dass man es statt nassem Asphalt nun hauptsächlich mit Sand und Sonne zu tun bekommt. Held der lokalen Rennszene ist Tyler „Racer“ Morgan, ein Hitzkopf aus dem Bilderbuch und gnadenlos von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt. Als Teil einer dreiköpfigen Crew, die sich aus ihm sowie seinen Kumpanen Mac und Jess zusammensetzt, will das Team die Konkurrenz dominieren. Da sich das nötige Kleingeld für möglichst starke Rennboliden aber nicht nur durch gewonnene Rennen einbringen lässt, verdient die Truppe auch gerne mal was „nebenbei“. Nachdem die Crew bei einem kriminellen Ding von Partnerin Lina verraten wird und den Cops in die Hände fällt, macht diese es sich fortan bei dem üblen House – Kartell gemütlich, der mächtigsten kriminellen Vereinigung der Stadt. 

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                 Die Crew um Tyler Morgan und Kohorten will das House in die Knie zwingen. 

Natürlich ist Rache Blutwurst. Der Plan: Die Straßen dominieren (also im Grunde das, was sie vorher auch gerne tun wollten), die zahlreichen Crews vereinen und mit geballter Macht und durch zahlreiche Raubüberfälle das House in die Knie zu zwingen. Klingt hanebüchen? Ist es leider auch. Zwar ist die erzählte Geschichte qualitativ deutlich besser ausgearbeitet als noch im Vorgänger, ist aber weder packend noch wendungsreich. Das liegt zum einen abermals an den völlig klischeebeladenen, unsympathischen Charakteren, welche von Captain Obercool bis zum ADHS – Monkey wirklich alles abdecken, was man in aktuellen, gut geschriebenen Geschichten NICHT mehr sehen will, zum anderen aber auch daran, dass die Geschichte selbst über weite Strecken viel zu viel Inspiration aus den jüngsten Fast & Furious – Filmen zu ziehen scheint, abseits davon aber kaum eigene Ideen einzubringen weiß. So gibt es eine Menge Action, die aber wie das aktuelle Call of Duty außer Bombast keinerlei erzählerische Tiefe zu bieten hat. Die vorgerenderten Zwischensequenzen wirken platt und aufgesetzt, die Deutschen Sprecher agieren durch die Bank weg mies. So gelingt es zum Ende auch nicht, lose Enden sinnvoll zu verknoten, viele Fragen bleiben offen. Auch ein anständiger Multiplayer – Modus hat es wieder nicht ins Spiel geschafft. Dabei hätte Payback viel Gelegenheit geboten, mithilfe von Online – Crews etwas passendes auf die Beine zu stellen. Wenn Ghost Games also schon nicht in der Lage zu sein scheint, auch beim zweiten Anlauf mit kreativem Storytelling aufzufahren, wie verhält es sich dann bei der Kernmechanik, nämlich den Rennen? 

Zwischen Karten und Kaufzwang

Wie die meisten Ableger der Reihe ist auch Payback ein handfester Arcade – Racer. Das bedeutet, man kann den Finger meistens ohne große Sorgen um das Abbremsen auf dem Gasknopf lassen Die weiten Strecken laden geradezu dazu ein, den Kopf abzuschalten und einfach Gas zu geben. Das Ergebnis ist aber viel zu viel des Guten, da der spielerische Anspruch so über weite Teile völlig verloren geht, wäre da nicht die bereits im Vorgänger präsente, auch hier bisweilen unendlich nervige Gummiband – K.I., welche ganz egal wie überlegen der eigene Wagen auch sein mag, trotzdem behäbig an unserer Backe klebt. Kleinste Fehler bestraft das Spiel teilweise unfair hart, so dass man viele Rennen immer wieder von Vorne beginnen darf, nur um darauf zu hoffen, dass es die K.I. dieses Mal besser mit einem meint. 

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                       Das eigentlich gute Starcard – Prinzip wird durch Pay-2-Win völlig ruiniert. 

Dank Tuning kann man seine Boliden allerdings ordentlich aufmotzen. Das geschieht wie früher nicht über Motorshops, in denen man die Teile direkt beliebig vom Regal ans Fahrzeug transportieren konnte, sondern über die sogenannten Starcards. Die verdient man sich entweder durch gewonnene Rennen und Co., oder aber investiert Ingame – Währung beim Händler. Auch Echtgeld lässt sich für zufällig ausgegebene Karten hoher Qualitätsstufen ausgeben. Sprich: Auch Need for Speed Payback setzt auf Mikrotransaktionen, das neue Krebsgeschwür am Spielehimmel. Doch wo ein Mittelerde oder ein Assassin´s Creed auf faire Mechaniken setzen und die erwerbbaren Dinge auch in mehr als angemessenem Umfang im Spiel selbst verteilen, zwingt Payback einen über kurz oder lang, nochmal in die Echtgeldbörse zu greifen. Denn spätestens, wenn die Konkurrenz dem eigenen Wagen nur noch davonfährt, die Ingamebörse leer ist und auch sonst keine neuen Karten erspielbar sind, bleibt nur noch endloses Grinding durch Replay vergangener Events, oder aber eben der Griff zum Echtgeld. Und da man wirklich unverschämt viel Zeit ins Grinding investieren muss (sehr viel mehr, als das man hier noch von Fairness reden könnte), entsteht automatisch eine Pay-2-Win – Mechanik, die als solche generell, besonders aber in einem Einzelspielertitel zur absoluten Frechheit verkommt. So verkommt der gute Ansatz der Starcards, welche sinnvoll kombiniert sogar eine Form von „Set – Boni“ bieten, zu einer frustrierenden, absolut kundenfeindlichen Erfahrung, welche dem Spielfluss empfindlich schadet. Dafür kassiert das Spiel einen dicken Punktabzug. Schade, denn das System hat durchaus Potenzial, wird allerdings schändlich für die neue Geldgier der Publisher missbraucht. Setzen, sechs! 

Wie sieht´s aus?

Dank EA´s mittlerweile überall eingesetzten Allzweckwaffe, der Frostbite – Engine, kann sich Fortune Valley definitiv sehen lassen. Licht- und Schatteneffekte stimmen, auch der Fuhrpark sieht klasse aus. Der ist von Acura bis Volvo recht umfangreich ausgefallen und bietet zahlreiche Boliden aller Art, vom normalen Straßenflitzer bis zum Serienrennwagen ist alles dabei. Sogar Autowracks kann man mit etwas Arbeit zu mächtigen Boliden hochpeppeln. Sämtliche Fahrzeuge werden in Klassen aufgeteilt, fünf Klassen gibt es insgesamt, darunter auch Drifter. Entsprechend spürbar ist auch die unterschiedliche Fahrweise zwischen besagten Klassen. Von wahrem Simulationsverhalten ist Payback aber trotzdem ebenso weit entfernt wie CDU/CSU, FPD und Grüne vor erfolgreichen Koalitionsverhandlungen. Krasser Kontrast zur eigentlich hübschen Spielwelt ist die hässliche Großstadt, welche zu keinem Zeitpunkt irgendeine Form von Leben zu versprühen scheint. Da hat man sich schon groß bei Las Vegas, DER Stadt schlechthin, bedient, herausgekommen ist ein ödes, in völliger Banalität versinkendes Gebiet. Und bei aller Qualität der Engine, auch die Welt insgesamt bietet am Ende wenig, an das man sich erinnern könnte. Es mangelt an Highlights, besonders abwechslungsreichen Orten und Co. Das kreative Design verbleibt abermals in der Zweckmäßigkeit und es wirft die Frage auf, ob es denn überhaupt immer offene Welten sein müssen. Lieber bahne ich mir meine Reise durch lineare, aber dafür abwechslungsreiche und detailverliebt gestaltete Umgebungen, als das ich durch so lieblos inszenierte offene Welten düsen möchte. 

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                       Dank Frostbite – Engine können sich die Autos absolut sehen lassen. 

Während der PC technisch hier dank nativem 4K und unbegrenzter Framerate klar vorne liegt, können auch die Konsolen überzeugen. Bei stabilen 30 Frames funktioniert das Renngeschehen auch hier einwandfrei, wenngleich PC – Spieler besonders durch die höheren Bildraten ein etwas markanteres Geschwindigkeitsgefühl geboten kommen. Beim Soundtrack bekommt man statt langweiligem Synthie – Pop nun endlich wieder eine große Palette lizensierter Rock – Interpreten geboten, die von den X Ambassadors über Tom Morello und den Queens of the Stone Age viel Abwechslung bieten. Zusammen mit den wuchtigen Motorensounds definitiv ein kleines Fest für die Ohren. Auch die Bedienung geht gut von der Hand, typisch Arcade muss man sich um Steuerungsprobleme nicht sorgen, allerdings ist auch am PC ein Gamepad zu empfehlen, da diese einfach präziser in diesem Genre arbeiten. 

Fazit und Wertung

ava2 „Wenn´s beim ersten Mal nicht klappt…leider ist es Ghost Games abermals nicht gelungen, ein gutes Need for Speed abzuliefern. Die Story dümpelt über weite Strecken von einer Actionszene zur nächsten, die Narration bleibt dabei im Rahmen der eh schon uninteressanten Geschichte völlig auf der Strecke. Miese Deutsche Sprecher, aufgesetzte Zwischensequenzen und im Kern völlig unsympathische Klischeecharaktere, all das hat schon dem letzten Need for Speed arg geschadet. Durch die dreisten Pay-2-Win – Mechaniken verkommt das eigentlich innovative Starcards – System zur frechen Kostenfalle. All das in einer zwar hübschen, aber kaum abwechslungsreichen Welt, in der sämtliche K.I. – Fahrer einen nach Gummiband – Mechanik gerne in den Wahnsinn treiben. Mit Payback ist die so traditionsreiche Reihe für mich an einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Arcade Fans greifen besser zum WESENTLICH besseren Forza Horizon 3 auf dem PC oder der XBOX One. Hier wird eindrucksvoll gezeigt, dass Arcade Racing umfangreich und komplex in einer schönen offenen Welt funktionieren kann, ohne dabei mit Abzockmechaniken und mieser Erzählung zu nerven. Finger weg.“

PRO: 

+ Hübsche Effekte
+ Stabile Bildraten
+ Frei befahrbare Welt ohne künstliche Grenzen
+ Actionreiche Events
+ Im Kern innovative Starcards
+ Abwechslungsreicher Fuhrpark
+ Exzellenter Soundtrack
+ Zugängliche Bedienung

CONTRA:

Innovationsarmes Spieldesign
– Unsympathische Charaktere
– Unotivierte, völlig fehlbesetzte Deutsche Sprecher
– Handlung lässt viele Fragen unbeantwortet
– Mau inszenierte Zwischensequenzen
– Leblose Städte
– Stellenweise arg unausgeglichene Spielbalance
– Dreiste Pay-2-Win Mechaniken als Alternative zu endlosem Grinding
– Kein richtiger Mehrspielerpart
– Nervige Gummiband – K.I.


                                                          GESAMTWERTUNG:     56%

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