Outcast: Second Contact – „Reise in die Nostalgie“

                                           Getestet und verfasst von General M

Ein Jahr ist eine lange Zeit für die Videospielindustrie, welche mit immer neuen Techniken und Ideen bemüht ist, stetig frischen Wind in das jeweilige Genre zu bringen. Zwar war 2017 ein relativ innovationsarmes Jahr und stand eher im Zeichen von „Mehr vom Gleichen“, positive Überraschungen gab es dennoch hin und wieder. Dazu gehört auch das nun endlich verfügbare Remake von Outcast, erstmals 1998 erschienen und damit beinahe ganze 20 Jahre alt. Als eines der ersten echten Open World – Spiele seinerzeit ein guter Erfolg, besitzt das Spiel bis heute eine treue Fangemeinde. Doch der Weg vom Original zum Remake war kompliziert. Eine Kickstarter – Kampagne scheiterte knapp an der ersten Hürde, lange Zeit wurde es still um die Neuauflage. Da sich Publisher Big Ben am Ende doch noch dem Projekt annahm, wurde am Ende alles gut. Doch wie viel 1998 steckt noch im Spiel, wie viel ist angemessen für das Jahr 2017?

Willkommen auf Adelpha

Zwei Jahre vor dem Millennium hatte man wohl noch ganz andere Ansichten von der Zukunft. Dass Autos alsbald durch die Lüfte fliegen würden, wie es bereits „Zurück in die Zukunft“ in den Achtzigern prophezeite, davon hatte man wohl bereits wieder Abstand genommen. Die Reise zu anderen Planeten jedoch war damals wie heute ein heißes Thema und geriet spätestens mit dem sehr erfolgreichen „Stargate“ von 1994 auch in die Öffentlichkeit. In Outcast steckte (und steckt) viel von der Grundidee aus Roland Emmerich´s Kultfilm, durch Portale in fremde Welten zu reisen. Nach zahlreichen Versuchen gelang es Wissenschaftlern, ein solches Portal zu öffnen. Die hindurchgeschickte Sonde sendete einige Minuten und wurde dann von einem misstrauischen Außerirdischen beschossen. Und wie das eben so mit kaputten Sonden ist, weder hört man den Begriff gerne bei Urologen und Internisten, noch gefällt er den verantwortlichen Militärwissenschaftlern. Wenn die Sonde nicht umgehend geborgen und repariert wird, wird sie in 25 Tagen ein schwarzes Loch erzeugen und nicht nur die Erde kann dann einpacken. 

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                  Die Welt von Adelpha ist abwechslungsreich und lädt zum Erkunden ein. 

Kurzerhand wird der erfahrene Nahkampfspezialist Commander Cutter Slade (gesprochen von Manfred Lehmann, der Deutschen Stimme von Bruce Willis) mehr oder weniger unfreiwillig für die Rückholmission rekrutiert und hat es später nicht nur mit zwei völlig verfeindeten Wissenschaftlern zu tun, sondern auch mit Teammitglied Wolfe, auf die Slade wiederum nicht gut zu sprechen ist. Und das ist erst der Anfang der Probleme. Zwar gelingt die Reise auf den Planeten Adelpha, sämtliche Teammitglieder sowie Cutters gesamte Ausrüstung sind allerdings nirgendwo aufzufinden. Notgedrungen muss Slate mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten, um sein Ziel erreichen zu können. Dass die Aliens in dem beinharten Einzelkämpfer einen prophezeiten Retter aus der Unterdrückung sehen, macht die Sache nicht wirklich einfacher. 

Quit pro Quo

Zwar sind die Bewohner Adelphas allesamt hilfsbereite Pazifisten, ziehen dabei aus Slades Dilemma aber trotzdem schamlos einen gewissen Eigennutz. Immerhin soll er als „Ulukai“ die Prophezeiung erfüllen und die unterjochten Stämme vereint in die Freiheit führen. Bevor er sich also nicht wenigstens ein bisschen Grundvertrauen bei den Einwohner verdient hat, helfen die ihm auch nicht bei seiner Suche nach der Sonde. Hier blickt auch die zarte Saat eines Rufsystems durch, welches auch so schon im Original zu finden war. Freundlich gesinnte Einwohner helfen mit Informationen zur Wegfindung sowie Flora und Fauna aus, bestimmte NPC´s fertigen im Tausch gegen die überall auffindbaren Materialien sogar Munition für Cutter´s Waffen an. Wer dagegen auf die Idee kommen sollte, die Einheimischen zu attackieren, gerät schnell im ganzen Dorf in Verruf und bekommt keine Unterstützung mehr. Neben der Hauptquest, nämlich der Suche nach der Sonde, gibt es allerhand nebenbei zu erledigen. Ein ansässiger Farmer wartet dringend auf ein versprochenes Transporttier, jemand anderes hat Probleme mit angrifflustigen Wildtieren. Es gibt neben diesen kleinen Aufgaben aber auch viele Missionen mit weit verzweigten Wegen, die den Spieler zu immer neue Zielen führen. Abwechslungsreich gestaltet sind die Missionen allesamt, anders als in Serientätern wie „World of Warcraft“ kommt bei der Bewältung kein repetives Gefühl von Langeweile oder „Hab ich doch schonmal gemacht!“ auf. 

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                Hin und wieder zurück: Die meisten Orte muss man immer wieder aufsuchen. 

Später darf Cutter Slade den Planeten auch auf dem Rücken eines Reittieres erkunden. Das ist in den insgesamt sechs verschiedenen Gebieten von Adelpha auch mit der Zeit bitter nötig. Zwar gibt es zwischen Dschungel und Lavagebiet einiges zu entdecken und die Gebiete selbst sind im Vergleich zu heutigen Open World – Titeln fast überschaubar, da man für viele Quests aber dauernd von A nach B über C und wieder zurück zu A reisen muss, um dort seine Belohnung abzuholen und ein Schnellreisesystem nicht existiert, definitiv eine Erleichterung, aber kein Frustbefreier par excellence. Früher war eben nicht alles besser. Da einem Haupt- und Nebenmissionen aber keinerlei Raum für spielerische Freiheit abseits der Erkundung des jeweiligen Gebietes lassen, hält sich der Umfang mit insgesamt gut 15 Stunden Spielzeit für einen Open World – Titel in Grenzen, auch der Wiederspielwert geht dadurch gegen Null. 

Abseits der Moderne

Als einer der ersten Vertreter eines heute nahezu in jedem Genre vertretenen Open World – Szenarios hat Outcast seinerzeit zahlreiche Grundlagen für mittlerweile standartisierte Spielinhalte gesetzt, wenn auch noch in zaghafter, beinahe experimenteller Form. Gleichzeitig musste es aber auch auf Features verzichten, welche das virtuelle Vergnügen des Spielers erst Jahre später einfacher gestalteten, dennoch keinen Platz im Remake gefunden haben. Auf der Erkundungstour durch Adelpha gibt es zwar eine detaillierte Minimap, dafür aber keine Questmarker. Wenn es also Teil eines Auftrages ist, beispielsweise einen Schmuggler ausfindig zu machen, muss man sich erst zu diesem durchfragen. So verrät uns ein Bauer auf Nachfrage, dass die gesuchte Person zuletzt im Südwesten gesichtet wurde. Bis man dann tatsächlich am Ziel angelangt ist, sind oft weitere Befragungen auf dem Weg nötig. Erst wenn die gesuchte Person endlich gefunden wurde, wird ihr Aufenthaltsort auf der Karte sichtbar. Diese Mechanik beizubehalten ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite hat es einen gewissen puristischen Charakter, nicht wie mittlerweile üblich alles vor die Füße geworfen zu kriegen, sondern den Weg zum Ziel auf eigene Faust zu finden, zumal das Spiel sehr von den vielen Hintergrundinformationen lebt, welche in den zahlreichen Gesprächen über Volk und Kultur in Erfahrung zu bringen sind. Andererseits kann es auch ganz schön nerven, wenn man erst nach Südosten geschickt wird, plötzlich aber wieder nach Südwesten gehen soll und sich auf dem Weg noch zig mal verirrt. Und das ist noch das kleinste Ärgernis im Remake. 

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      Die NPC´s sehen nahezu alle gleich aus, bieten aber dennoch eine gewisse Faszination. 

Als besonders frustrierend erweist sich selbst nach dem ersten Patch die Steuerung. Sowohl mit Maus und Tastatur als auch mit Gamepad lässt sich Slade extrem klobig durch die Welt steuern, bleibt an noch so kleinen Hügeln stecken und  läuft gegen Treppen an, wie ein eingeölter Sumoringer gegen einen stark vereisten Hügel. Allesamt Probleme, die auch das Original vor knapp 20 Jahren schon hatte. Zwar justieren die Entwickler zügig nach, zu bewerten ist aber natürlich stets der aktuelle Stand beim Test und dieser lässt diesbezüglich trotz erster Nachbesserungen noch sehr viel Raum für weitere Verbesserungen. Gleiches gilt auch für die K.I. der Gegner. Diese wurde im direkten Vergleich zwar etwas verbessert, agiert aber in Kombination mit der fiesen Steuerung trotzdem nervig und bisweilen strohdoof. Während sie im direkten Nahkampf kaum Gegenwehr leisten, rennen sie bei Schusswechseln wie aufgeschreckte Hühner hin und her, was das Zielen trotz zugeschalteter Zielhilfe nur noch schwieriger macht, weil selbst dann das halbe Magazin überall einschlägt, nur nicht im Gegner. Da der Feind nur in großer Menge wirklich gefährlich wird, geht der spielerische Anspruch hier völlig verloren, was besonders schade ist, da Slade im Spielverlauf viele coole Gimmicks erhält, die nur nie zum Einsatz kommen, weil sie eben einfach nicht gebraucht werden. Dazu zählt auch die Schleichmechanik, aber wer braucht´s, wenn Run & Gun stets der beste Weg zum Erfolg zu sein scheint? Auch die Neuerungen im Bewegungssystem, also Rollen und Sprinten, sind da wenig nützlich. 

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 Die Feinde laufen oftmals planlos durch die Gegend. Die miese Zielmechanik tut ihr Übriges.

Dafür muss man sich im Remake nicht mehr gänzlich ideenlos von den zahlreichen Begriffen der einheimischen Kultur irritieren lassen. Wer die Untertitel zuschaltet, bekommt die Übersetzung gleich hinter dem entsprechenden Begriff der Außerirdischen erklärt, alle anderen können im Interface das Lexikon befragen und alle gesammelten Informationen jederzeit abrufen. Was Outcast nämlich auch 2017 spannend macht, ist die gut durchdachte, mit viel Liebe zum Detail gestaltete Hintergrundgeschichte und Kultur der Stämme, an der SciFi – Fans und Gamer mit Vorliebe für gut inszenierte Geschichten ihre Freude haben werden. Diesbezüglich bleibt das Remake auch 20 Jahre später zeitlos und bietet sogar mehr Hintergrund, als viele neue Spiele. 

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 Im direkten Vergleich deutlich aufgehübscht, ist das Remake trotzdem nicht ganz zeitgemäß.

Während Remaster meistens nur die Auflösung und Qualität des Originals erweitern, sind die eher seltenen Remakes eine Klasse für sich, da bekannte Inhalte in völlig neuem Gewand präsentiert werden und damit eine ganz andere Herausforderung für die verantwortlichen Entwickler darstellen. Wo 1998 noch Voxelgrafiken für seinerzeit bildschöne, aber detailarme Welten gesorgt haben, setzt das Remake ganz auf echtes 3D und präsentiert sich damit erwartungsgemäß drastisch hübscher als die Vorlage, bleibt aber dabei im Vergleich zu aktuellen Titeln aber trotzdem qualitativ zurück. Atmosphärisch vor allem dank der hübschen Beleuchtung und der lebendigen Vegetation, krankt das Spiel dafür an zahlreichen Stellen deutlich an Animationsqualität und detaillierten Texturen. Besonders die immer gleich ausschauenden NPC´s lassen Details vermissen, auch an Mimik mangelt es und immer mal wieder gibt es Bugs bei der Kollisionsabfrage und kleinere Macken bei der Physik.  Quantensprünge sollte man hier also nicht erwarten, große Ärgernisse bleiben aber hier aus. Während auf den Konsolen stabile 30 Bilder pro Sekunde geboten werden, hat der PC dank unbegrenzter Bildrate, nativem 4K und Co. wieder mal die Nase vorne. Dank Manfred Lehmann, der Cutter Slade auch schon damals die Stimme lieh, kann sich das Spiel hören lassen, auch alle anderen Charaktere wirken damals wie heute professionell vertont. Neue Aufnahmen gibt es hier aber nicht, die Originalaufnahmen wurden weitestgehend gelungen aufbereitet, wenngleich es dennoch hörbar an Dynamik mangelt. Klares Highlight ist übrigens der fantastische Soundtrack, der sehr an David Arnold´s Stargate – Score erinnert und das Spiel toll untermalt! Preislich bewegt sich das Spiel jeweils auf höherem Budget – Niveau, für das Gebotene absolut fair. 

Fazit und Wertung

ava2 „Für Outcast musste ich damals noch zu meinem Dad pilgern – nur der hatte einen angemessen starken PC für ein flüssiges Spielgeschehen. Die Vorfreude auf das Remake war groß, besonders als die Veröffentlichung nach langem Weg endlich beschlossene Sache war. Das fertige Ergebnis bringt viel Nostalgie zurück und fängt die Kernessenz des Klassikers wunderbar ein und verbessert die ein oder andere Mechanik sinnvoll, während vieles andere aber unberührt bleibt und für den ein oder anderen Modernisten ein Novum in Sachen Komfort darstellen wird. Technisch über Zweckmäßigkeit kann das Spiel aber auch als Remake nicht mit aktuellen Genregrößen mithalten. Für (Wieder-) Entdecker und mittlerweile etwas gereifte Gamer ist Outcast: Second Contact ein wenig wie ein alter Gina Wild – Film. Nicht ganz perfekt, aber trotzdem toll, nochmal Hand anlegen zu können.“

PRO:

+ Fäng die Kernessenz des Klassikers prima ein
+ Schöne Beleuchtung
+ Gut durchdachte Kultur
+ Teilweise sehr humorvoll umgesetzter Kulturschock
+ Abwechslungsreiche Welten, die zum Erkunden einladen
+ Nebenmissionen nie repetiv
+ Hervorragender, atmosphärischer Soundtrack
+ Gute Deutsche Sprecher
+ Angemessenes Tutorial
+ Einige sinnvolle Verbesserungen im Gameplay (u.A. Übersetzungen und Lexikon)
+ Fairer Preis

CONTRA:

– Technisch nicht mehr ganz zeitgemäß
– Teilweise sehr frustrierende Steuerung, besonders in Kämpfen 
– Zielhilfe eher eine Verschlimmbesserung
– Blasser, etwas zu cooler Protagonist
– Hauptgeschichte ohne große Überraschungselemente und Twists
– Run & Gun als Weg zum Erfolg…
– …viele eigentlich coole Gimmicks somit völlig überflüssig
– Schwache K.I. ohne Plan und Taktik
– Viel Backtracking
– Sehr linear, daher kaum Wiederspielwert

                                                           
                                             GESAMTWERTUNG:     65%

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