Shadow of the Colossus – „Kolossal kongenial“

                                              Getestet und verfasst von General M

Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, in welchem Artikel ich seinerzeit den Unterschied zwischen Remakes und Remastern beschrieben habe, an den Inhalt jedoch erinnere ich mich genau: „Während Remaster oftmals eine schnelle und lukrative Einnahmequelle für Publisher bieten, weil das Hochschrauben von Auflösungen, das Hinzufügen von Kantenglättung sowie das Optimieren von Effekten weitaus weniger Arbeit kostet als einen Titel von Grundauf neu aufzubereiten, bietet ein Remake auch stets Gefahren. Denn Klassiker sind zumeist Klassiker und die Fans lieben diese Klassiker genau so, wie sie waren. Ganz gleich, ob sie ruckeln oder ingesamt im Vergleich zu heutigen Titeln technisch hemmungslos veraltet sind. Denn es sind die Spiele, mit denen man aufgewachsen ist und mit denen man besondere Erinnerungen, beispielsweise durchgemachte Nächte in Matratzenforts vor klitzekleinen Mono – Röhrenfernsehern, verbindet.“ Erinnerungen sind also ohne Frage etwas zeitloses. Das Gefühl, welches wir mit diesen liebevollen Erinnerungen verbinden sorgt oftmals dafür, dass viele Gamer (und dazu zähle ich mich ebenso) heute lieber eine eingestaubte PlayStation 2 aus dem Keller holen, oder gar eine Super Nintendo – Konsole, nur um alte Spiele noch einmal so zu erleben, wie man es als Kind getan hat. Das Remaster konserviert diese Erinnerung und rundet sie preisgünstig ab. Das Remake jedoch muss den schwierigen Spagat bewältigen, eine Erinnerung zu bewahren und sie dabei gleichzeitig zu erneuern, zu erweitern. Dass dieser Versuch auch grandios scheitern kann, bewies zum Jahresende ´17 erst Outcast. 

Shadow of the Colossus erschien erstmals 2006 exklusiv für die PlayStation 2 in Europa, in Japan bereits ein Jahr zuvor. Dort galt es bereits als absoluter Geheimtipp, aber auch in heimischen Gefilden sackte es reihenweise Traumwertungen ein. Es folgte ein Remaster für die PlayStation 3, welches ebenfalls überzeugen konnte. Und nun folgt am 19. Februar das Remake für die PlayStation 4. Dieses bleibt zwar inhaltlich identisch zum Original, kommt aber technisch in einem gänzlich neuen, modernen Gewand daher. Verantwortlich für die Umsetzung sind Bluepoint Games, die bereits zahlreiche Klassiker der Spielegeschichte für aktuellere Generationen von Spielern aufbereitet haben und hier oftmals auch hervorragende Arbeit abgeliefert haben. Die zentrale Frage, der dieses Review auf den Grund gehen soll, lautet: Remaster? Schön und gut! Aber gelingt es auch, ein Remake eines absoluten Klassikers zu stemmen?

Die Götter müssen verrückt sein

Wander ist ein junger Krieger. Spärlich gekleidet und gerüstet, fast ein wenig schwächlich und androgyn wirkend. Und doch steht er vor einer (im wahrsten Sinne des Wortes) gewaltigen Aufgabe. Sechzehn Kolosse, so haben es ihm die Götter aufgetragen, müssen fallen, ehe der geheimnisvollen Mono zur Belohnung die Rückkehr aus dem Reich der Toten gewährt wird. Deren Leichnam trägt man zum Spielbeginn zu einem Schrein, welcher die Macht enthalten soll, Tote ins Leben zurück zu holen. Dann beginnt die Reise. Auf dem Rücken des treuen Pferdes Agro ziehen wir durch die Lande, um Koloss für Koloss zu fällen.

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      Den ersten Koloss vergisst man niemals. Im Remake wirken sie noch beeindruckender.

Dass man den gewaltigen Hünen, deren erster Anblick einem selbst zwölf Jahre später als Kenner des Originals noch immer auch dank den grandiosen Einführungssequenzen den Atem raubt, nicht einfach mit Schwerthieben gegen die Fußsohlen beikommen kann, ist natürlich völlig klar. Stattdessen gilt es, erstmal einen Weg auf den Koloss zu finden, ehe man sich dann in einem fordernden Hindernisparcour zur zentralen Schwachstelle vorzuarbeiten. Schlüssel zum Erfolg ist hier Timing und die kluge Nutzung der verfügbaren Ausdauer. Glücklicherweise sind die Schwierigkeitsgrade fair gestaltet und bieten Raum für kleine Fehler, es läuft also niemand Gefahr, gleich wütend den Controller in die Ecke zu pfeffern, nur weil man kurz vor dem Ziel doch noch in die Tiefe stürzt. Zum Glück gibt es viele Möglichkeiten, Gesundheit und Ausdauer des Helden zu steigern. Die zahlreichen Kolosse bieten dabei allerlei unterschiedliche Herangehensweisen und ebenso eigene Herausforderungen, die Geschick und Können des Spielers stets auf neue Weise auf die Probe stellen. In Sachen Gameplay bleibt die Neuauflage dem Klassiker also absolut treu, auch das Spielende (über welches ich Neueinsteigern natürlich nichts verraten werde) ist unverändert und damit eines der besten, wenngleich auch bittersüßesten Enden der Spielgeschichte. 

Magie der Lande

Zwar war Shadow of the Colossus seinerzeit auf der PlayStation 2 bereits ein beeindruckendes Werk, aber dennoch an die Limitierungen der damaligen Hardware gebunden. Die PlayStation 4 sowie deren Pro – Version bieten da natürlich einiges mehr an Leistung und es ist absolut lobenswert, wie sehr Entwickler Bluepoint diese Kapazitäten ausgenutzt hat, um den Klassiker in einem atemberaubend schönen neuen Gewand erstrahlen zu lassen, dabei aber dennoch stets das Flair des Originals wahrt. Für dessen Kenner bietet die Rückkehr in die Welt der Kolosse wunderschön überarbeitete Landschaften voller Leben, ebenso aber auch voller Tod und Kargheit. Alleine dank unzähliger Erweiterungen in Sachen Vegetation erstrahlt die Spielwelt in ganz neuem Glanz und bietet so Impressionen, die man seinerzeit kaum oder gar nicht wahrgenommen hat. Ein wenig fühlt es sich an, als würde man einen alten Freund umarmen, gleichzeitig aber so viel Neues an ihm entdecken, dass es beinahe an ein frisches Kennenlernen erinnert. Und genau das ist neben dem zeitlosen Gameplay die große Stärke des mehr als nur gelungenen Remakes. 

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          Die Welt wurde wunderschön überarbeitet und bietet eine fantastische Atmosphäre.

Aus einzelnen Federn ist ein beeindruckend animiertes Federkleid geworden, welches sich im Wind hin und herbewegt. Flora und Fauna nutzen das neue Physiksystem aus, welches sich ebenso auf die Flugbahn abgeschossener Pfeile auswirkt und so die Spieldynamik ebenfalls stark verbessert. Sogar ein neues Wettersystem wurde implementiert und präsentiert imposante Sandstürme und bedrohliche Gewitter, die in der völlig überarbeiteten Soundkulisse die Boxen zum Dröhnen bringen. So lebendig und wunderschön war die Welt von Shadow of the Colossus noch nie. Man wird förmlich dazu eingeladen, jeden Winkel erneut zu erkunden, da es so vieles zu entdecken gibt und die Liebe der Entwickler zum Detail einfach so wunderbar erscheint. Dabei nutzt der Spieler zur Orientierung grundsätzlich nur die Umgebung, auf Minimaps, GPS und Co. muss man wie im Original auch hier verzichten. Dem Remake gelingt zwölf Jahre nach dem Original noch immer, was brandaktuelle Triple A – Games in einer offenen Welt nicht gelingt: Es bietet dem Spieler Gelegenheit, vollständig in eine Welt einzutauchen, die nicht als bloßer Spielball eines schnell übermächtigen Charakters herhalten muss, sondern ihm stattdessen jederzeit Gefühle von Unsicherheit, Gefahr und Neugierde offeriert. Und die einen dabei zwingt, sich mit dem Charakter, seiner Motivation und allem drumherum im Rahmen einer unglaublich fesselnden und packenden Atmosphäre auseinanderzusetzen. Das einzige Manko im Rahmen all dessen ist für mich, dass der Protagonist bei allem stets viel zu sauber, viel zu glatt und makellos wirkt. Besonders bei den Gesichtern hätte ich mir doch etwas mehr Entwicklungsaufwand gewünscht, da diese mitunter so gar nicht in die Welt passen wollen. 

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                    Den gewaltigen Riesen beizukommen erfordert viel Taktik und Geschick. 

Nebenbei gibt es aber auch für absolute Experten des Klassikers viele Neuerungen, darunter neue Schätze, die es sich anzueignen gilt. Ferner kann man einen Grafikfilter zuschalten, der die Optik ein wenig näher an die Vorlage heranbringt. Wer den ersten Spieldurchlauf beendet hat, kann sich darüber hinaus in fordernden Time Trials erneut auf die Kolosse stürzen, oder aber die gesamte Geschichte im Rahmen von New Game+ ein weiteres Mal erleben, dieses Mal jedoch mit sämtlichen zuvor freigeschalteten Waffen und Rüstungsgegenständen. Neben dem ebenfalls verfügbaren Hardmode gab es das jedoch bereits beim Original. Gänzlich neu dagegen ist der Mirror Mode, der einen das Spiel abermals erneut erleben lässt, durch eine horizontale Drehung der Welt aber wieder für ein differenziertes Spielgefühl sorgt. Ferner lassen sich zahlreiche Artworks freischalten, welche die beeindruckenden Unterschiede zwischen Original und Neuauflage eindrucksvoll darstellen. 

Die kleinen Makel

Während der Soundtrack über jeden Zweifel erhaben ist und die Reise des Spielers durch monumentale Orchesterklänge nahezu perfekt untermalt, hat die atmosphärische Grafik ihren Preis: Auf der normalen PlayStation 4 wird das Bild lediglich in nativen 900p ausgegeben und dann bei zumeist stabilen 30 Bildern pro Sekunde auf 1080 hochgerechnet. Die Pro – Variante bietet dagegen zwei verschiedene Modi zur Auswahl. Da wäre zum einen der Qualitätsmodus, welcher die Bildrate beibehält, dabei aber höhere visuelle Qualität bei 4K – Upscaling bietet, oder aber der Performancemodus, welcher keinerlei grafische Verbesserungen bietet, dafür aber in Sachen Bildrate näher an die wesentlich flüssigeren 60 Frames gelangt. Pro – Besitzer sind also durchaus im Vorteil, ein entsprechendes TV – Gerät vorausgesetzt. Aber auch „Normalos“ müssen sich nicht verstecken, auch hier sieht das Spiel wunderschön aus, wenngleich gerade die höhere Bildrate die Spieldynamik durchaus spürbar anhebt. 

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                Neue Beleuchtung, eine lebendige Flora und Fauna – nie war SotC schöner!

Müsste man nun noch etwas bemängeln, wäre das wohl die gelegentlich sehr unsaubere Kameraführung, die sich immer mal wieder gerne einige Schnitzer erlaubt. Zum anderen funktioniert auch die nach Wunsch überarbeitete Bedienung nicht immer ganz sauber. So bietet sie zwar etwas mehr Komfort, beispielsweise bei einer frei justierbaren Bewegungsgeschwindigkeit, das Manövrieren funktioniert dennoch nicht immer ohne Aussetzer. 

Fazit und Wertung

ava2 „Am Ende der Reise verblieb das gleiche Gefühl von Begeisterung und Faszination, welches ich bereits vor zwölf Jahren nach dem Ende des Originals verspürte. Bluepoint Games ist mit der Aufbereitung eines zeitlosen Klassikers ein Meisterstück gelungen. Das klassische Gameplay wird perfekt konserviert und doch an vielen kleinen Stellen sinnvoll erweitert. Die Spielewelt fühlt sich vertraut an und präsentiert sich dabei dank einer liebevollen Überarbeitung in einem brillanten, lebendigen neuen Gewand. Shadow of the Colossus war seinerzeit einer der Titel, für die man sich eine PlayStation 2 anschaffen musste. Zwölf Jahre später gilt gleiches für die PlayStation 4. Eine vergleichbare Erfahrung bietet momentan kein anderes System. Und es ist fürwahr eine Erfahrung, die jeder, der sich Gamer schimpft, erlebt haben sollte.“

PRO:

+ Fast perfekte Aufbereitung eines absoluten Klassikers
+ Bleibt dem Gefühl des Originals stets treu
+ Lebendige, liebevoll überarbeitete Welt
+ Packende, nahezu verschlingende Atmosphäre
+ Neue Wettereffekte
+ Tolle Beleuchtung
+ Stabile Bildrate 
+ Zeitlose Spielmechanik
+ Beeindruckende Kolosse
+ Wunderschöne Geschichte mit emotionalem Ende
+ Fordernde, dank frei wählbarer Schwierigkeit aber stets faire Bosskämpfe
+ Frei begehbare Welt, die zum Entdecken einlädt
+ Neue Geheimnisse für Schatzsucher
+ New Game+ und Hardmode nach erstem Durchgang verfügbar
+ Time Trials
+ Viele freischaltbare Goodies
+ Wuchtige Soundkulisse
+ Genialer Soundtrack
+ Zugängliche Bedienung mit moderner und klassischer Option
+ Keine DLC- / Lootbox- /Pay-2-Win – Mechaniken

CONTRA:

– Gelegentlich etwas fummelige Kameraführung
– Ab und an mackenhafte Bedienung
– Etwas zu sterile und glatte Gesichter

                                               GESAMTWERTUNG:     96%

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