Age of Empires: Definitive Edition – „Der Zahn der Zeit“

                                          Getestet und verfasst von General M

Auf diesen Artikel habe ich mich bereits bei der Ankündigung der Neuauflage von Age of Empires im letzten Jahr gefreut, war das Original doch das erste Echtzeitstrategiespiel, welches ich in jungen Jahren für mich entdeckte. Seitdem bin ich dem Genre allgemein mit besonderem Vergnügen treu geblieben und habe zudem auch zahllose Stunden mit den Fortsetzungen verbracht. Das Original von 1997 wird aber stets einen besonderen Platz in meinem Herzen haben und gleichzeitig wohl auch immer als einer der Urväter moderner Strategiespiele gelten. Nachdem sich die Veröffentlichung der Definitive Edition, welche ursprünglich bereits pünktlich zum 20. Jubiläum des Erstlings geplant war und sich dann doch in den Februar verschob, nun endlich erhältlich ist, darf ein ausführlicher Test dazu natürlich nicht fehlen! Zum Glück durfte M-Reviews die fertige Fassung bereits eine Woche früher anspielen.

Ho-yo! Ho-yo!

Vorneweg, das Spiel ist seit Heute offiziell erhältlich und bietet für knapp 20€ den kombinierten Umfang der Kampagnen aus dem Original sowie der Erweiterung „Rise of Rome“, sogar die seinerzeit nur als Demo verfügbaren Level haben es ins Spiel geschafft. Wer nun aber bei Steam nach einer Kaufoption Ausschau hält, wird womöglich schwer enttäuscht. Die Definitive Edition ist ausschließlich über den Windows Store erhältlich und setzt als solche zwingend Windows 10 samt Creators Update voraus. Wer also noch auf Windows 7 und Co. daddelt, dem bleibt der Genuss des Spiels zwangsläufig verweigert. Microsoft rechtfertigt diesen Schritt mit der Nutzung seiner hauseigenen XBOX Live – Plattform für sämtliche Mehrspielergefechte, welche vom Konkurrenten Steam und anderen Mitbewerbern selbstverständlich nicht unterstützt wird. Entsprechend unwahrscheinlich ist es im Gegensatz zu anderen Titeln wie beispielsweise Quantum Break, dass AoE je den Weg dorthin finden wird. Zumindest nicht, bis ein Priester für Bekehrung sorgt. 

Der Zahn der Zeit

Hat man besagte Hürde allerdings erstmal überwunden, fühlt man sich schon im Hauptmenü direkt in Kindertage zurückversetzt. Der klassische Soundtrack erstrahlt in neuem Klang und sorgt für nostalgische Gänsehaut mit modernem Einschlag. Gleiches gilt auch für das gesamte Spielgeschehen, welches im Verlauf der vielen Kampagnen einen überaus lehrreichen Querschnitt durch die Zeitgeschichte darstellt. Römer, Griechen, Ägypter und Co. gilt es von den Anfängen bis zu den Höhepunkten ihrer jeweiligen Macht zu bringen. Es gilt, Artefakte zu erobern, Weltwunder zu errichten und seine Ziele entweder durch den geschickten Einsatz von Diplomatie, oder aber NACKTER GEWALT™ zu erreichen! 

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          Die Anfänge sind gemacht, Grundgebäude gebaut und Leichen liegen auf der Straße.

Klassische RPG  – Kost also, eine bis Heute im Kern gleichgebliebene Formel. Wäre da nicht die Tatsache, dass aktuellere Genrevertreter allesamt etwas mehr Spieltempo bieten. Die Definitive Edition von Age of Empires jedoch bleibt den Mechaniken des Originals treu, was besonders die Anfänge zu einem quälend langsamen Ereignis verkommen lässt. Rohstoffe werden nur sehr langsam zusammengetragen, abseits vom Bauwesen erfordert jedes Upgrade Nahrungsressourcen, ganz gleich ob passend oder nicht. Bis man wenigstens eine halbwegs funktionierende Basisstruktur zusammengetragen hat, mit deren Hilfe es überhaupt erst lohnenswert ist, sich ersten Missionszielen zuzuwenden, verstreichen gerne mal 25 Minuten. Hinzu kommt, dass die K.I. in dieser Zeit einem gerne mal ohne Sinn und Verstand kleine Gruppen Krieger ins Dorf schickt, um einen einfach mal eben über den Haufen zu zergen. Das bedeutet, die wenigen Ressourcen müssen zudem auch noch in den raschen Aufbau eigener Truppen gesteckt werden, was es dem Spieler nur noch mehr erschwert, endlich auf einen grünen Zweig zu kommen. Gleichzeitig beginnen feindliche Dorfbewohner, willkürrlich mitten in unserer Basis Kornspeicher aufzubauen. Den Sinn dahinter sucht man stets vergebens. Klar ist es gut, wenn man nicht zu viel Zeit hat, um bequem nach eigenem Wunsch zu expandieren. Aber das Spiel neigt stets dazu, dem Spieler zu den unpassendsten Momenten Druck zu machen. Das sorgt für Frustmomente. 

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      Es ist geschafft: Die Römer haben die Eisenzeit erreicht. Aber die Stadt wirkt dennoch trist. 

Gleichzeitig ist es den Entwicklern, welche sich bisher primär damit befasst haben, neue Erweiterungen für Age of Empires II HD zu entwickeln nicht gelungen, einen der zentralen Ärgernisse des Originals zu beseitigen: Die Wegfindung ist nachwievor eine Katastrophe, Formationen sind undenkbar, die Armee macht schlicht, was sie will. Da kommt es vor, dass die Hälfte der Truppe sich einem Zielpunkt von Westen nähert, die andere Hälfte geht spontan in die andere Richtung. Davon kommen am Ende nur zwei Drittel beim Ziel an, der Rest hat sich irgendwo am Wasser oder einem Hügel festgesetzt. So muss man die eigenen Leute permanent auf Kurs halten, was bei größeren Armeen einfach nur noch nervt, da man Angriffe mit einer großen Streitmacht nur sehr schlecht koordinieren kann. Was vor 20 Jahren noch zu verzeihen war, sind heute schlicht Lächerlichkeiten, die man hätte beheben können. 

Viel zu tun, wenig zu sehen

Neben den umfangreichen Kampagnen, welche bereits zahlreiche Stunden Spielspaß versprechen, darf man sich sein Spiel aber auch bequem nach Wunsch selbst erstellen. Dabei lassen sich Fraktionen, Teams, Ressourcen und mehr ganz nach Wunsch zusammenstellen, ebenso lassen sich die Siegbedingungen frei definieren. Ausschließlich hier kann man dann auch einen klassischen Modus zuschalten, der einem das Spiel dann im Look von 1997 präsentiert. Der große Nachteil: Hier verliert gleichzeitig die Möglichkeit zum Zoom, die Vogelperspektive zoomt dann soweit heraus, dass nicht nur die Übersicht völlig flöten geht, auch die Bildrate bricht dann völlig ein. Gleiches gilt übrigens auch, wenn man in allen anderen Modi bei modernisierter Grafik zu weit herauszoomt. Das liegt übrigens nicht an eventuell zu schwacher Hardware, da die Definitive Edition mit ihrer 2D – Grafik sehr genügsam ist, sondern daran, dass sie noch immer auf der Originalengine von 1997 aufbaut, die mit diesen Mechaniken einfach hemmungslos überfordert ist. Deswegen kann hier auch keineswegs von einem Remake gesprochen werden, sondern mehr von einem Remaster. Dessen überarbeites 2D – Gewand ist dem Original zwar deutlich überlegen, ist aber trotzdem nicht mehr zeitgemäß. Die Umgebung bleibt ebenso wie die Städte leblos und steril, auch die Animationen sind immer gleich. Lediglich das Wasser sorgt dafür, dass abseits der wilden Tiere wenigstens ein bisschen Leben ins Geschehen kommt. Für eine Definitive Edition ist das eigentlich zu wenig. 

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            Im klassischen Modus ist kaum noch was zu sehen, die Bildrate bricht drastisch ein. 

Statt beispielsweise die altbekannten Videosequenzen neu aufzubereiten, hat man diese mangels Quellmaterial einfach komplett aus dem Spiel herausgenommen und dafür die Kampagnentexte vertont. Das klingt im Ergebnis hübsch, ist aber dennoch kein vollwertiger Ersatz. Ferner ist die Deutsche Lokalisierung nicht frei von Fehlern, gelegentlich stößt man auf Rechtschreibfehler oder sogar Buchstabendreher! Trotzdem werden auch einige Erleichterungen im Vergleich zu damals geboten. Untätige Dorfbewohner sind per Knopdfruck auswählbar, gehen aber sonst meistens auch ohne Zutun praktischen Aktivitäten nach. Hat ein Arbeiter beispielsweise gerade einen Kornspeicher errichtet, macht es sich danach direkt daran, Nahrung heranzuschaffen. Gleiches gilt für potenzielle Holzfäller und Steineklopfer. Das ist nicht viel mehr Komfort, aber immerhin ein Schritt näher zu modernen Genrevertretern. Der Mehrspielermodus via XBOX Live funktioniert übrigens gut. Wer bisher keine XBOX besessen oder nie einen Windows Store – Titel mit Online – Funktionen genutzt hat, kann sich kostenlos und mit wenig Aufwand einen entsprechenden Account erstellen. Allerdings funktioniert das Matchmaking nicht fertigkeitenbasiert: Wer Pech hat, kann einem überlegenen Veteranen begegnen. Fairness sieht da natürlich ganz anders aus. 

Bei aller Liebe zum Klassiker wirkt die Definitive Edition im Jahr 2018 trotz grafischer Verbesserungen und etwas mehr Komfort wie ein Gang ins Videospielmuseum. Es ist interessant, hat Charme und erzeugt eine Menge Nostalgie, mit den Titeln jüngerer Zeit, ja sogar mit manchem Vertreter der frühen bis späten 2000er kann sie nicht mithalten. Dafür macht es immer noch einen Heidenspaß, sich mal eben Nuklearkämpfer und Kampfsportwagen zu ercheaten und hemmungslos alles in Schutt und Asche zu legen. Sämtliche Cheats des Originals sind nämlich noch immer gültig. 

Fazit und Wertung

absolutely barbaric 29194142  „Auf der einen Seite bin ich erfreut, diesen Klassiker noch mal in beinahe neuem Gewand erleben zu dürfen, auf der anderen Seite ist der Zahn der Zeit deutlich spürbarer als erwartet. Seit 1997 haben sich die Grundmechaniken des Genres zwar kaum geändert, aber dafür haben sie sich konsequent weiterentwickelt und sich an die Ansprüche der Moderne angepasst. Der Definitive Edition von Age of Empires ist dieses Kunststück nicht gelungen. Hinzu kommen lästige K.I. – sowie Wegfindungsprobleme und auch die überarbeitete Grafik wirkt steril. Für Nostalgiker und Geschichtsjunkies einen Blick wert, alle anderen finden mittlerweile für weniger Geld weitaus bessere Strategietitel. Schade, dass Microsoft bei der Aufarbeitung eines DER Genreklassiker so viel Potenzial verschenkt hat.“

PRO:

+ Großer Umfang dank zahlreicher Kampagnen
+ Enthält zusätzlich alle Inhalte der Erweiterung und sogar aufbereitete Demo – Level
+ Enthält viele lehrreiche Informationen über Völker und Epochen
+ Oft viel spielerische Freiheit beim Erreichen der Missionsziele
+ Liebevoll aufbereiteter Soundtrack
+ Unkomplizierter Editor
+ Zugängliche, einfache Bedienung
+ Volle Unterstützung für sämtliche altbekannten Cheats („Photon Man“ und Co.)
+ Budgetpreis

CONTRA:

– Technisch trotz Überarbeitungen stark veraltet
– Sehr geringe Animationsvielfalt
– Massive Wegfindungsprobleme
– K.I. mit Aussetzern, willkürliche Überfälle sorgen für Frust
– Im Vergleich zu modernen Titeln extrem langsames Spielgeschehen
– Abseits der Gewässer sterile Welt
– Kaum wahrnehmbare Fraktionsunterschiede
– Unbefriedigender Ersatz für fehlende Videosequenzen
– Extremer Bildrateneinbruch bei zu hohem Zoom
– Klassischer Modus im Grunde nutzlos
– Lokalisierungsfehler
– Hässliche, generische Schriftarten

                                                    GESAMTWERTUNG:     67%

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
 
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