The Raven: Remastered – „Starker Rabe im dünnen Federkleid“

                                            Getestet und verfasst von General M 

Bereits Mitte 2013 erschien „The Raven: Vermächtnis eines Meisterdiebes“ erstmals über den Verlauf von drei Episoden für den PC, die Last Gen – Konsolen wurden ein gutes halbes Jahr darauf versorgt. Das vom Bremer Entwicklerstudio KING Art Games stammende Adventure, welches sich seitdem unter anderem mit „Die Zwerge“ einen Namen gemacht hat, präsentiert eine charmante Hommage an die legendären Romane der nicht minder legendären Schriftstellerin Agatha Christie, entsprechend lassen sich zahlreiche Anspielungen auf ihre Arbeit im Spiel finden. Dank namhafter deutscher Sprecher atmosphärisch durchaus gelungen, kränkelte es vor allem am spielerischen Anspruch, mehr aber an zahlreichen technischen Problemen. Seit gestern ist der Titel als Remaster unter dem Banner von THQ Nordic abermals erhältlich und kommt dieses Mal auch für XBOX One und die PlayStation 4 zum kleinen Preis daher. PC – Besitzer dürfen sich freuen: Wer bereits das Original in seiner Steam – Bibliothek hat, bekommt das Remaster automatisch kostenlos. Merzt die überarbeitete Version denn auch endlich die alten Probleme aus? 

Ein Fall für Jakob Zellner

Wir schreiben das Jahr 1964. Über viele Jahre hat ein Meisterdieb namens „Der Rabe“ der Polizei, allen voran Interpol – Inspektor Legrand, das Leben schwer gemacht. Als es ihm dann endlich gelang, den Dieb zur Strecke zu bringen, ging es mit seiner Karriere natürlich steil bergauf. Doch als bei einem Einbruch ins ägyptische Museum in London abermals die Visitenkarte des legendären Raben gefunden wird, hat der werte Inspektor plötzlich wieder allerhand zu tun. Der Transport eines kostbaren Juwels, der sich im Orient – Express auf dem Weg nach Kairo befindet, soll als Köder dienen. An Bord befindet sich eine illustre Gesellschaft, darunter ein Schweizer Geigenspieler mit langen Fingern, eine legendäre Krimiautorin samt Gefolge sowie ein Deutscher Arzt und eine opulente Baronin samt mürrischem Butler und Leberschäden. Aber auch der alternde Wachtmeister Jakob Zellner reist mit. Der ist nicht nur ein ausgesprochener Krimifan, sondern auch stets auf der Suche nach einer Gelegenheit, sich zu beweisen. Als der Rabe dann tatsächlich zuschlägt, scheint diese Gelegenheit trotz aller Widerstände zum Greifen nahe zu sein…

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                     Die Suche nach dem Meisterdieb bringt Zellner nicht selten in Gefahr. 

Dass sich The Raven trotz eigenem roten Faden offensichtlich bei Christie – Klassikern wie „Mord im Orient – Express“ sowie „Tod auf dem Nil“ bedient, fällt Literaten und Filmfans schnell auf. Das muss aber nichts Schlimmes bedeuten, ist die Hommage doch überaus charmant und auch erzählerisch sehr gelungen. In der Haut des neugierigen und engagierten Wachtmeisters führt es den Spieler an viele hübsche Schauplätze, darunter ein Kreuzfahrschiff und ein Museum voller Geheimnisse. Die liebenswerten, aber bewusst auch etwas klischeehaft gehaltenen Charaktere wissen zu unterhalten, besonders auch deswegen, weil die hervorragende Qualität der Deutschen Sprecher nichts an Qualität verloren hat. Mit zum letzten Mal überhaupt zu hören ist hier die Stimme von Gisela Fritsch, die beispielsweise Judy Dench in den Bond – Filmen ihre Stimme geliehen hat und kurz nach Beendigung der Aufnahmen im Jahr 2013 leider verstorben ist. Aber auch Synchronveteranen wie Frank Glaubrecht, Kim Hasper und Stephan Schwarz sind zu hören und liefern allesamt einen tollen Job ab.

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           Ein hübsches Kreuzfahrtschiff – aber wie gelangt der Wachtmeister nur an Bord? 

Die musikalische Untermalung aus der Feder von Benny Oschmann kann ebenfalls überzeugen. Allerdings wirkt das Spielgeschehen aufgrund der Tatsache, dass man außer dem kleinen Kreis illustrer Charaktere sonst keiner Menschenseele in den Spielarealen begegnet, auch stets recht steril. Auch sind die Rätsel nur wenig anspruchsvoll. Dennoch macht es Vergnügen, sich durch die drei Episoden zu spielen, zumal das Ende hübsch überraschend ist. 

Nichts aus den Fehlern gelernt

Das Remaster kommt mit verbesserter Beleuchtung und überarbeiteten Texturen daher. Im Rahmen der nach wie vor genutzten Unity Engine kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen, besonders die Charaktere wirken nun detaillierter und etwas lebendiger. Insgesamt ist das aber auch schon alles, was die Neuauflage an Erweiterungen bietet, abgesehen vom Controller – Support. Letzterer ist aber durchaus eine Bereicherung und kommt besonders PC – Spielern zugute, da das Original vor allem bei der Steuerung mit Maus und Tastatur einige nervige Schwierigkeiten verursacht hat, die leider auch im Remaster erhalten sind. Besonders die Wegfindung wird hier zur frustrierenden Herausforderung für die Nerven. Mit angeschlossenem Gamepad klappt das viel besser, zumal auch die Hotspots wesentlich einfacher anzuwählen sind. Kleinere Probleme bei der Navigation, besonders beim Wechseln der Areale, sind aber geblieben. Man merkt sehr deutlich, dass der entwicklerische Fokus des Remasters stark auf den Konsolen gelegen hat, denn gemessen an der Vorlage sind die Erweiterungen für ein Remaster im Grunde viel zu wenig, als dass sich eine Neuanschaffung lohnen würde, hätte es das Original bereits auf der aktuellen Konsolengeneration gegeben. Für dessen Kenner hat die Neuauflage allenfalls den Charakter eines Patches. 

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                        Was wissen die Baronin und ihr Butler über den Meisterdieb? 

Wirklich ärgerlich ist, dass das Endergebnis trotz vieler Verbesserungen immer noch weit von der Perfektion entfernt ist. So gab es im Original eine Handvoll Gamebreaker – Bugs, die einen bei Pech dazu zwangen, das Spiel, bzw. die Episode komplett neu zu beginnen. Einer dieser Fehler trat beispielsweise auf dem Kreuzfahrschiff auf, wo dem Spieler ein wichtiges Item nicht ausgehändigt wird, wenn er bereits vor der Beschaffung mit dem Inspektor über die Beschaffung gesprochen hat (was ja eigentlich auch Sinn macht). Die Konsequenz: Ein Fortschreiten ist unmöglich, da man ohne besagtes Item nicht in das nächste Areal gelangen kann. Der Fehler ist bereits seit Jahren bekannt und wurde in den Steam – Foren auch rege diskutiert, taucht aber im Remaster ebenso wie sämtliche andere harte Bugs wieder auf! Ein absolutes No Go. Zwar existieren für diese Fehler stets Workarounds, wer sich aber nur auf automatisches Speichern verlässt, kann ganz schnell Opfer des Fehlerteufels werden. Hier zeigt sich deutlich, wie wenig Mühe man eigentlich in die Aufbereitung gesteckt hat, die scheinbar rein kosmetischer Natur ist. Das ist unglaublich schade, da „The Raven“ eigentlich ein gut inszeniertes Adventure ist, welches nun abermals nicht die Behandlung und Sorgfalt erfahren hat, die es eigentlich verdient hätte. Daher mein Tipp: Vorher über Gamebreaker informieren und dann entsprechend die Workarounds ausnutzen. Und vor allem: Manuell speichern!

Fazit und Wertung

ava2 „Die Ankündigung des Remasters hat mich sehr überrascht, gleichzeitig hatte ich aber die Hoffnung, dass das von mir sehr geschätzte Adventure damit vor allem eine Fehlerkur erfährt. Zwar wurden Technik und Bedienung optimiert, aber die zentralen Ärgernisse des Originals hat man dabei einfach ignoriert. Die spielzerstörenden Bugs sind selbst fünf Jahre später nicht behoben, sondern wurden einfach übernommen. Da tröstet es mich wenig, dass das Upgrade für Besitzer der alten PC – Fassung kostenlos ist, sowas ist einfach ein Tabu. Wer die Fehler geschickt zu umgehen weiß und auch mit dem ein oder anderen verbliebenen Manko leben kann, bekommt für knapp 30€ aber ein charmantes, wenn auch wenig anspruchsvolles Abenteuer geboten.“

PRO:

+ Liebevolle Hommage an die Werke von Agatha Christie
+ Tolle Charaktere
+ Hervorragende Deutsche Sprecher
+ Wunderbarer Soundtrack
+ Gemessen am Preis angemessener Umfang
+ Gratis Upgrade für Besitzer des Originals (nur auf dem PC)
+ Verbesserte Bedienung dank gutem Controller – Layout

CONTRA:

– Zentrale Fehler nicht behoben
– Insgesamt sehr wenige Verbesserungen im Vergleich zum Original
– Etwas leblose Umgebungen
– Immer noch gelegentliche Probleme bei der Wegfindung
– Maus- und Tastatursteuerung bleibt frustrierend
– Teilweise sehr seltsame Bewegungsanimationen (Zellner wirkt mitunter betrunken)
– Spielerisch geringer Anspruch

                                                         GESAMTWERTUNG:     70%

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