Yakuza 6: The Song of Life – „Der Drache sagt Tschüss“

                                                  Getestet und verfasst von General M

                                                                  Ab sofort erhältlich

81vDFi7biuL. SL1500 Ganz selten gibt es Serien, die einen über so viele Jahre begleiten, dass sie zu mehr werden als einem bloßen Videospiel. Die Yakuza – Reihe ist für viele, was für mich beispielsweise die Metal Gear Solid – Reihe ist, nämlich ein mich über mehrere Konsolengenerationen hinweg begleitendes Franchise, dessen Charaktere mit der Zeit ebenso altern wie der Spieler vor dem Bildschirm. Man baut so ganz automatisch eine Bindung zu den virtuellen Charakteren auf, fühlt und leidet mit ihnen, je tiefer man in deren Welt eintaucht. Und fürchtet dabei stets den Tag, an dem man sich von all dem verabschieden muss. „Yakuza 6: The Song of Life“ ist dieser Abschied. Nicht vom Franchise, aber immerhin von dessen Hauptfigur.

Zeiten ändern dich

Drei Jahre Gefängnis bekam Kazuma Kiryu nach den Ereignissen von Yakuza 5 aufgebrummt. Jetzt ist er wieder draußen und entschlossen, die Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen. Doch in drei Jahren ist eine Menge passiert. Nicht nur, dass Ziehtochter Haruka mittlerweile Mutter eines Sohns ist, sie liegt nach einem Autounfall auch noch im Koma, der Nachwuchs ist verschwunden. Kazuma macht sich fortan auf die Suche nach den Schuldigen, versucht dabei aber auch gleichzeitig, den Vater des Kindes aufzuspüren. Handelt es sich wirklich nur um einen Unfall? Oder ist irgendjemand aus Kazuma´s düsterer Vergangenheit auf Rache aus? Feinde genug gäbe es ja. Die Spur führt in das kleine Städtchen Onomichi…

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Was über den Verlauf von mindestens 50 Stunden Spielzeit folgt, ist eine auf durchgehend überraschend  spannendem Niveau inszenenierte Kriminalgeschichte voller Wendungen, welche aber trotzdem nicht ganz frei von Makeln ist. Denn die völlig überzogene Japanisierung des Spiels sorgt gelegentlich auch bei hartgesottenen Serienfans für Augenrunzeln. Immer mal wieder muss man sich durch schier endlose Monologe beißen, wird Zeuge völlig skurriler Szenen, welche einen ungewollt aus dem Spielgeschehen reißen. Klar, die Reihe war immer ein bisschen überzogen, aber nie in dem Maße, dass man dabei so sehr die Kontrolle darüber verloren hat, wie in Yakuza 6. Und doch macht es aufgrund der durchgehend toll gelungenen Charakterzeichnung eine Menge Spaß, sich durch die Handlung zu arbeiten, zumal das Ende angenehm versöhnlich ausgefallen ist und einen gelungenen Abschied für Kazuma darstellt. Gleichzeitig begegnet man im Spielverlauf auch vielen liebgewonnenen Charakteren aus vergangen Ablegern, die wie Kazuma, der mittlerweile stolze 48 Lenze auf die Beine bringt, gealtert sind und sich auch entsprechend verändert haben. Auf Kenner vorheriger Teile warten so zahlreiche nostalgische Momente und Referenzen, die Neueinsteigern völlig entgehen. 

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Ohnehin ist der Quereinstieg in Yakuza 6 nicht wirklich zu empfehlen. Nicht, weil es an spielerischer Zugänglichkeit mangeln würde, im Gegenteil: Für nahezu jede Aktivität gibt es ein ausgiebiges Tutorial, auch das Kampfsystem ist aufgrund seiner Vereinfachung schnell zu erlernen. Nein, es liegt eher an der daraus resultierenden Weise, wie man die Geschichte genießen kann. Immerhin umspannen die Ereignisse um Kazuma über alle Spiele hinaus beinahe 30 Jahre, die selbst der enthaltene Prolog nicht in dem Umfang erzählen kann, den diese lange Zeitspanne verdient. Man KANN, aber man SOLLTE nicht. Die ganze Geschichte, all die Charaktere und Referenzen, all das gewinnt so viel mehr emotionales Gewicht, wenn man sich vorher mit den Vorgängern befasst. Man beginnt ja auch nicht mit dem letzten Teil vom „Herrn der Ringe“ und holt erst danach die anderen beiden Bücher nach. Man muss Entwickler SEGA anrechnen, dass er sich große Mühe gegeben hat, das Spiel auch für Neulinge interessant zu machen. Und trotzdem möchte ich allen, die mit dem Kauf liebäugeln raten: Beginnt die Reise von Vorne. Dafür braucht es nicht mal mehr eine PlayStation 2, auf welcher die Reihe vor langer Zeit ihren Anfang nahm, denn mit Yakuza 0 (einem Prequel zum ersten Teil) und Yakuza Kiwami (einem Remake des ersten Teils) kann man die Anfänge in hübschem Gewand längst auch auf der PlayStation 4 genießen. Mit Kiwami 2 ist momentan übrigens auch ein Remake des zweiten Teils in Arbeit, welches noch in diesem Jahr erscheinen soll. Sämtliche restlichen Teile lassen sich mit etwas Glück günstig für die PlayStation 3 auf dem Gebrauchtmarkt finden. XBOX – Besitzer brauchen sich übrigens gar nicht erst auf die Suche begeben, denn die gesamte Reihe war und ist stets Playstation – Exklusiv und wird es mit ziemlicher Gewissheit auch bleiben. 

So viel zu sehen, so viel zu tun

Die große Stärke der Reihe lag mitunter auch immer in der prächtigen Inszenierung der Spielumgebung, welche mit einer unglaublichen Fülle von Aktivitäten aufwartet. Diese Formel wird in Yakuza 6 nahezu perfektioniert. Von Grundauf mit neuer Engine für die PlayStation 4 designt, präsentiert sich das bekannte Amüsierviertel Kamurocho schöner und hypnotischer als je zuvor. Bei Nacht überladen von Neonfarben und voller Liebe zum Detail gestaltet, verliert man sich abermals unendlich schnell in Karaoke – Bars, Cafés und zahlreichen anderen Lokalitäten, immer auf der Suche nach Spaß, Streit und der Gesellschaft hübscher Damen. Ein gut gefüllter Magen sorgt übrigens für nützliche, temporäre Boni, die in Kämpfen hilfreich sein können. 

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Letztere verkommen in Yakuza 6 zwar grundsätzlich eher zu belanglosen Gespielinnen, anstatt irgendwann auch mal eine gewichtige Rolle einzunehmen, aber auch das gehört zum Spielgefühl einfach dazu und muss immer auch im Kontext der Inszenierung betrachtet werden. Die Nebenaktivitäten dienen allerdings nicht nur dem bloßen Zeitvertreib, sondern belohnen Kazuma mit Erfahrungspunkten, die er in die Steigerung seiner Fähigkeiten investieren kann. Denn natürlich wird auch in Yakuza 6 wieder eine Vielzahl von Kämpfen ausgetragen, der Schlüssel zur Herrschaft über das Viertel liegt aber nicht alleine bei Kazuma, sondern verlangt nach einer schlagkräftigen Truppe, auch Clan genannt. 

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Willige Rekruten lassen sich überall aufgabeln und aufleveln. Das ganze ist beinahe ein eigenes Spiel im Spiel und es macht einen Heidenspaß, seine Soldaten hochzurüsten. Als Leibwächter sorgen die Untergebenen so auch in schwierigen Auseinandersetzungen für die entsprechende Rückendeckung, sind aber auch in vielen anderen Situationen von großem Nutzen. Es gibt also einiges zu sehen und zu tun. So viel, dass Yakua 6 mehr noch wie seine Vorgänger stellenweise wie ein Real Life – Simulator wirkt, wo man sogar ein eigenes Baseball – Team auf die Beine stellen kann und dann mit den Jungs auf dem Platz gegen andere Teams antreten kann. Fener kann man sogar an einem Online – Sexchat teilnehmen. Wahnsinn! Das große Problem bei dieser auf den ersten Blick immensen spielerischen Freiheit ist, dass diese bei vielen Aktivitäten in teilweise extrem öden Try- and Error – Minispielen endet, die in der Umsetzung längst nicht mehr zeitgemäß sind. So muss beispielsweise in einer Unterhaltung stets die einzig richtige unter einer Auswahl möglicher Antworten gesucht werden, anderenfalls geht der bisherige Fortschritt im Rahmen der Unterhaltung komplett verloren. Dass man dem Spieler hier also stets nur einen gültigen Weg aufzwingt, ist eine bittere Pille im sonst so ausufernden Aktivitätenpool.

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Beim Kampfsystem setzt SEGA wie erwähnt auf Vereinfachung. Zwar kann man sich noch immer die Umgebung zunutze machen und diese gegen die Gegner einsetzen, der Fokus liegt aber hier endlich wieder mehr auf dem Einprägen bestimmter Kombos und deren strategischem Einsatz. Das Ergebnis fühlt sich wesentlich besser an als die zuletzt eher waffenüberladenen Vorgänger. Mit der Zeit lädt sich ferner die Drachenkraft auf, die nach Aktivierung über einen kurzen Zeitraum mächtige Angriffe bietet und so gegebenenfalls auch aussichtslose Kämpfe noch in einen Sieg zu verwandeln mag. Das Problem ist nur, dass die Kämpfe über weite Strecken nie wirklich fordernd sind, was das Feature wenigstens taktisch gesehen etwas überflüssig macht. Und das selbst auf der höchsten Schwierigkeitsstufe.  

Licht und Schatten

So detailverliebt und wunderschön Yakuza 6 zumeist ausschaut, umso mehr kämpft das Spiel auf der gewöhnlichen PlayStation 4 auch mit Problemen. Tearing und teilweise heftige Einbrüche der Bildrate sind hier keine Seltenheit. Ärgernisse, die nur das Pro – Modell beseitigt, weshalb diese durchaus zu empfehlen ist, wenn man das Spiel ohne diese lästigen Einbußen genießen will. Zusätzlich zur prächtigen Welt und den grandiosen Charakteranimationen beeindrucken besonders die Zwischensequenzen durch eine fantastische inszenatorische Qualität, der lediglich eine bessere Kameraführung gut zu Gesicht gestanden hätte. Anders als in manchen anderen Ablegern der Reihe geht Kazuma nun wieder grundsätzlich gemütlich durch die Straßen, anstatt sofort von 0 auf 100 zu rennen. Das tut der Immersion ungemein gut, gibt es dem Spieler doch die nötige Ruhe und Zeit, sich umzusehen und all die Details in sich aufzusaugen, welche die Welt von Yakuza 6 so einzigartig und schön gestalten. Technisch muss sich der Titel definitiv nicht vor den aktuellen PlayStation – Referenzen verstecken. Der Entwickler hat sehr gut daran getan, auf eine große, aber dafür leere Open World zu verzichten und stattdessen auf kleinem Raum ein intensives, belebtes Gebiet von qualitativ hochwertiger Dichte zu erschaffen. Gleiches gilt natürlich abseits der Partymeile auch für Onomichi, welches einen ganz eigenen, gemütlichen Charme bietet, dabei aber nicht minder detailverliebt erscheint. 

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Dazu trägt auch der Ton bei, der ausschließlich in Japanischer Sprachausgabe mit Englischen Untertiteln präsentiert wird. Deutsche Untertitel oder dergleichen gibt es nicht. Das bedeutet, wer kein Japanisch oder Englisch versteht, wird höchstwahrscheinlich ziemlich dumm darstehen. Doch bevor man hier zu große Kritik anbringt, sollte gesagt werden, dass Yakuza 6 tatsächlich JEDEN Dialog im Spiel vertont hat, selbst unwichtigste Nebenfiguren haben so eine eigene Stimme. Und all das dann neu in andere Sprachen zu übertragen, wäre wohl ein extrem teures Unterfangen, welches neben dem immensen Zeitaufwand auch keine Garantie dafür gewesen wäre, dass das Ergebnis so sehr überzeugt wie der tolle Japanische Originalton.  Zu guter letzt wie immer ein Wort zur Bedienung: Die geht zu jeder Zeit gut von der Hand, ist leicht zu erlernen und sorgt zu keinem Zeitpunkt für Ärgernisse. Genau so muss das sein. 

Fazit und Wertung

ava3„Was für ein tolles Finale! Trotz vieler kleiner Schwächen stellt ´Yakuza 6´ einen versöhnlichen, würde- und eindrucksvollen Abschluss der Geschichte um Kazuma Kiryu dar. Mehr als je zuvor begibt man sich als Spieler in eine detailverliebte, immersive Welt voller Leben, voller Möglichkeiten und voller Gefahren. Es gibt an jeder Ecke etwas zu tun oder zumindest etwas zu entdecken, während man ´gleichzeitig neugierig ist, wie sich die umfangreiche Hauptgeschichte wohl weiterentwickeln wird. Ohne PlayStation 4 PRO wird einem all das aber nur mit häufig auftretenden Bildrateneinbrüchen präsentiert. Und auch die spielerische Freiheit wirkt angesichts vieler nerviger Quicktime – Events und Minispielen gelegentlich eher illusionär. Was bei all dem aber bleibt, ist ein umfangreiches, spannendes und schönes Finale einer langen, langen Reise. Kazuma-San, du wirst mir fehlen.“

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win: Yakuza 6 ist ein reiner Einzelspielertitel und enthält weder Mikrotransaktionen noch fragwürdige Pay-2-Win – oder Lootbox – Mechaniken. Eine Abwertung gibt es daher diesbezüglich nicht. 

PRO:

+ Würdiger Abschluss der Geschichte um Kazuma Kiryu
+ Spannend inszenierte Kriminalgeschichte 
+ Charaktere mit Persönlichkeit
+ Hervorragende Charakteranimationen
+ Immersive, detailverliebte Spielwelt…
+ …welche zudem voller Leben ist
+ Viele Referenzen zu den Vorgängern
+ Gewaltiger Spielumfang (50 Stunden Plus) inkl. Legendenmodus als NG+ 
+ Wiedersehen mit bekannten Charakteren
+ Immense Auswahl an Freizeitaktivitäten
+ Motivierender Clan – Build
+ Umfangreiche Tutorials zu allen Modi und Aktivitäten
+ Dank umfangreichem Prolog auch für Einsteiger geeignet, ABER nicht empfehlenswert
+ Eingängige, leicht zu erlernende Steuerung
+ Passender Soundtrack
+ Bis in die kleinste Nebenrolle vertont

+ Kampfsystem besinnt sich wieder auf alte Tugenden

CONTRA:

– Nervige technische Einbußen auf Standard – PS4 – Modellen (Tearing, FPS – Einbrüche)
– Selbst für Serienverhältnisse gelegentlich etwas zu überzeichnete Kulturdarstellung…
– …welche dem Spiel Atmosphäre nimmt

– Erzählerisch nicht immer auf hohem Niveau
– Etwas zu steife Kameraführung bei den Zwischensequenzen

– Generische, repetive Minispiele rauben viel spielerische Freiheit
– Kämpfe selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden oft zu leicht
– Ausschließlich Japanische Vertonung mit Englischen Untertiteln


                                                      GESAMTWERTUNG:     83%

                                                          
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