Returnal – „Der Tod ist erst der Anfang“

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                                                     Getestet und verfasst von General M 

910CWZqWQwL. SL1500 Obwohl es gegenwärtig immer noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, an eine PlayStation 5 zu gelangen, dürfen sich die wenigen Glücklichen mit Returnal knapp ein halbes Jahr nach Release der neuen Konsole nun über das erste, komplett plattformexklusive Exclusive freuen.Das vom finnischen Studio Housemarque entwickelte Returnal ist ein waschechtes Rogue-Lite und will gleichermaßen durch Gameplay und Grafik überzeugen. Genretypisch verlangt einem das Spiel dabei vor allem eines ab, nämlich Nerven. Warum selbst Veteranen von Dark Souls und Co. in den Untiefen des Weltalls an ihre Grenzen stoßen könnten, erklären wir in unserem umfangreichen Review. 

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Gestrandet in Zeit und Raum

Um einem geheimnisvollen Signal nachzugehen, entschließt sich Astronautin Selene Vassos, sämtliche Befehle ihres Arbeitgebers zu ignorieren und mit ihrem Raumschiff komplett auf eigene Faust auf dem am Rand der Galaxis gelegenen Planeten Atropos zu landen. Dabei geht wie so oft in solchen Abenteuern natürlich nicht alles glatt: Das Raumschiff legt eine verheerende Bruchlandung hin, die resolute Pilotin kommt nur knapp mit dem Leben davon. Ohne Möglichkeit, um Hilfe zu rufen bleibt ihr nichts anderes übrig, als mit einem Minimum an Ausrüstung den Planeten zu erkunden. Es dauert nicht lange, bis Selene nicht nur Horden feindlich gesinnter Monster gegenübersteht, sondern voller Entsetzen auch noch auf ihre eigene Leiche stößt. Schnell wird klar: Die Gestrandete ist in einer Zeitschleife gefangen, jeder Tod bringt sie unweigerlich zurück zum Moment ihrer Ankunft. Dabei werden nicht nur die einheimischen Kreaturen wieder quicklebendig, auch die Umgebung veröndert sich immer wieder komplett. 

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Schlimmer noch, mit jedem Ableben verliert Selene auch sämtliche auf Atropos gesammelte Ausrüstung. Auf der Suche nach Antworten, die immer wieder von verstörenden Visionen begleitet wird, kommen wir nicht nur einer uralten Zivilisation auf die Spur, sondern enträtseln Stück für Stück unsere eigene, mysteriöse Vergangenheit. Doch bis es soweit ist, gilt es tausend Tode zu sterben und es immer wieder erneut mit einer sich stetig verändernden Flora und Fauna aufzunehmen. Ob Selene der Zeitschleife entkommen kann liegt also letztendlich ganz allein bei euch – und der Länge eures Geduldsfadens. Denn so überraschend spannend und komplex die Story für ein Rogue-Lite ausgefallen ist, so sehr werdet ihr bis zur Aufklärung sämtlicher Geheimnisse leiden, fluchen und schreien. Wer davor Angst hat, findet in Returnal wahrscheinlich seinen größten Nemesis. Doch Mutige werden belohnt, denn gerade wegen seines quälend schweren Gameplays fühlt sich jeder Etappensieg umso befriedigender an. 

Auf ein Neues!

Returnal richtet sich mit seinem Gameplay eindeutig nicht an Gelegenheitsspieler, die nach Feierabend ein bisschen vor der Konsole entspannen wollen. Durchhaltevermögen und gute Reflexe sind nötig, wenn man eines der beiden Spielenden erreichen will. Beides wird sogar mehr gefordert als im Rahmen eines Dark Souls, denn dank der prozedural generierten Umgebung inklusive Fundorten von Items befindet man sich quasi mit jedem Ableben wieder in einer komplett neuen, unberechenbaren Welt wieder. Trotzdem kann man aus jedem Durchlauf einige Lektionen mitnehmen, die einem beim nächsten Versuch dann (hoffentlich) helfen, dem Ende der Zeitschleife ein Stückchen näher zu kommen.

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Alleine bis man die Angriffsmuster der Gegner völlig durchschaut hat, erleidet Selene mit hoher Wahrscheinlichkeit erst einige Tode. Von den mächtigen Bossgegnern am Ende eines der jeden von insgesamt sechs angenehm abwechslungsreich gestalteten Arealen gar nicht zu reden. Die muss man aber zum Glück nur einmalig besiegen und schaltet damit gleich eine Abkürzung zum nächsten Biom frei, welche selbst nach erneutem Ableben jederzeit wieder genutzt werden kann. Einige wenige dauerhafte Hilfen gönnt einem Returnal dann aber doch. Bestimmte Perks bleiben auch nach dem Tod erhalten, gleiches gilt für Waffenverbesserungen, die sich mit wiederholter Nutzung automatisch freischalten. Und selbst die stetig wachsende Sammlung an gefundenen Informationen über Gegner und die Welt lässt sich verlustfrei in den nächsten Playthrough übernehmen und konstant erweitern. 

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Lediglich die Schießprügel selbst müssen erst wieder gefunden werden. Im weiteren Spielverlauf stehen Selene neben Schnellreisepunkten auch ein Greifhaken dauerhaft zur Verfügung, selbst außerirdische Parasiten können zur Verstärkung von Fähigkeiten genutzt werden. An bestimmten Terminals lassen sich zudem im Austausch gegen die Ingamewährung Äther viele nützliche Items erwerben, welche ebenfalls dauerhaft in eurem Inventar verweilen. Nicht alle Items sind aber nützlich, vieles wirkt wie unnötiger Füllstoff. Dadurch gerät das Entdecken der Welt abseits der zentralen Pfade oft zu einer wenig gewinnbringenden Angelegenheit, denn wer riskiert freiwillig einen vermeidbaren Tod für mehr oder weniger überflüssige Items? Wer in der Lage ist, die Mechaniken des Spiels zu seinem Vorteil einzusetzen, wird schnell erkennen, dass Returnal und seine Welt mit jedem Durchgang ein bisschen verständlicher und einfacher zu meistern ist. Was sich also auf den ersten Blick nach einer undankbar-ziellosen Plackerei anhört, entpuppt sich mit der Zeit als extrem motivierende Erfahrung, die einen selbst nach zigfachem ins Gras beißen immer wieder antreibt. 

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Wo jeder Try zählt und das bisher Unüberwindbare nach zähmen Ringen plötzlich überwindbar erscheinen kann, ist es umso ärgerlicher, dass Housemarque sein Spiel komplett ohne Speicherfunktion ausgeliefert hat. Zwar lässt sich ein Durchgang über den Ruhemodus der PlayStation 5 jederzeit fortsetzen, auf Dauer dort weiterzumachen wo man zuletzt aufgehört hat ist gegenwärtig aber nicht möglich. Werdet ihr aus irgendwelchen Gründen gezwungen, das Spiel erneut zu starten, beginnt ihr auch automatisch einen neuen Durchgang. Erschwerend hinzu kommt, dass sich das Spiel trotz umfangreichem Update zum Release immer mal wieder anfällig für Abstürze zeigt. Entsprechend groß ist der Unmut seitens der Community. Die Macher sind sich dieser Probleme und Wünsche aber bewusst und versprechen, noch über eine Speicherfunktion nachzudenken. 

Im Rausch der Geschwindigkeit

Über jeden Zweifel erhaben ist dafür das rasante Gunplay. Hier setzt Returnal anders als ähnlich strukturierte Spiele nicht auf eher langsame Mechaniken, sondern stellt Tempo in den Vordergrund. Trotz Weltraumanzug ist Selene nämlich alles andere als träge unterwegs. Ähnlich wie in DOOM: Eternal gilt auch hier: Nicht lange nachdenken, sondern loslegen. Komplexe Zusatzfunktionen, von denen ihr euch im Spielverlauf immer mehr aneigenen könnt, wollen ebenfalls klug genutzt werden. Das muss man nach und nach lernen, besonders am Anfang kann einen die Vielzahl von Möglichkeiten, unter anderem die Option über sich stetig ansammelndes Adrenalin bestimmte Boni zu nutzen, ziemlich überrollen. Ein gegnerischer Treffer und die komplette Leiste leert sich. Dann heißt es wie so oft in Returnal: Alles auf Anfang.

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Leiden und Lernen wechseln sich konstant miteinander ab, selbst nach zehn, fünfzehn Stunden lernt man immer noch Neues dazu. Returnal belohnt das Meistern seiner Mechaniken mit einem tollen Gefühl von Zufriedenheit, wie es das Scheitern daran konsequent bestraft. Es gibt keine Checkpoints, keine Optionen dafür, den Schwierigkeitsgrad zu senken. Entweder siegt ihr, oder verliert. Dazwischen ist nichts. So knallhart das alles klingen mag: Returnal mag brutal schwer sein, bleibt dabei aber immer fair. Jeder Fehler ist nachvollziehbar und lädt dazu ein, die bisherige Taktik zu überdenken und es nächstes Mal besser zu machen. Gerade das macht das Genre so spannend, gerade das hat Housemarque trotz bisherigem Fokus auf eher arcadelastige Titel gleich beim ersten Anlauf nahezu perfekt hinbekommen. Darauf muss man sich einlassen wollen, anderenfalls wird man es schnell bereuen, saftige achtzig Euro auf den Tisch gelegt zu haben. 

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Zusätzlichen Support erhält die ohnehin schon intuitive Bedienung durch den DualSense. Sony hat mit Astro´s Playroom bereits zum Launch der Konsole gezeigt, welche Möglichkeiten der neue Controller bietet. Returnal setzt da nahtlos an und nutzt Features wie die adaptiven Trigger optimal aus. Was ich anfangs allgemein für eine technische Spielerei hielt, die sich auf Dauer wahrscheinlich wenn überhaupt nur im First Party – Segment durchsetzen wird, hat spätestens jetzt voll und ganz mein Herz erobert und wird spätestens beim Wechsel auf eine andere Plattform umgehend vermisst. Dank des DualSense wird das ohnehin schon effektvolle Gunplay nur noch immersiver. In Sachen Bedienung also alles richtig gemacht. 

Prachtoptik und Partikelreigen mit kleinen Schwächen

Gut ein halbes Jahr nach Release der PlayStation 5 bekommt diese nun also endlich ihr erstes Exklusive mit hohem Budget spendiert, entsprechend hoch sind die Erwartungen vor allem hinsichtlich technischer Aspekte. Denn wenn wir mal ehrlich sind, hat die schwer erhältliche Konsole bisher nur wenige handfeste Argumente für einen Kauf geliefert. Das ist nun vorbei, denn schon nach den ersten Minuten mit Returnal wird klar, dass das Spiel in dieser Form unmöglich für die Last Generation hätte umgesetzt werden können. Housemarque kombiniert hier die visuellen Stärken der Unreal Engine 4 mit dem hauseigenen Partikelsystem, um zumindest effektechnisch bisher Ungekanntes auf die Bildschirme zu zaubern. Grundsätzlich ist die Welt von Returnal eine sehr lebendige und als solche immer in Bewegung. Aber erst wenn in den Gefechten tonnenweise neonfarbener Geschosse aus allen Richtungen fliegen und sich Selene beim Teleportieren in tausende einzeln zählbarer Partikel verwandelt, werden die technischen Errungenschaften zweier potenter Techniken deutlich. 

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Dazu gesellt sich eine atmosphärische Beleuchtung und neben herrlich abwechslungsreich gestalteten Monstern in allen Formen, Farben und Größen auch eine hohe Texturqualität sowie nicht zuletzt eine mit glaubhafter Mimik versehene Heldin. Eine Menge Rechenaufwand ist die logische Folge, welchen die PlayStation 5 – zugegebenermaßen mit kleineren Tricks – über weite Strecken hervorragend bewältigt bekommt. Standardmäßig wird das Spiel in 1440p ausgegeben und dann auf 4K hochskaliert, wobei manche Bereiche aber auch niedriger aufgelöst werden können. Das fällt aber wirklich nur bei genauem Hinsehen auf. Angepeilt werden 60 Frames pro Sekunde für geschmeidiges Gameplay, die allerdings in arg dichten Gefechten mit mehreren Gegner auf dem Schirm samt zugehörigen Effektfeuerwerk durchaus mal in den unteren Fünfzigerbereich absacken können. Gleiches gilt beim Wechsel zwischen den Biomen. Dank der integrierten SSD gibt es zwar effektiv keine Ladezeiten beim Übergang zu einem neuen Gebiet, dafür kann es aber je nachdem mit welchem Tempo man die Tore durchschreitet ebenfalls kurz zu kleineren Einbrüchen kommen. Alles in allem ist die Umsetzung aber sehr sauber geraten.

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Ein weiteres Lob verdient sich das Spiel für seine immersive Soundkulisse, die sich erst unter Nutzung einer potenten Heimkinoanlage oder dem Pulse 3D – Headset so richtig entfaltet. Zu guter letzt noch ein ergänzendes Wort zur Bedienung: Returnal bietet optional Zielhilfen an, die man definitiv aktivieren sollte um sich das Leben nicht noch schwerer als ohnehin schon zu machen. Unaufdringliche Tutorials unterstützen euch zudem vor allem in den ersten Stunden dabei, jeden Kniff des zugänglichen Bedienschema zu erlernen. Mehr Hilfen solltet ihr aber wirklich nicht erwarten. Der Rest liegt ganz alleine bei euch…

Fazit und Wertung

profilbildapril„Die Erwartungen an die Leistungsfähigkeit neuer Konsolen ist immer zu deren Anfang und Ende am höchsten. Dass ausgerechnet ein eher kleines Studio aus Finnland, welches sich bisher hauptsächlich durch kunterbunte Arcadegames ausgezeichnet hat, die erste große Exklusivgranate auf der PlayStation 5 zünden würde, hätte bis zu Returnal aber wohl niemand erwartet. Zugegeben, das bockschwere Rogue-Lite eignet sich definitiv nicht für alle und lässt stellenweise sogar ein Sekiro entspannend wirken. Wer sich aber mutig immerwährenden Toden stellt, um in spannende Story rund um eine Zeitschleife am Rande der Galaxis einzutauchen, wird mit hervorragendem Gunplay und einer fast fehlerlosen Technik belohnt. Wäre da nicht die fehlende Speicherfunktion nebst einigen anderen kleineren Mankos, hätten wir noch höher werten können. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und für Housemarque gilt ab sofort: Willkommen in der Oberliga!“

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PRO:

+ Spannende Story…
+ …mit einigen gelungenen Wendungen
+ Glaubwürdige Protagonistin
+ Gelungener erzählerischer Wechsel zwischen Sci-Fi-Horror und Mystery
+ Sechs abwechslungsreich gestaltete Biome…
+ …deren Aufbau sich mit jedem Durchgang ändert
+ Tolles Gegner- und Weltdesign
+ Referenzverdächtiges Partikelsystem
+ Stimmige Beleuchtung
+ Hohe Detailverliebtheit bei Texturen und Animationen
+ Nahtlose Übergänge ohne Ladezeiten
+ Brutal schwer, aber nie unfair
+ Sammelobjekte vertiefen Handlung und Setting
+ Motiviert auch nach tausend Toden noch zum Weiterspielen
+ Hervorragendes Gunplay
+ Atmosphärische Soundkulisse, besonders im Heimkino oder via Pulse 3D-Headset
+ Auch in temporeichen Momenten präzise Bedienung
+ Features des DualSense werden optimal ausgenutzt

CONTRA:

– Keine Speicherfunktion
– Performanceeinbrüche in besonders effektlastigen Situationen keine Seltenheit
– Gelegentlich etwas ruckelige Übergänge beim Wechsel zwischen Biomen
– Viele Items im Grunde nutzlos…
– …was das Erkunden von Routen abseits der Hauptziele relativ uninteressant gestaltet

                                                 GESAMTWERTUNG:     8.7/10

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