Resident Evil Village – „Ein Kessel Böses“

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                                                     Getestet und verfasst von General M 

re8kaDie Resident Evil – Reihe hat sich seit ihren Wurzeln auf der PlayStation One über die letzten Jahrzehnte zu der Topadresse für Survival Horror gemausert. Mit dem offiziellen achten Teil sagt CAPCOM den Zombies weiterhin Goodbye und schickt den in Resident Evil 7 als neuen Helden etablierten Ethan Winters auf der Suche nach seiner entführten Tochter gegen Werwölfe, Vampire und andere Monstrositäten ins Feld – übrigens erneut aus der Egoperspektive. Gleichzeitig bedeutet der Release von Resident Evil Village auch das Seriendebüt auf der brandneuen Konsolengeneration und verspricht dort sogar Raytracing. Wir sind für euch in den schneebedeckten Osten gereist, um einer zentrale Frage auf den Grund zugehen: Ist das überhaupt noch Resident Evil oder wurden die Wurzeln längst vergessen?

                  Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde auf der XBOX Series X erstellt. 

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Von Fell und Fangzähnen

Einige Zeit, nachdem Ethan Winters es auf der Suche nach seiner Frau Mia in den Sümpfen von Louisiana erfolgreich mit der irren Sippe Baker, Pilzmutanten und fragwürdigen Kochrezepten aufgenommen hat, lebt die wiedervereinte Familie mit Töchterchen Rose ein friedliches Leben im weit entfernten Rumänien. Als eines Abends plötzlich der ehemalige S.T.A.R.S./B.S.A.A. – Agent Chris Redfield mitsamt einem Killerkommando im Haus der Winters auftaucht, Mia mit Blei durchsiebt und anschließend Ethan und Rose kidnapped, ist es mit dem Idyll aber innerhalb weniger Augenblicke vorbei. Der leidgeprüfte Vater erwacht wenig später inmitten der rumänischen Pampa neben dem aus unerklärlichen Gründen von der Straße abgekommenen Einsatzfahrzeug und entschließt sich, seine Tochter aus der Gewalt von Chris zu befreien.

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Erste Spuren führen in ein auf den ersten Blick verlassenes Dorf ganz in der Nähe. Wenig später trifft Ethan dann doch auf ein paar wenige verbliebene Einwohner. Die berichten von Vampiren, Werwölfen und Hexen, die allesamt kontrolliert von der geheimnisvollen Mutter Miranda aus dem direkt an das Dorf angeschlossen Schloss Dimitrescu ausschwärmen. Schlimmer noch: Die Satansbande hat offenbar auch Tochter Rose in ihrer Gewalt. Es dauert nicht lange, bis die verrückten Schlossherren persönlich bei unserem Helden vorstellig werden. Inmitten von Eis und Schnee nehmen wir bewaffnet mit einem stetig wachsenden Waffenarsenal einmal mehr den Kampf gegen das Übersinnliche auf und sehen uns dabei gänzlichen neuen Albträumen ausgesetzt. Was sich zumindest in der ersten Stunde ebenso spannend spielt, wie es sich liest, verliert sich allerdings schnell in einer hanebüchenen Story weit unterhalb des sonst so charmant mit einem Augenzwinkern inszenierten Setting in der Tradition preisgünstig hergestellter Flicks aus den Achtzigern und Neunziger, in der ausgerechnet der Horror als zentrales Serienelement zugunsten eines merklich actionlastigeren Gameplays viel zu kurz kommt. 

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Dass CAPCOM sich dazu entschieden hat, den leider auch dieses Mal völlig uninteressanten Protagonisten gefühlt gegen die gesamte Palette rumänischer Folklore ins Gefecht ziehen zu lassen, geht dabei erstmal komplett in Ordnung. Das geschieht aber gefühlt so plan- und zusammenhangslos, dass die erst im späteren eintreffenden und konstruiert wirkenden Erklärungen für den seltsamen Monsterzusammenschluss auch nichts mehr reißen können. Darüber kann auch die weit über zwei Meter große Vampirlady Dimitrescu, mit der wir es ausschließlich im ersten Drittel des Spiels zu tun bekommen, kaum hinwegtrösten. Spätestens danach kriegen wir es eher mit generischen Bossen und Gegnern zu tun, die über weit weniger Erinnerungswert verfügen. Und da sich deren Areale in strikter Reihenfolge nacheinander öffnen, bleibt auch Resident Evil Village trotz offen wirkender Welt eine sehr lineare Erfahrung, die bereits nach gut zwölf bis fünfzehn Stunden ein relativ unbefriedigendes Ende findet. 

Gemischte Platte

Man merkt, dass die Macher darum bemüht waren, die beliebtesten Elemente der Vorgänger unter einem Dach zu vereinen. Nur ist genau das seinerzeit schon mit Resident Evil 6 konsequent gescheitert. Warum CAPCOM nun wieder genau dasselbe versucht, will sich mir nicht erschließen, denn auch Resident Evil Village will ein bisschen was von allem bieten, macht aber nichts davon durchgehend gut. Die Dorfatmosphäre eines Resident Evil 4, vermengt mit dem Gameplay von Resident Evil 7 und abgeschmeckt mit eher actionreichen Elementen á la Resident Evil 6 will auch nach langer Garzeit einfach nicht munden. Das kräftige Anfangsaroma verflüchtigt sich rasch, was bleibt ist eine große Schüssel Brei. Dabei zeigen die Macher im detailverliebt gestalteten Schloss Dimitrescu noch am ehesten ihr eigentlich vorhandenes Gespür für atmosphärischen Grusel der Güteklasse A. Gejagt von der gleichnamigen Lady und ihren Vampirtöchtern gilt es immer wieder, kleinere Umgebungs- und Objekträtsel zu lösen, ehe wir uns der zornigen Schlossbesitzerin höchstselbst auf der obersten Schlosszinne zum finalen Kampf stellen. 

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Diese Qualitäten verschwinden danach aber stetig im Nirvana. Spätestes im letzten Drittel verkommt das Spiel zur reinen Ballerorgie, die soweit entfernt von den Serienwurzeln agiert, dass man spätestens dann komplett vergisst, dass man es hier überhaupt mit einem Resident Evil zu tun hat. Die Elemente des Survival greifen sowieso erst ab der dritten von insgesamt vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Bis einschließlich normaler Stufe gibt das Spiel Munition und Craftingmaterialien viel zu großzügig aus, als dass man sich je um Ethan´s Überleben sorgen müsste. Erst danach zieht Resident Evil Village die Daumenschrauben ordentlich an und zwingt euch zum strategischen Haushalten mit euren Ressourcen und einem guten Gefühl dafür, wann man kämpfen sollte und wann man lieber die Beine in die Hand nimmt. Zahlreiche Checkpoints sorgen zudem dafür, dass ihr auch abseits der hier und zum manuellen Speichern auffindbaren Schreibmaschinen nie zu viel Progress aufholen müsst, solltet ihr doch einmal ins Gras beißen.

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Vielversprechende Nebencharaktere verschwinden oft genauso schnell wieder, wie sie aufgetaucht sind, zum Beispiel die seltsam anmutende Dorfbewohnersippe, auf die wir kurz nach unserer Ankunft treffen. Die einzige Konstante ist der lächerlich übergewichtige Duke, der uns nicht nur als Gesprächspartner dient und deutlich auf sein Pendant aus Teil 4 anspielt, sondern auch als Händler für Items und Upgrades fungiert – vorausgesetzt, ihr bringt genug der spieleigenen Währung Lei mit. Das erhaltet ihr unter anderem durch den Verkauf von Schätzen, oder aber auch in wechselnder Menge direkt von besiegten Gegnern und durch aufmerksames Durchsuchen von Umgebungsobjekten wie Schränken und Schubladen. Dass unsere einzige Bezugsperson im Spiel dann ausgerechnet eine so abstoßende Kreatur mit überaus schlechten Manieren ist, ist aber bezeichnend für viele Elemente des ganzen Spiels, dass nie so richtig weiß, ob es nun Horror-, Action-, oder Survivalgame sein will. Kein Wunder also, dass CAPCOM gleich alle drei Begriffe auf das Cover gedruckt hat. 

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Für welche Zielgruppe sich der achte Ableger der Hauptreihe also genau eignet, lässt sich gar nicht so einfach festlegen. Als Serienveteran begrüße ich durchaus, dass die Macher den mutigen Schritt weg von den altgedienten Zombies konsequent weitergeführt haben. Das Setting ist unverbraucht und erinnert in seinen besten Momenten an das legendäre P.T., aus dem zum Bedauern vieler nie ein richtiges Projekt werden durfte. Und in Sachen Design kann man dem Entwicklerteam auch keinen Vorwurf machen. All das reicht aber letztendlich nicht für ein kompromisslos gutes Spiel aus, dafür mangelt es unter der Haube einfach an Seele und klarer Identität. Was bleibt, ist ein allenfalls solider Genremischmasch, der seinen vielen besseren (teils sogar weit überragenden) Vorgängern nicht das Wasser abgraben kann und auch im New Game+ mit der Übernahme sämtlicher Waffen, Verbesserungen, Brieftasche und Items keinerlei sonderlichen Wiederspielwert bietet. 

R.E. goes REVIII

Die seinerzeit eigens für Resident Evil 7 entwickelte RE Engine zählt für mich seit ihrem Debüt zu den potensten Technikgerüsten unserer Zeit, die selbst auf Konsolen der letzten Generation atemberaubende Grafik bei gleichzeitig hohen Bildraten ermöglicht. Für den neuesten Ableger weiterentwickelt, ist auf PC, XBOX Series X|S und PlayStation 5 nun sogar Raytracing möglich. Im Vergleich zum Vorgänger fallen zudem qualitativ hochwertigere Texturen, Partikel- und Beleuchtungseffekte auf. So richtig zünden will aber zumindest das Raytracing nicht. Bei genauerem Hinsehen fällt einem zwar durchaus verbesserte Schattendarstellung und Echtzeitreflektionen aus, beides sucht man aber mehr oder weniger mit der Lupe und zeigt sich dementsprechend nie so deutlich, wie beispielsweise in einem Battlefield V oder Cyberpunk 2077. Der hauchfeine atmosphärische Zugewinn kann schonmal dafür sorgen, dass die sonst stabile Bildrate von geschmeidigen 60 Frames pro Sekunde auf XBOX Series X und PlayStation 5 in besonders effektlastigen Situationen einbricht, worunter die neue Konsole aus dem Hause Sony ein Stückchen mehr zu leiden hat als die leistungsfähigere Konkurrenz.

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Beide Plattformen lösen dafür in 4K via Checkerboard Rendering auf, was trotz der für Unschärfen bekannten Methode für überraschend knackscharfe Bilder sorgt. Auf der Series S dagegen empfiehlt es sich grundsätzlich, auf das Aktivieren von Raytracing zu verzichten. Bei forcierten 1440p ist das Einstiegsmodell der Current Generation einfach nicht stark genug, um ähnlich gute Ergebisse zu liefern. Wenn überhaupt werden hier aufgrund der nicht gelockten Bildrate nur Werte von knapp über 30 Frames erreicht, was an sich gesehen schon kaum akzeptabel ist. Einbrüche darunter sind allerdings keine Seltenheit. Ohne besagte Funktion pendelt sich das Spiel auf der Series S dann auch wieder in flüssigen Gefilden ein. Zwar werden die 60 Frames der übrigen Modelle nicht ganz so konsequent erreicht, alles in allem ist es CAPCOM aber gelungen, das Spiel gut für die Plattform anzupassen. Und das gilt übrigens auch für alle übrigen Systeme. Während die PC-Version dank ihrer zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten problemlos auch für Mittelklassehardware angepasst werden kann und nicht minder gut umgesetzt worden ist, kann sich das Spiel selbst auf der betagten Last Generation noch sehen lassen. 

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Auch hier gilt grundsätzlich der Verzicht auf eine festgelegte Bildrate. Die Basismodelle XBOX One S und PlayStation 4 lösen in matschigen 900p auf und erreichen im Schnitt Werte knapp über 40 Frames pro Sekunde. Mehr gibt´s nur in den dunkleren Höhlen- oder Korridorpassagen. Das ist nicht optimal, aber die meiste Zeit über immer noch spielbar. Einbrüche in den leistungshungrigeren Szenen fallen hier am deutlichsten ins Gewicht. Auf den erweiterten Modellen bietet das Spiel jeweils einen Performance- und einen Grafikmodus an. Ersterer bevorzugt hohe Bildraten von ebenfalls maximal 60 Frames, löst dafür aber nur noch in 1080p auf, während der Grafikmodus hohe Auflösungen von ebenfalls via Checkerboard Rendering umgesetztem 4K offeriert, dafür bei der Performance aber wieder deutlich (!) instabiler abliefert. Weil gutes Gameplay immer über gute Optik geht und selbst in 1080p noch viel für´s Auge geboten wird, raten wir definitiv zum Performancemodus, während man auf den Basismodellen wirklich nur dann spielen sollte, wenn man wirklich keine Alternative zur Hand hat. Lange Ladezeiten muss man bei der Last Generation ebenfalls überall in Kauf nehmen. 

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Last but not least darf man sich über sämtliche Plattformen auf eine gelungen-beklemmende Audiokulisse freuen, die sogar mit Support für Dolby Atmos aufwartet und das Knarren von Dielen und Gebrüll der Gegner effektvoll über den ganzen Raum verteilt – sofern man denn ein entsprechendes Heimkinosystem besitzt. Aber selbst auf regulärer Ebene bekommt man einiges geboten. Mit musikalischer Untermalung hält sich das Spiel ganz bewusst zurück, um die durchgehend aktive Umgebung mit all ihren Nuancen nicht zu stören. Das funktioniert sehr gut. Die deutschen Sprecher leisten überwiegend gute Arbeit, lediglich in den Nebenrollen schwächelt die eher unbekannte Besetzung gelegentlich. Etwas solider schneidet im Vergleich die englische Tonspur ab, während der japanische O-Ton zwar hochwertig, aber gemessen am europäischen Setting dann doch sehr deplatziert klingt. Weil aber wie schon bei den aktuelleren Vorgänger bzw. Remakes zahlreiche weitere Sprachen bequem über das Menü ausgewählt werden können, bleibt es wie immer jedem selbst überlassen, was er denn am liebsten hören mag. Bei der Bedienung gibt´s dagegen nichts zu meckern. Das Eingabeschema ist sowohl via Controller als auch über Maus und Tastatur angenehm intuitiv geraten und sollte auch Einsteigern zügig in Hand und Blut übergehen. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„So richtig zufrieden hat mich das neue Resident Evil nicht zurückgelassen. Zwar hat CAPCOM in Village quasi jedes Sagenwesen regionaler Mythologie in einen Topf geworfen, liefert für das Zusammentreffen von Hexen, Blutsaugern und Pelzmonstern aber zu keiner Zeit eine sinnvolle Erklärung und auch Ethan´s Tochtersuche gerät so blass wie der Protagonist selbst. Während die klassisch serientypischen Survivalelemente wenigstens ab höheren Schwierigkeiten noch vom Feeling alter Tage zeugen, sucht man waschechten Horror trotz guter Atmosphäre vor allem im ersten Drittel über weite Strecken vergeblich. Spätestens zum Finale hin nimmt die Action dann Überhand und lässt einen komplett vergessen, in welchem Spiel man sich eigentlich gerade befindet. Das Interesse an spannenden Nebencharakteren á la Ada Wong scheinen die Macher ebenfalls komplett verloren zu haben. Was bleibt, ist allenfalls ein solider Shooter mit gelegentlichen Gruselanteilen, das Gesamtergebnis hat sich aber selbst unter Berücksichtigung sämtlicher Modernisierungsansprüche mit Resident Evil Village mehr von den Wurzeln der Reihe entfernt, als es gesund wäre. Wie gut Moderne und Klassik zusammenpassen, hat beispielsweise ein God of War mehr als eindrucksvoll gezeigt. Dem achten Resident Evil gelingt selbiges Kunststück leider nicht einmal ansatzweise.“ 

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PRO:

+ Unverbrauchtes Szenario
+ Atmosphärische, abwechslungsreiche Areale
+ Exzellentes Art Design
+ Schicke Beleuchtung, besonders im Schloss Dimitrescu
+ Aufwendig via Motion Capturing animierte Charaktere
+ Exzellente Performance auf XBOX Series X und PlayStation 5
+ Vier fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade für jeden Anspruch
+ Sorgfältiges Erkunden wird belohnt
+ Zugängliche, sinnvoll implementierte Craftingkomponente
+ New Game Plus…
+ …sowie zahlreiche freischaltbare Extras…
+ …und ein optionaler, kurzweiliger Mercenary-Modus
+ Überwiegend gute deutsche Sprecher…
+ …zahlreiche weitere Tonspuren nativ mit an Bord
+ Packende Geräuschkulisse ist auch ohne Dolby Atmos sehr effektiv
+ Intuitive Bedienung über sämtliche Plattformen
+ Makellose Performance auf XBOX Series X, PlayStation 5…
+ …sowie vielseitig anpassbare PC-Version

CONTRA:

– Einfallslose, teils sinnfreie Story…
– …welche nach gelungenem Einstieg rasend schnell an Qualität einbüßt
– Uninteressanter Protagonist
– Interessante Nebencharaktere werden meist umgehend wieder fallengelassen
– Richtige Horrormomente an einer Hand abzählbar…
– …überraschend unblutig…
– … und damit insgesamt viel zu weit von den Wurzeln der Reihe entfernt
– Hintergründe zu Vampiren, Werwölfen und Co. werden nie im Detail beleuchtet
– Relativ kurz
– Sehr linear, Wiederspielwert dementsprechend kaum vorhanden 
– Survivalkomponente auf den einfacheren Schwierigkeitsgraden so gut wie nie spürbar
– Raytracing wird kaum effektvoll eingesetzt
– Teils stark schwankende Performance auf Konsolen der Last Generation…
– …sowie unter aktiviertem Raytracing auf XBOX Series S

 
                                              GESAMTWERTUNG:     7.4/10

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