Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition – „Verloren in Zeit und Raum“

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                                                      Getestet und verfasst von General M 

FLMLcQxWQAYZPmeDie Neunziger Jahre gelten als zentraler Höhepunkt für das Genre japanischer Rollenspiele. Secret of Mana, Illusion of Gaia und natürlich Final Fantasy sind nur wenige Beispiele dessen, was Fans mit Recht als Goldene Ära der JRPG´s bezeichnen. Aus diesen Tagen stammt auch Chrono Trigger, eines der wohl besten Rollenspiele aller Zeiten. Der überwältigende Erfolg des Spiels sowie die leistungsstarken Kapazitäten der PlayStation resultierten 1996 im ausschließlich in Japan und den Vereinigten Staaten veröffentlichten Chrono Cross, welches in der gleichen Welt spielt, aber eine komplett andere Story erzählt. Gute fünfundzwanzig Jahre später bringt Square Enix den streitbaren Klassiker nun als Remaster mit deutschen Texten auf aktuelle Systeme – mit enttäuschenden Ergebnissen.

                     Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde mit der PC-Version erstellt. 

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Auf Zeitreise

Schon seit ewigen Zeiten streiten sich die Fans darüber, was das bessere Spiel ist: Chrono Trigger oder Chrono Cross? In diesen Zwist wollen wir uns heute nicht einmischen, stattdessen geht es einzig und alleine um die Qualitäten des Remasters. Und das erzählt immer noch eine exzellent geschriebene Geschichte um Parallelwelten und Zeitmanipulation, in deren Mittelpunkt der junge Serge und die über den Verlauf der locker fünfunddreißig Stunden umfassenden Handlung rekrutierbaren Heldentruppe stehen. Satte vierundvierzig spielbare Charaktere sind im Spiel enthalten, aufgeteilt auf sechs verschiedene Elementkategorien, was sich maßgeblich auf rundenbasierten Kämpfe auswirkt. Gemessen an seinem Erstveröffentlichungsdatum bietet Chrono Cross eine extrem komplexe Story, welche sich auf mehreren Ebenen abspielt und bei der man schnell den Faden verlieren kann, wenn man den Unmengen von Text nicht aufmerksam folgt. 

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Auch das Kampfsystem wirkt anfangs überfordernd. Einen klassischen Grind wie z.B. in Final Fantasy gibt es nicht, statt Erfahrung zu sammeln und aufzuleveln wächst die Stärke unserer Skills mit deren regelmäßigem Einsatz bis zu einer vorläufigen Grenze, welche erst mit dem Sieg über bestimmte Gegner erweitert wird. Drei Standardangriffe stehen jedem Charakter zur Verfügung, ist die Energieleiste voll aufgeladen, lassen sich mächtige Elementarangriffe entfesseln. Man merkt Chrono Cross sehr deutlich an, dass sein Kampfsystem als experimentelle Grundlage für den später veröffentlichten Megaseller Final Fantasy VII fungiert hat. Nicht ganz so raffiniert, stellenweise selbst für damalige Verhältnisse etwas zu träge, aber dennoch durchdacht und funktionell. Grundsätzlich haben wir es hier mit einem sehr gemütlich inszenierten Spiel zu tun, dass zudem zahlreiche Komfortfunktionen vermissen lässt, die sich in den Folgejahren und darüber hinaus als neue Standards im Genre etabliert haben. Man muss also wirklich im Vorfeld wissen, worauf man sich einlässt. Wer es trotzdem etwas schneller haben will, kann von den implementierten Cheats Gebrauch machen, zu denen auch ein Geschwindigkeitsmultiplikator gehört.

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Es gibt keine ausufernden Tutorials, stattdessen muss man sich selbst in die Spielmechaniken einfuchsen. Das ist besonders am Anfang eine ordentliche Herausforderung an die Geduld des geneigten Spielers, weil die Charaktere in den ersten ein-zwei Stunden kaum mehr als Basisangriffe einsetzen können und sich das Ganze begleitet von einer gefühlt unendlichen Langsamkeit wirklich furchtbar öde anfühlt. Dranbleiben lohnt sich aber, denn mit der Zeit (und dem wachsenden Kader) gewinnt das System immer mehr an Dynamik und Abwechslung dazu. Als besonderes Schmankerl hat Square Enix auch die parallel zur Handlung von Chrono Cross spielende Virtual Novel The Radical Dreamers – die ursprünglich ausschließlich in Japan als Download für das SNES-Modem erschienen ist – auf Deutsch übersetzt und als separat über das Startmenü auswählbaren Inhalt implementiert. 

Ein radikales Remaster?

Gerade wenn es darum geht, geliebte Spiele vergangenener Generationen für eine neue Ära Hardware zu konservieren, musste sich Square Enix in den letzten Jahren immer wieder herbe Kritik gefallen lassen. Ob Chrono Trigger, Final Final Fantasy VIII oder das nur sehr mäßig umgesetzte Remake von Secret of Mana…jedes Release war entweder von zahlreichen Fehlern begleitet oder ging bei der visuellen Umsetzung sehr fahrlässig mit dem ursprünglichen Material um. Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition bietet da leider keine Ausnahme. Zwei Modi stehen auf jeder Plattform zur Verfügung, nämlich ein eher klassischer oder überarbeiteter Look. Große Unterschiede lassen sich zwischen den beiden Optionen aber nicht ausmachen. Die überarbeitete Fassung liefert minimal überarbeitete Modelle und hochauflösende Dialogtexte, dafür wirken die Hintergründe extrem unschön durch den Weichzeichnerfleischwolf gedreht. So hat man leider dauerhaft das Gefühl, vor den Kulissen eines Aquarells zu agieren, was keineswegs begeistert. Das schafft nur der zeitlose, für das Remaster erweiterte (aber nicht neu eingespielte) Soundtrack.

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Der originale Modus orientiert sich eher am ursprünglichen Look des Spiels auf PlayStation, aber auch hier wurde stellenweise ein wenig nachgeholfen. Letztendlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, so oder so sollte man von einem im Kern fünfundzwanzig Jahre alten Spiel aber generell kein Grafikfeuerwerk erwarten. Einen gewissen Charme versprühen die abwechslungsreichen Areale aber immer noch und grundlegend ist es gut, dass die Macher den ursprünglichen Look weitestgehend erhalten haben. Nur hätte ich mir dabei einen besseren Kompromiss zwischen Tradition und Moderne gewünscht. Das große Problem ist viel eher die komplett wankelmütige Bildrate. Egal, auf welcher Plattform man spielt, die Bildraten hüpfen über Erkundung und Kämpfe so stark hin und her, dass es nahezu unmöglich ist, konstante Werte zu ermitteln. Dieses Problem hatte bereits das Original, aber damals konnte man über solche Dinge noch eher hinwegsehen. Im Jahr 2022 und gemessen an der Leistungsfähigkeit der verfügbaren Hardware ist die über alle Plattformen hinweg miserable Performance einfach nur ein schlechter Witz. Auf dem PC fehlt außerdem wieder mal eine Option für V-Sync, was in permanentem Tearing resultiert und nur mit Eingriffen in die Treiberroutinen der Grafikkarte halbwegs in den Griff zu kriegen war.

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Die Videosequenzen sind ohne Änderungen übernommen worden und dementsprechend kaum ansehnlich und selbst die allgemeine Bedienung samt Menüführung haben keine dringend benötigten Updates erfahren. Die Charaktere bewegen sich klobig durch die einzelnen Areale und bleiben gerne mal an unsichtbaren Ecken hängen, was selbst durch Einsatz eines Gamepads nicht oder allerhöchstens kaum entschärft wird. Gepaart mit der unsteten Bildrate fehlt da nicht mehr viel, bis man das Spiel bei aller Liebe zur Nostalgie und der tollen Geschichte völlig entnervt wieder von der Festplatte schmeißen will. Bei allem Respekt: Square Enix, das könnt ihr doch besser! Alles in allem, das muss man leider feststellen, erhält man bessere Ergebnisse wenn man das Original auf der PlayStation in irgendeinen Emulator lädt, als mit dem offiziellen Remaster. Und das kann´s doch wirklich nicht sein, oder? Die zwanzig Euro sind im Vergleich zu den elendig teuren Originalen zwar recht verschmerzbar, aber wenn man einen Snickers bestellt und ein Bounty bekommt, ist das dennoch nicht Sinn der Sache. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Eines der besten JRPG´s auf PlayStation findet nach über einem Vierteljahrhundert endlich seinen Weg auf aktuelle Plattformen – das ist eigentlich ein Grund zur Freude, oder? Eigentlich schon, wären die Resultate nur nicht so ernüchternd ausgefallen. Chrono Cross: The Radical Dreamers Edition erzählt immer noch eine fantastische Story und verzaubert die Ohren mit seinem zeitlos tollen Soundtrack. Sobald man sich erst einmal in das Kampfsystem eingearbeitet hat, machen die Elementarschlachten sogar Spaß. Doch die klobige Steuerung, komplett zu Tode gefilterte Hintergründe im aufbereiteten Modus und besonders die miserable Performance auf allen Plattformen stellen den guten Aspekten so viel Frustpotenzial entgegen, dass man sich den Kauf gegenwärtig wirklich gut überlegen sollte. Nostalgie ist was wunderbares, aber wenn man schon die Gelegenheit einer Aufbereitung hat, warum nicht dort ansetzen, wo es verdammt nochmal wirklich wichtig gewesen wäre?! So bekommt man am Ende leider kaum mehr als ein weiteres, verkorkstes Remaster…aber das immerhin zum fairen Preis.“

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PRO:

+ Komplexe, auf mehrere Ebenen erzählte Story…
+ …welche sogar noch manch modernen Genrevertreter qualitativ überragt
+ Fünfundvierzig spielbare Charaktere mit jeweils eigenen Hintergrundgeschichten
+ Mindestens fünfunddreißig Stunden Spielzeit
+ Visual Novel „The Radical Dreamers“ erstmals außerhalb von Japan enthalten
+ Gute deutsche Übersetzung
+ Nützliche, jederzeit optional zuschaltbare Spielhilfen
+ Zeitlos brillanter Soundtrack

CONTRA:

– Grausame Performance
– Starkes Tearing, besonders am PC
– Im überarbeiteten Modus komplett totgefilterte Kulissen
– Kämpfe machen erst nach Stunden richtig Spaß
– Keine angemessenen Tutorials
– Klobige Steuerung inklusive Menüführung
– Videosequenzen unverändert aus dem Original übernommen

                                              GESAMTWERTUNG:     4.0/10


         Ein Rezensionsmuster ist uns freundlicherweise vorab von Square Enix zur Verfügung gestellt worden. 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.


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