F1® 22 – „Der Platzhirsch stagniert“

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                                                             Getestet und verfasst von Exe

81VNwhr7SZL. SL1500 Nach ein paar eher langweiligen Jahren inmitten der illustren Rennsportwelt der Formel 1 präsentiert sich die Königsklasse in der aktuellen Saison dank überarbeitetem Regelwerk so spannend wie schon lange nicht mehr. Wer den neuen Katalog selbst ausprobieren will, darf sich freuen: F1® 22 hat das brandneue Reglement bereits an Bord, verspricht aber zusätzlich dazu auch eine ganze Palette zusätzlicher Verbesserungen. Die sind auch verdammt nötig, denn mit dem kommenden F1® Manager 2022 regt sich nach Jahren ohne Konkurrenz plötzlich Widerstand im virtuellen Hochgeschwindigkeitszirkus.  Kann Codemasters das hohe Level der Vorgänger halten, oder droht der zweite Platz in der Konstrukteurswertung?

                        Hinweis: Sämtliches Bildmaterial wurde mit der PC-Version erstellt. 

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Unter der Haube

So richtig neu fühlt sich F1® 22 auf den ersten Blick nicht an. Vom Menüaufbau bis zur hauseigenen Schaltzentrale innerhalb der Karriere haben die Macher eine Menge Material ohne große Änderungen aus dem Vorgänger wiederverwertet. Leider betrifft das auch die nervigen Interviews, in denen unserem selbsterstellten Fahrer immer wieder die gleichen Fragen vor den Kopf geworden werden. Kein guter Start für die Reihe. Über alle Zweifel erhaben bleibt dagegen weiterhin der tolle Simulationscharakter des Spiels, welcher sich aber dank einer wahren Fülle wahlweise frei oder stufenweise vorkonfigurierter Fahrhilfen inklusive unaufdringlicher Tutorials auch für Neueinsteiger schnell meistern lässt, Profis auf der Suche nach einer realitätsnahen Herausforderung dabei aber nie vergisst.

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In Sachen spielerischer Freiheit gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln: Egal, ob selbsterstellter Grand Prix, Zeitrennen oder Mehrspielermodus, F1® 22 hat alles an Bord, was man für wochenlangen, abwechslungsreichen Rennspaß auf der Piste benötigt. Dank gewohnt starkem FIA-Lizenzpaket stehen euch dafür der aktuelle Kader samt Boliden der Saison 2022 voll zur Verfügung, lediglich bei der Formel 2 müssen Spieler sich noch ein paar Wochen gedulden, dann soll via Update auch dort alles auf den neuesten Stand gebracht werden. Ärgerlich: Einen Storymodus wie im Vorjahr gibt es dieses Mal nicht. Statt Braking Point könnt ihr euch stattdessen im neuen Pirelli-Hot-Laps-Modus hinter das Steuer eines Supersportwagens schwingen und euch in zahlreichen verschiedenen Herausforderungen Tokens verdienen, mit denen sich weitere Renner freischalten lassen.

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Mit gerade einmal acht Fahrzeugen (plus zwei zusätzlichen Vehikeln innerhalb der Champions Edition) ist das Angebot aber sehr überschaubar geraten und stellt darüber hinaus auch keinen vollwertigen Ersatz für die gestrichene Story dar. Denn mal Butter bei die Fische: Wenn man Geld für ein F1® auf den Tisch legt, will man auch Formel fahren, für alles andere gibt´s Gran Turismo und Co. In einem FIFA will ich ja schließlich kicken und keine Körbe werfen. Da wäre man mit der Implementierung der Formel 3 im wahrsten Sinne des Wortes deutlich besser gefahren. Mit insgesamt vierzig Challenges bekommt man zwar einige Extrastunden Spielzeit obendrauf, so richtig zum Thema passt das aber nicht, alles in allem taugen die detailreich in Szene gesetzten Karossen zu kaum mehr als einer hübschen Deko für euren Showroom, zumal einen das teils stoische Fahrverhalten auf der Strecke schnell zurück zu Silberpfeil und Co. treibt. 

Liebesgrüße aus Kalifornien

Mit der Übernahme der englischen Traditionsschmiede Codemasters durch Electronic Arts wuchsen die Befürchtungen der treuer Spielerschar, dass ihr virtueller Lieblingssport künftig von Mikrotransaktionen aller Art durchseucht werden könnte. Wo sich der Einfluss des neuen Besitzers und dessen Tendenz für Echtgeldinhalte im letzten Jahr bereits hauchfein spürbar gemacht hat, geht F1® 22 bei der Monetarisierung endgültig in die Vollen. PitCoins heißt die Währung, mit der sich tonnenweise kosmetischer Inhalte erwerben lassen, für die dicksten Münzpakete werden knapp fünfunddreißig Euro im jeweiligen Store fällig. Einfluss auf das Gameplay haben die Extras zum Glück nicht – anderweitigen Nutzen aber genauso wenig. 

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Neben Fahreroutfits und Lackierungen bekommt ihr ein gewaltiges Arsenal von Inneneinrichtungsobjekten vorgesetzt, dessen Anblick selbst ein gewisses schwedisches Möbelhaus ins Schwitzen bringen würde. F1® Life nennt sich die Komponente, in der ihr einen ganz persönlichen Ruheraum nach euren persönlichen Vorlieben dekorieren könnt. Weil der Raum aber wirklich ausschließlich von seinem Besitzer besucht werden kann und bis auf eine Bibliothek aller gespeicherten Replays keinerlei spielerischen Mehrwert bietet, kann man sein Geld eigentlich auch genauso gut verbrennen. Obendrauf gibt´s noch einen Podium Pass, der euch über mehrere Seasons mit stetig neuen freischaltbaren Inhalten im Spiel halten soll. Auch dafür existiert eine kostenpflichtige Premiumvariante, die noch hochwertigere Objekte verspricht. Wer aber ausnahmslos am Renngeschehen interessiert ist und auch nichts darauf gibt, welches Design Fahrzeuge und Overalls haben, kann die komplette Echtgeldkomponente mühelos ignorieren. 

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Außerhalb des Ruheareals lassen sich auch in diesem Jahr wieder sämtliche Freunde für einen Besuch einladen – zumindest, wenn ihr welche habt. Wenn nicht, macht das aber auch nichts, denn viel mehr als ein paar schaulustige, eher spärlich in Szene gesetzte NPC´s ohne große Interaktionsmöglichkeiten bietet F1® 22 nicht an. Abseits der Umsetzung des neuen Regelwerks und den aktualisierten Kadern samt Fuhrpark fühlt sich das Spiel zum ersten Mal seit Jahren wie ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zu den Vorgängern an. Die neuen Inhalte haben entweder nichts oder nur sehr entfernt etwas in einem Formel-1-Spiel zu suchen und sind zu keinem Zeitpunkt als brauchbarer Ersatz für gestrichene Features wie den Storymodus zu werten. Die Karriere bleibt unterhaltsam und lässt sich abermals auch mit einem Buddy in der Rolle als Konkurrenten bestreiten, abseits ganz weniger neuer Komfortoptionen fühlt sich das aber von der Aufmachung bis zur Umsetzung alles viel zu vertraut an. Gäbe es da nicht den neuen Vorschriftenkatalog der FIA, bliebe man mit F1® 21 weiterhin bestens bedient. Den kommenden Mitbewerber wird´s freuen.

Einsatz für das Safety Car

Auch auf der Strecke läuft in diesem Jahr beileibe nicht alles glatt. So wirken sich die gültigen Regularien zwar merklich auf das Fahrgefühl aus und ermöglichen neben besserem Kurvenhandling zusätzlich allgemein spannendere Rennen mit knapperen Abständen zwischen den einzelnen Fahrern, dafür kränkelt das Balancing bereits ab dem mittleren Schwierigkeitsgrad. Nicht selten ist es im Test vorgekommen, dass der Bolide auf geraden Strecken grundlos ausbricht und wir mit fragendem Gesichtsausdruck in den Schotter geschlittert sind. Dank der praktischen Rückspulfunktion lässt sich der Abschnitt im Anschluss wiederholen, eine richtige Begründung für den plötzlichen Kontrollverlust weiß das Spiel jedoch nicht anzubieten. 

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Gleichzeitig kam es immer wieder zu ärgerlichen Auseinandersetzungen mit der künstlichen Intelligenz der Gegner. Die verteidigen die Ideallinie oft viel zu aggressiv und schieben uns wenn es sein muss konsequent von der Piste. Besonders in der ersten Kurve nach dem Start wird man nicht selten munter zusammengerammt, ohne dass die Verursacher dafür Strafen befürchten müssen. Ja, im Notfall hilft auch da die Rückspulfunktion. Wenn man aber aus der unausgegorenen Balance dazu gezwungen ist, sich gefühlt durch das halbe Rennen vor- und zurückspulen zu müssen, bleibt der realistische Renngenuss dabei natürlich hart auf der Strecke. Auf der PlayStation 5 sorgen willkürlich auftretende Grafikfehler dafür, dass man vor lauter weißen Blöcken auf dem Bildschirm manchmal kaum mehr die Straße sehen konnte – ein Problem, dass die Entwickler mittlerweile noch vor dem offiziellen Verkaufsstart behoben haben. 

Verbesserungswürdige Präsentation

Seit bald zwei Jahren sind die neuen Konsolen auf dem Markt. Eine lange Zeit, in der Titel wie Gran Turismo 7 und Forza Horizon 5 bereits eindrucksvoll bewiesen haben, wie realitätsnah Rennspiele auf der neuen Hardware aussehen können. Hinter deren Qualitäten bleibt F1® 22 leider weit zurück. Die Rennwagen sehen wieder richtig schick aus und wurden ihren realen Vorbildern bis ins letzte Detail nachgebildet, außerhalb davon zeigt die hauseigene Engine aber endgültig Verschleißerscheinungen, die man nicht mehr ignorieren kann. Obwohl die Piloten allesamt über Wiedererkennungswert verfügen, bewegen sich die digitalen Abbilder extrem hölzern animiert über den Bildschirm. Sämtliche Kurse inklusive der neuen Strecke in Miami wirken über weite Teile steril, egal ob bei Schönwetter oder Regen – wobei letzterer bei der Konkurrenz ebenfalls sehr viel hübscher ausschaut. 

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Raytracing ist für PlayStation 5 und XBOX Series X wieder an Bord, beschränkt sich jedoch ausschließlich auf Showroom und Wiederholungen. Anders auf PC, wo sich das hardwarehungrige Feature permanent aktivieren lässt. Dann gibt es zwar realitätsnahe Spiegelungen in Echtzeit sowie besseren Schattenwurf, weil man beides während der Rennen aber kaum bewundern kann und selbst unser starker Testrechner mit Geforce RTX 3080 TI und neuesten Referenztreibern davon komplett in die Knie gezwungen wurde, kann man darauf auch genauso gut verzichten. An der allgemeinen auffälligen Stagnierung bei der Grafik ändert all das sowieso nichts. Das teils starke Tearing in sämtlichen Sequenzen abseits der Rennen haben die Entwickler leider immer noch nicht behoben und selbst in nativem 4K zeigt sich unschönes Kantenflimmern bei Hintergrundobjekten, Scheinwerfern und Fahrzeugrändern. PlayStation 4 und XBOX One lösen je nach Modell bis zu 1440p auf und peilen 60 Frames pro Sekunde für ein möglichst geschmeidiges Erlebnis an, was in der Praxis auch ohne größere Auffälligkeiten gelingt. Auf der XBOX Series S bleibt die Auflösung bei mageren 1080p, dafür profitiert das System im Vergleich mit der Vorgängergeneration von deutlich kürzeren Ladezeiten. 

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PlayStation 5 und XBOX Series X offerieren dagegen wahlweise natives 4K/60 im Grafikmodus, bieten aber wie schon im Vorjahr auch Support für 120Hz-Displays. Hier haben wir gute Werte von durchschnittlich 100 Frames pro Sekunde messen können, dafür pendelt sich die Auflösung auf dem Niveau der Vorgängermodelle ein. Die PC-Version fordert insgesamt am wenigsten Kompromisse, für das Gebotene wird aber unverhältnismäßig starke Hardware verlangt. Als besonderes Schmankerl bekommt man dafür gegenwärtig ausschließlich am Rechenknecht Support für Virtual Reality geboten. Spätestens dann wandelt sich F1® 22 zu einem sehr immersiven Erlebnis. Mit einem passenden Lenkrad lässt sich das Mittendringefühl sogar noch weiter steigern, alle Versionen unterstützen eine breite Palette der gängigsten Peripherieanbieter. Natürlich bleibt das Spiel auch mit Gamepad gut spielbar, besonders auf der PlayStation 5 werden die Stärken des DualSense optimal ausgenutzt. Für das kommende Jahr braucht die Reihe aber dringend ein umfangreiches Facelifting, anderenfalls droht der Serie nicht nur die bloße Überholung durch die Konkurrenz, sondern sogar eine handfeste Überrundung.

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Weniger zu beanstanden gibt´s in Sachen Sounddesign. Wuchtige Motorensounds, ein gut gewählter Soundtrack mit namhaften Interpreten wie Charlie XCX, deadmau6 sowie Rag´n´Bone Man sorgen für gute Beats in den Menüs, auf Wunsch lassen sich unerwünschte Titel einfach dauerhaft ausblenden. Am Kommentatorenpult verabschiedet sich F1® 22 endgültig von Urgestein Heiko Waßer, dafür übernimmt SKY-Experte Sascha Roos, was in meinen Augen auch dringend notwendig gewesen ist. So viel von der Strecke, wir schreiten zum Fazit – und das ganz ohne Werbeunterbrechung oder Paywalls. 

Fazit und Wertung

profilbildapril„Eigentlich hat F1® 22 alles, um auch in diesem Jahr wieder ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen zu können: Eine vielschichtige Karriere, die gewohnt umfangreiche Mehrspielerkomponente und viele zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten, alles verpackt in eine realitätsnahe Kulisse und angetrieben vom neuesten FIA-Regelkatalog. Doch die im Vergleich zu den gegenwärtigen Genrekönigen altbackene grafische Präsentation abseits der schicken Rennboliden, unerklärliche Balancingprobleme auf der Piste sowie die belanglosen Pirelli-Hot-Laps als magerer Ersatznagel für die gestrichene Story des Vorgängers stoßen insgesamt sehr sauer auf. F1® Life ist kaum mehr als eine sinnlose Geldverbrennungsanlage ohne jedweden praktischen Nutzen. Insgesamt muss man sich wirklich fragen, womit Codemasters das letzte Jahr verbracht hat, wenn sich der Nachfolger zu F1® 21 in so vielen Belangen identisch, häufig aber schlechter anfühlt, dafür weit mehr kostet.“

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PRO:

+ Voll lizensiertes FIA-Paket für die Saison 21/22
+ Detailverliebt in Szene gesetzte Rennboliden
+ Piloten mit Wiedererkennungswert
+ Präsentation nahe am TV-Geschehen
+ Neuer Regelkatalog wirkt sich spürbar auf´s Fahrgefühl aus
+ Gewohnt umfangreicher, motivierender Karrieremodus…
+ …mit gelungener Zwei-Spieler-Einbindung
+ Gute Mehrspielerkomponente
+ Großes Angebot an Modi für jedweden Anspruch
+ Gleichermaßen für Einsteiger als auch Profis geeignet
+ Praktische Rückspulfunktion
+ Exzellente VR-Einbindung (PC)
+ Satte Klangkulisse
+ Sascha Roos macht als neuer neuer Kommentator einen guten Job
+ Brauchbarer Soundtrack
+ Hervorragender Lenkrad- und DualSense-Support
+ Crossplay 

CONTRA:

– Abseits der Fahrzeuge überwiegend veraltete Grafik
– Wenig ansprechendes Schadensmodell
– Kantenflimmern und teils starkes Tearing auf allen Plattformen
– Hölzern animierte Fahrer und Charaktere
– Storymodus des Vorgängers fehlt
– Karrieremodus nahezu identisch zum Vorjahr
– Supercar-Komponente hat in einem F1-Titel nichts verloren…
– …und ist allenfalls eine nette Dreingabe
– F1
® Life als Groschengrab ohne jeden praktischen Nutzen 
– Formel 3 nicht enthalten
– Ärgerliche, oft grundlose Fahraussetzer
– Gegner verteidigen Ideallinie viel zu extrem und gehen straffrei aus
– Repetive Interviewfragen, überwiegend aus dem Vorjahr übernommen
– Abseits des Kommentators überwiegend miese deutsche Sprecher
– Kameraperspektive nur im Pausenmenü änderbar
– Fummelige Boxenfunknavigation
– Mangelhafte Bedienung via Maus und Tastatur
– Upgrade auf PlayStation 5 und XBOX Series X|S nur gegen Aufpreis

                                                   GESAMTWERTUNG:     7.0/10

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Electronic Arts zur Verfügung gestellt worden. 

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.


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