Auf den Punkt. gebracht #9.5: Ein offener Brief an BILD-Redakteur Enrico Ahlig

Vorwort : Bevor irgendwas missverstanden wird – dies ist lediglich die Meinung von mir, Mathias. Ich vertrete hiermit nicht den Standpunkt von anderen Wrestling-Point Mitarbeitern, die Kolumne „Auf den Punkt gebracht“ (bzw. dieses Pünktchen) ist mein eigener kleiner Spielplatz. Gleichzeitig ist es meiner Ansicht nach wichtig auch Kritik üben zu können ohne Brücken hinter sich abzureißen.

Dieser offene Brief ist gerichtet an Enrico Ahlig, Redakteur beim berühmt-berüchtigten Axel-Springer Boulevard-Erzeugnis BILD. An dieser Bezeichnung erkennt man vielleicht, wie sehr es mich wurmt, dass ausgerechnet die BILD als einziges Mainstream-Medium über Wrestling berichten muss – und vor allem WIE. Mehr gibt es auch nicht zu sagen, den Rest gibt es im eigentlichen Brief. 

Sehr geehrter Herr Ahlig,

Ich komme schnell auf den Punkt : Ich mag Sie nicht. Ich mochte Sie seit dem ersten Artikel den ich von Ihnen gelesen habe nicht. Ich bin zwar froh darüber, dass irgendwer in der Mainstream-Presse über das oftmals belächelte Thema Pro-Wrestling berichtet, gleichzeitig ist „berichten“ nicht wirklich das richtige Wort. Lassen Sie es mich genauer erklären.

Mich stört schon, dass ich wusste wie Sie aussehen ohne überhaupt recherchiert zu haben, und das liegt nicht an dem relativ unauffälligen kleinen Profilbild dass sie neben ihrem Namen tragen, sondern wohl eher daran, dass Sie anscheinend versuchen ihr Gesicht möglichst überall zu platzieren.

„Wir könnten ein professionelles Foto von Cesaro in Aktion nehmen, um seine Kraft zu zeigen – oder ein Selbstportrait (aka. ‚Selfie‘) mit einem unglaublich schlechtem Instagram-Effekt… Welch schwere Entscheidung.“ (Foto : Bild.de/unterhaltung/leute/wrestling/superstar-antonio-cesaro-fordert-tim-wiese-heraus-37698386.bild.html)“

Denn anscheinend haben Sie neben den in ihrer Mini-Bio angegebenen Leidenschaften Wrestling und Metal eine noch viel Größere – Selfies. Egal ob bei Raw in Liverpool, WWE in Frankfurt oder bei Ihrem Summerslam/Wrestlemania-Besuch, ohne Selbstportrait kommt kein Artikel aus. Manchmal schien es mir so, als wären Sie angereist um Fotos von sich selbst zu machen und um diese Dienstreise bezahlt zu bekommen wurde drum herum noch geschwind ein Artikel hingeschmiert.

Denn Ihre Artikel haben ungefähr den Informationsgehalt einer leeren Tomatensaft-Dose. Ein bisschen Text, Selfie, Text, Selfie… Man erkennt Ihr Muster schnell. Und wenn Sie in einem Artikel mal nicht zu sehen sind gibt es trotzdem extrem viele Bilder und wenig Text. Als wäre jeder Buchstabe mehr eine Belastung für den Leser. Auch missfällt mir ihr Umgang mit der Divas-Division. Wer mit etwas Anstand und vor allem Respekt vor den weiblichen Talenten im Roster nennt die Diven bitteschön „Mucki-Miezen“? Herr Ahlig, es ist 2014 – Frauen in einem journalistischen Bericht „Miezen“ zu nennen ging das letzte Mal… ehrlich gesagt, wenn ich darüber nachdenke war das noch nie vertretbar. Bei jedem anderen Blatt hätten sie schon lange Ihren Hut ziehen müssen, aber ihre Artikel erscheinen ja bei der BILD. Die BILD hielt es schließlich bis März 2012 noch angebracht, nackte Frauen auf Seite 1 abzubilden, wahrscheinlich haben sie für diesen unglaublich kreativen Kosenamen sogar noch einen kleinen Bonus bekommen. Hier mit Sexismus zu argumentieren ist so, als würde ich eine kleine Notiz per Brieftaube versenden – irgendwo kommt es an, aber drum scheren tut sich keiner.

ss2014-11-19at07.39.36ss2014-11-19at08.38.03 (Quellen Screenshots : http://www.bild.de/bild-plus/unterhaltung/leute/wrestling/welche-wwe-diva-ist-noch-zu-haben-35505918.bild.html, http://www.bild.de/unterhaltung/leute/wrestling/bild-macht-sie-fit-fuer-monday-night-raw-38476818.bild.html)

Auch hat es Ihnen das Wort „Mucki“ richtig angetan. Grenzdebile Überschriften wie „BILD macht sie fit für die Mega-Mucki-Schlacht“ helfen dem Wrestling-Business in Deutschland nicht sondern bekräftigen das leider immer noch allgemeingültige Vorurteil, dass beim Wrestling immer 2 Hulks wie John Cena oder eben Hulk Hogan im Ring stehen. Wenn man sich das aktuelle NXT-Roster anschaut sollte einem doch schnell bewusst werden, dass das absolut nicht mehr der Fall ist und auch in Zukunft nicht mehr sein wird.

Aber Sie sind ja Wrestling-Experte. Mich würde es nur zu gerne interessieren, WER Sie dazu ernannt hat. Soll ich Ihnen ein paar echte Experten nennen?

Paul Heyman, die McMahon Familie, Jim Ross, Jim Cornette, Killer Kowalski, Greg Valentine, Bobby Heenan, Paul Orndorff, Steve Austin, Bret Hart, Dusty Rhodes, Stu Hart, Mick Foley, Paul Bearer, Dirty Dutch Mantell, Harley Race, William Regal, Ric Flair, die Funk-Familie, die Guerrero-Familie, Dean Malenko, Gorilla Monsoon…

Diese Menschen atme(te)n Wrestling. Soweit ich es einschätzen kann haben Sie das Wissen eines durchschnittlichen nervigen Smart-Mark Internet-Fans. Glückwünsch dazu. Von einem Experten sind Sie aber ungefähr so weit entfernt wie das Mini-Labor Philae von der Erde. Ich habe meinem Ärger hierzu schon einmal Luft gemacht und schneide das Thema hier nicht schon wieder an, aber eine Sache sei gesagt : Nur weil man mit Begriffen wie „Pops“, „Doghouse“ und „Face“ bzw. „Heel“ um sich wirft bzw. weiß was sie bedeuten ist man noch lange kein Experte. Und dass Sie sich Experte nennen, lässt Sie in meinen Augen nur noch lächerlicher aussehen.

Obwohl ich Ihren Gedankengang verstehen kann. „Wrestling-Experte“ hört sich schon besser an als „BILD-Redakteur“.

Im Internet höre ich komischerweise immer die gleiche Reaktion zu Ihren BILD-Artikeln. Die meisten User sind absolut keine Fans der BILD, was generell erfreulich ist, gleichzeitig argumentiert man mit der Aufmerksamkeit für den Wrestling-Sport, die die BILD (unbestreitbar) generiert. Aber das ist ungefähr so als würde ich durch Berlin gehen und in jeden Hundehaufen eine WWE-Flagge stellen. Die Leute werden sich, spätestens nach dem dritten oder vierten Hundehaufen fragen, was diese Flaggen zu bedeuten haben. Somit habe ich ihre Aufmerksamkeit. Wenn ich so darüber nachdenke gehöre ich ins Marketing, aber das ist jetzt eine andere Sache. Wenn man darüber berichtet, dann bitte mit mehr Information und weniger Selbstbeweihräucherung. Denn ehrlich gesagt hört sich meine Hundehaufenidee im Vergleich zu Ihren Artikeln gar nicht einmal schlecht an.

Aber, wie sehr viel Kritik heutzutage, wird es höchstwahrscheinlich auf taube Ohren treffen. Deswegen habe ich nicht einmal versucht hier einen sachlichen Brief zu verfassen. Sie sind ein studierter Mann, ich bin es nicht – Sie verdienen mit Ihren Artikeln Geld, ich nicht. Somit sind Kommentare mit dem Kerninhalt „ICH BIN DOCH NUR NEIDISCH“ vorprogrammiert und ich denke, ich bekomme auch einige Male das bescheuerte Modewort „Hater“ gegen den Kopf geschmissen. Aber wenn ich sehe, was andere Mitglieder der Wrestling-Community völlig ohne Entgelt verfassen und was Sie veröffentlichen wird mir schlecht, gerade DA Sie Journalistik und Germanistik studiert haben, gerade DA Sie zweifellos die größte Leserschaft unter all den Wrestling-Portalen haben (BildPlus-Artikel ausgenommen).

Aber vielleicht sind Sie ja cooler als angenommen. Vielleicht nehmen Sie sich den einen oder anderen Punkt etwas zu Herzen. Vielleicht ist ja alles das, was ich kritisiere Vorgabe Ihres, pardon, schrecklichen Arbeitgebers. Vielleicht können Sie ja gar nichts dafür. Es gibt ja immer seltsame Umstände. 

Ich persönlich wäre ja schon zufrieden, wenn sie Wrestlerinnen nichtmehr als Miezen bezeichnen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Mathias

Wrestling-Point Newsreporter, Kolumnist, unbezahlter Zyniker und alles außer Wrestling-Experte.

P.S. Die 99ct, die ich für BildPlus ausgegeben habe, waren die Recherche nicht wert. Denn ja, davor habe ich mir natürlich jeden ihrer Wrestling-Artikel durchgelesen die ich finden konnte.

Der Artikel gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors Mathias wieder und nicht immer die Meinung von wrestling-point.